Serbien und die bosnische Teilrepublik Republika Srpska sträuben sich hartnäckig gegen die erwartete Verabschiedung einer UN-Resolution zum Völkermord in Srebrenica. Belgrads Widerstand ist auch innenpolitisch motiviert.

Korrespondenten: Thomas Roser (tro)

Auch auf scheinbar aussichtslosen Posten streitet Serbiens allgewaltiger Präsident Aleksandar Vucic niemals allein. Neben des eigens eingeholten Segens des serbisch-orthodoxen Patriarchen begleitet ein vielstimmiger Unterstützerchor der regierungsnahen Medien den streitbaren Landesvater auf seiner trotzigen Windmühlenmission nach New York.

 

„Tage der Entscheidung!“, titelt aufgeregt das Schmuddelblatt „Alo!“ – und kündigt vor der UN-Versammlung einen präsidialen „Löwenkampf für die Ehre Serbiens“ an: „Vucic wird den Kampf gegen die Srebrenica-Resolution führen.“

Er fürchte „weder das Gefängnis noch den Tod“, zitiert der „Informer“ auf seinem Titelblatt den als furchtlosen Retter der Nation gefeierten Staatschef. „Wir sind keine Genozid-Nation“, lässt derweil Vucic vor der am Donnerstag erwarteten Abstimmung über die von Deutschland und Ruanda initiierte, aber von Belgrad abgelehnte UN-Resolution zum Völkermord in Srebrenica wissen.

8732 Männer hingerichtet

Es ist das Gedenken an das schwerste Kriegsverbrechen des Bosnienkriegs (1992-1995), der nicht nur Bosnien und Herzegowina, sondern auch die Nachbarn bewegt. Nach der Einnahme der Muslimenklave am 11. Juli 1995 durch die bosnisch-serbischen Streitkräfte wurden deren männliche Bewohner von Frauen und Kindern getrennt, in systematischen Hinrichtungen erschossen und in Massengräbern verscharrt: Bisher konnten die Überreste von über 6700 der 8732 Opfer geborgen, identifiziert und bestattet werden.

Wegen Völkermords sind mit Ex-General Ratko Mladic und dem früheren Serbenführer Radovon Karadzic die wichtigsten Drahtzieher vom früheren UN-Kriegsverbrechertribunal rechtskräftig verurteilt worden. Ein Jahr vor dem 30. Jahrestag soll der 11. Juli mit der am Donnerstag zur Abstimmung anstehenden UN-Resolution zum „Internationalen Tag des Gedenkens der Reflexion und des Gedenken des Genozids in Srebrenica“ erklärt werden. Gleichzeitig wird in dem Entwurfstext die Leugnung des Völkermords genauso verurteilt wie die Glorifizierung der Täter.

Würdenträger spielen Massenmorde herunter

Die systematischen und vorab generalstabsmäßig geplanten Massenmorde von Srebrenica werden von serbischen Würdenträgern zwar nicht geleugnet, aber deren Umfang beschönigt – und heruntergespielt: Statt von Völkermord pflegen Belgrad und Banja Luka offiziell von einem „furchtbaren Verbrechen“ zu sprechen – und mit den serbischen Opfern von Kriegsverbrechen aufzurechnen.

Obwohl in dem Resolutionstext weder von „Serbien“ noch der „Republika Srpska“ oder „Serben“ die Rede ist, läuft Belgrad schon seit Wochen gegen die angebliche Dämonisierung der Serben als Täternation Sturm: Von Machthabern und Regierungsmedien wird der Kampf gegen die Resolution zur Schicksalsfrage der Nation stilisiert.

Vucic erbost über Ex-Bruderstaaten

Die Resolution könne als Grundlage neuer Reparationsforderungen und Aufhebung der bosnischen Republika Srpska dienen, so die düstere Warnung von Vucic. Erbost ist er über Ex-Bruderstaaten, die trotz großen serbischen Drucks für die Resolution stimmen wollen: „Von einigen Staaten hätten wir nicht erwartet, dass sie uns das Messer in den Rücken stoßen.“

Analysten in Belgrad und Banja Luka weisen derweil darauf hin, dass der medial aufgebauschte Feldzug gegen die missliebige Resolution vor allem auch innenpolitischen Zwecken dient. In Serbien stehen am 2. Juni, in Bosnien im November Kommunalwahlen an: Sowohl Vucic als auch der bosnische Teilstaatspräsident Milorad Dodik wollten sich vorab erneut als kompromisslose Kämpfer für die Interessen der serbischen Nation profilieren.