Ein Gleitschirmflieger verheddert sich im Tragseil der Tegelbergbahn und legt sie lahm. 20 Menschen müssen ausharren, sieben aus Baden-Württemberg.

Schwangau - Seilbahn-Drama am Tegelberg: Mehr als 18 Stunden lang saßen 20 Menschen im bayerischen Allgäu in einer Gondel fest. Für eine Rettung mit Hubschraubern war es zunächst zu windig. Erst am frühen Samstagmorgen konnten die Helikopter wieder starten und die Eingeschlossenen einzeln in 100 Meter Höhe aus der Gondel holen und in Sicherheit bringen. Ein Gleitschirmflieger hatte sich am Freitag aus noch ungeklärter Ursache in den Seilen der Tegelbergbahn verfangen und sie damit lahmgelegt. In der Gondel waren auch sieben Touristen aus Baden-Württemberg. Drei von ihnen kämen aus dem Kreis Schwäbisch-Hall, drei aus dem Kreis Biberach und einer aus dem Neckar-Odenwald-Kreis, teilte die Polizei am Samstag mit.

 

Der Gleitschirmflug in der Nähe von Schloss Neuschwanstein stand im Zusammenhang mit Fernsehaufnahmen. Der Gleitschirmpilot war im Tandemflug mit einem Reporter des Bayerischen Fernsehens unterwegs, wie eine Sprecherin der Bayerischen Rundfunks (BR) am Sonntag der dpa sagte. Es sei um Aufnahmen für eine Urlaubsserie gegangen. Eigentlich habe im Anschluss eine Kamerafrau in einem zweiten Tandemflug starten sollen, dazu kam es dann wegen des Unfalls aber nicht mehr.

Aus einer zweiten festsitzenden Gondel konnten noch am Freitag 30 Insassen aus 70 Meter Höhe abgeseilt werden. Dies war nur möglich, weil diese Gondel über flacherem Gelände und nicht am Steilhang festsaß. Mit Hubschraubern waren am Freitag auch 132 Besucher der Bergstation ins Tal gebracht worden, die keine Rückfahrmöglichkeit mehr hatten.

Die 19 Touristen in der hoch hängenden Gondel, darunter fünf Kinder im Alter von vier bis zwölf Jahren, und der Gondelführer sollten zunächst auch noch am Freitagabend per Hubschrauber gerettet werden. Die Aktion musste jedoch wegen zu starken Windes abgebrochen werden. Die 20 Insassen mussten die Nacht in der nur rund zwölf Quadratmeter großen Kabine verbringen. Als Nottoilette dient eine kleine Luke im Gondelboden. Mit einem Seilfahrgerät brachte ein Bergretter Lebensmittel, Decken und Spielsachen zu der Gondel.

Zu einer Panik kam es nicht. Die Polizei führt dies unter anderem auf das „besonnene Verhalten des Gondelführers“ zurück. Zudem habe zu den Festsitzenden die ganze Zeit über Funkkontakt bestanden. Nach Einbruch der Dunkelheit leuchteten die Rettungskräfte den Berg mit Flutlicht aus. Zahllose Schaulustige verfolgten das Berg-Drama vom Tal aus.

Bergung im Morgengrauen

Im Morgengrauen begannen die Helfer am Samstag mit der Bergung. Das gute Flugwetter mit nur wenig Wind habe den „komplexen Einsatz“ am Steilhang erleichtert, sagte der Sprecher der Bergwacht Allgäu, Roland Ampenberger. Wenige Stunden zuvor hatte es am Tegelberg, der bei Gleitschirmfliegern sehr beliebt ist, noch stark geregnet.

In Präzisionsarbeit positionierten sich die zwei Hubschrauber abwechselnd über der Gondel. Durch die Dachluke wurden die zuvor gut gesicherten Insassen dann nach und nach befreit und einzeln mit einer Winde zusammen mit einem Luftretter in den Hubschrauber hochgezogen. Die Aktion dauerte rund zwei Stunden. „Es lief alles glatt“, sagte Bergwacht-Sprecher Ampenberger danach erleichtert.

Die Geretteten wurden in einem Zelt medizinisch betreut und mit Essen, Getränken und Decken versorgt. Alle seien den Umständen entsprechend wohlauf, sagte Ampenberger. Der älteste Eingeschlossene war 75 Jahre alt. Vor den Medien wurden die Befreiten abgeschirmt. Die Touristen stammen nach Angaben der Polizei aus Bayern, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen.

Der 54 Jahre alte Gleitschirmpilot, ein Deutscher mit Wohnsitz in der Schweiz, und sein 35 Jahre alter Fluggast kamen mit leichten Verletzungen davon. Sie waren am Freitag ebenfalls mit einem Hubschrauber geborgen worden.

Gegen den Piloten wird nach Polizeiangaben wegen fahrlässiger Körperverletzung sowie eines gefährlichen Eingriffs in den Bahnverkehr ermittelt. Die Polizei betonte aber, dass sie in allen Richtungen ermittele - neben einem Flugfehler komme auch eine Windböe als Unfallursache infrage. Der Mann sei in die Schweiz zurückgekehrt, was auch erlaubt und keinesfalls als Flucht aufzufassen sei. Der Pilot muss möglicherweise mit Schadenersatzforderungen rechnen.

Entgegen ersten Einschätzungen rechnete der Geschäftsführer der Bergbahn, Franz Bucher, damit, dass die Tegelbergbahn schon an diesem Montag wieder fahren kann. Der verhedderte Gleitschirm wurde entfernt. Am Sonntagnachmittag kam der TÜV, um die Seile der Bahn zu überprüfen. Den Umsatzausfall durch den Stillstand der Bahn bezifferte Bucher auf 60 000 bis 70 000 Euro. Der Geschäftsführer zeigte sich verärgert darüber, dass sich der Pilot noch nicht bei ihm gemeldet habe und nicht ans Telefon gehe.