Helmut Wochners Leben klingt nach einem Spagat: Er arbeitet die halbe Woche als Pastor in einer kleinen freikirchlichen Gemeinde und die andere halbe Woche und auf dem Wertstoffhof in Stuttgart-Plieningen. Warum?

Klima & Nachhaltigkeit: Judith A. Sägesser (ana)

Plieningen - Die Woche besteht für Helmut Wochner aus zwei Welten. Montags, mittwochs, freitags und am Wochenende geht es um Gott, Glauben und Gemeinde. Dienstags und donnerstags geht es um Abfallkarten, Mülltrennung und Wertstoffe. Helmut Wochner ist in Teilzeit Pastor in einer kleinen Gemeinde bei Balingen, und er ist in Teilzeit auf dem Plieninger Wertstoffhof und nimmt Bürgern Sperrmüll, Pappe oder Elektroschrott ab.

 

Was für andere nach einem Spagat klingt, ist für Helmut Wochner ein gesundes Gleichgewicht. „Ich bin ganz glücklich dabei“, sagt er. Der eine Job hat viel mit dem Kopf zu tun, mit Gedanken und Gefühlen, der andere ist etwas für die Hände mit klaren Regeln: Papier kommt in den Papiercontainer, Elektroschrott in den Elektroschrott-Container.

Die Gemeinde hat wenig Geld für Personal

Hätte er es sich aussuchen können, hätte sich Wochner für Pastor in Vollzeit entschieden. Doch die Gemeinde, die er sich als junger Mann herausgesucht hat, ist eine kleine freikirchliche, die sich aus Spenden finanziere, wie Wochner sagt: die Gemeinde Gottes. Dabei handelt es sich um eine freikirchliche Gemeinde, die zur weltweiten Pfingstbewegung gehört. Viele Geistliche arbeiten ehrenamtlich, wie auch er lange Jahre. Doch seit längerer Zeit ist Helmut Wochner nun halbtags angestellt in jener Gemeinde nahe Balingen.

Wochner ist 58 Jahre alt. So unterschiedlich seine beiden Berufswelten erscheinen mögen, alles hat sich über die Jahre eingependelt. Dabei ist ihm sein Doppelleben nicht zugeflogen. Er schlug als junger Mann zunächst einen anderen Weg ein. So absolvierte er eine Ausbildung zum Radio-Fernseh-Techniker. Die hat er zwar abgeschlossen, wusste aber: „Das war nichts für mich.“ Er hat mehr oder weniger direkt danach eine dreijährige Ausbildung am Bibelseminar der Gemeinde Gottes begonnen. Sein alter Religionslehrer von der Realschule hatte ihn damals in einen Gottesdienst mitgenommen. „Ich habe gemerkt, dass die Leute mehr haben als andere“, sagt er. So kam er schließlich zum Pastorentum.

Mülltrennung wurde damals zum großen Thema

Weil allerdings recht schnell klar war, dass sich davon mit Familie schwer leben lässt, hat sich Wochner Ende der 1980er Jahre nach etwas Zusätzlichem umgeschaut. Es sei die Zeit gewesen, in der die Mülltrennung zum großen Thema geworden ist. Er fand ein damals neues, sperrig klingendes Berufsbild interessant: Ver- und Entsorger Fachrichtung Abfall. Das hat er gemacht – und es auch nie bereut. Auch wenn es auf dem Wertstoffhof nicht immer freundlich zugeht. Sei es, weil ein Kunde nicht einsieht, dass er ohne Abfallkarte bezahlen muss, oder weil Wochner jemanden ertappt, der etwas aus den Containern fischt.

Meistens geht es bei aufkeimenden Konflikten allerdings um Fehlwürfe. Heißt: Die Leute schmeißen ein kaputtes Radio zur Pappe oder einen Stuhl in den Elektroschrott. Wochner ist sich sicher, dass es ihm hilft, in seinem anderen Berufsleben Pastor zu sein. Er sagt sich dann: „So sind die Menschen halt. Sie sind nicht perfekt, sie sind fehlbar.“

An den Tagen auf dem Wertstoffhof in Plieningen kann sich Helmut Wochner neu sortieren, er findet Abstand, kann dieses und jenes erst einmal sacken lassen. „Und ich bin an der frischen Luft“, sagt er. Nächstes Jahr hat er Dienstjubiläum: Dann ist er seit 25 Jahren bei der Stadt.