Helena Hofmann produziert an der Filmakademie die Comedy-Serie „Zum Goldenen Lama“ – vor Live-Publikum und mit einem 70-köpfigen Team. Die Schauspieler verzichten auf Honorar, denn alle eint eine ganz bestimmte Hoffnung.

Nachrichtenzentrale: Tim Höhn (tim)

Ludwigsburg - Es ist Samstag, kurz vor 18 Uhr, und die Lage im Albrecht-Ade-Studio der Ludwigsburger Filmakademie ist unübersichtlich. In wenigen Minuten soll die Aufzeichnung beginnen, vor Live-Publikum, noch immer strömen Leute in den Saal, während Techniker letzte Änderungen am Set vornehmen und die Kameramänner eher gelangweilt ins Leere starren. Das wirkt chaotisch, aber als sich die Türen schließen, wird aus dem vermeintlichen Chaos eine perfekte Choreografie. Die sechs Schauspieler nehmen, ebenso wie die Kamera- und Tonleute, ihre exakt definierten Positionen ein. Klappe, die erste, und jetzt: bitte lachen! Denn das, was hier produziert wird, soll lustig sein, eine Sitcom, eine Situationskomödie.

 

Allein das zeigt, auf welch schwieriges Terrain sich Helena Hofmann mit ihrem Team begeben hat. „Wenn wir scheitern, wäre das sehr schade für alle“, hat die Studentin, Produzentin und Drehbuchautorin wenige Stunden zuvor gesagt. „Aber dann haben wir es wenigstens probiert.“ Unzählige Male haben deutsche Sender versucht, nach dem Vorbild amerikanischer Erfolgsserien wie „Big Bang Theory“ oder „How I Met Your Mother“ Sitcoms an den Markt zu bringen, und immer sind sie krachend gescheitert . Die Deutschen bauen gute Autos, spielen guten Fußball, aber mit dem Humor ist es halt so eine Sache. Mit ihrem Diplomprojekt „Zum Goldenen Lama“ will Helena Hofmann das ändern, und der Aufwand dafür ist riesig.

70 Leute sind an der Produktion dieser ersten und vorerst einzigen Folge beteiligt, alle arbeiten ohne Honorar, auch die Schauspieler. Die Filmakademie stellt das Equipment, was elementar für ein derartiges Projekt ist. Allein ein Studio kann leicht tausend Euro pro Drehtag kosten. Mit einer Crowdfunding-Kampagne sammelte Hofmann etwas Kapital. Die 150 Zuschauer, die im Studio für die sitcomtypischen Lacher im Hintergrund sorgen, zahlen Eintritt. Die Karten waren sofort ausverkauft.

Im Studio herrscht eine theaterähnliche Atmosphäre

„Zum Goldenen Lama“ spielt in Berlin und erzählt von sechs jungen Menschen und ihren Nöten und Katastrophen im Leben, Studium, Job, mit Partnern und Ex-Partnern. Früher ließen deutsche Produzenten die Lacher oft nachträglich einfügen, aber Hofmann orientiert sich an Amerika, wo traditionell vor Publikum gedreht wird. So entsteht eine theaterähnliche Atmosphäre, und die Schauspieler spüren sofort, ob ein Gag ankommt oder nicht. Sie sei nervöser als sonst, erzählt Amelie Plaas-Link, kurz vor Drehbeginn. Die junge Schauspielerin hat in zahlreichen Serien mitgespielt, aber nie live.

Anders als bei normalen Fernsehproduktionen werden für Sitcoms minutenlange Szenen am Stück gefilmt, sogenannte Takes. Raum für Improvisation bleibt da nicht, jeder Monolog, jede Kameraeinstellung, alles wurde vorab festgelegt und geprobt. „Das läuft ab wie ein Uhrwerk“, sagt der Regisseur Tarek Röhlinger. Notfalls werden die Takes so lange wiederholt, bis alles passt oder der beste Gag gefunden ist.

So kann es vorkommen, dass die eine Hauptdarstellerin der anderen im ersten Take an den Kopf wirft, sie sehe aus wie Britney Spears im Jahr 2007, und im nächsten Take dann, sie habe Ähnlichkeit mit Karl Dall. Was besser ankommt, wird genommen. In dem Fall schwer zu entscheiden, der Gag ist kein Brüller. Der nächste folgt wenige Sekunden später. Situationskomödien zeichnen sich durch die schnelle Abfolge von Pointen aus, und wenn das Timing stimmt, kann das sehr lustig sein.

Die wichtigste Vorgabe fürs Publikum lautet: laut lachen!

Ein Anheizer hat das Publikum vorab mit eigenen Witzen in Stimmung gebracht und den Ablauf erklärt. Die zwei wichtigsten Regeln: „Lachen Sie nicht wie ein Intellektueller. Und wenn Sie einen Witz nicht lustig finden: Lachen Sie trotzdem!“ Letzteres ist auch eher scherzhaft gemeint. Die Erfahrung zeigt, dass Lachen mit Ansage nie klappt, auch nicht im Fernsehen.

Schon nach dem ersten Take ist eine gewisse Erleichterung im Studio spürbar, nach dem zweiten ruft Amelie Plaas-Link „Ihr seid richtig geil“ in die Menge. Denn: Die Leute lachen. Sie lachen viel und sie lachen laut, und das heißt: „Zum Goldenen Lama“ könnte funktionieren.

Was das bedeutet, weiß niemand, weil es sich in erster Linie eben um ein Diplomprojekt handelt. Warum die Schauspieler, allesamt ausgebildet und mit Fernseherfahrung, angesichts der ungewissen Aussichten trotzdem mitmachen? „Wenn die Ludwigsburger Filmakademie ruft, sagt man nicht Nein“, antwortet Julius Dombrink, der in der Serie den ebenso schrulligen wie coolen Moe spielt. Etwas anderes dürfte indes wohl auch eine Rolle spielen: die Hoffnung, dass „Zum Goldenen Lama“ von einem Sender gekauft wird und den Weg ins Fernsehen findet.

Die Filmakademie hat viele erfolgreiche Fernsehmacher hervorgebracht, das Renommee in der Branche ist exzellent. Das Problem: Ums Renommee der deutschen Sitcom ist es nach Flops wie „Sekretärinnen – Überleben von 9 bis 5“ oder „Christine. Perfekt war gestern!“ weit weniger gut bestellt. Dramen, Dokumentationen – so etwas ist momentan leichter bei einem Sender unterzubringen als Comedy. Sie wisse ja, dass das alles ein Himmelfahrtskommando sei, sagt Helena Hofmann. Aber es sei eine einmalige Chance gewesen, so etwas am Ende ihres Studiums zu realisieren. Ohne die Hilfe der Filmakademie wäre das alles vollkommen unmöglich gewesen. „Also wenn nicht jetzt, wann dann?“