Der Mainzer Wissenschaftler Manfred Kern beleuchtet in einem Vortrag an der Universität Hohenheim die Wege und Abwege der Nahrungsmittelproduktion.

Hohenheim - Ein drastischer und provokanter Titel, etwas lang vielleicht: „Manche Hunde fressen Gourmet-Qualitäten – und viele Menschen essen Dreck“. Dazu hatten am Dienstagnachmittag die Ernährungswissenschaftler der Uni Hohenheim in den Öko-Bau eingeladen. Dass der Referent Manfred Kern für die Tochter eines großen Pharmakonzerns arbeitet, hätte auch bei den 50 Zuhörern vielleicht Skepsis auslösen können. Die erwies sich aber als unbegründet. Der Wissenschaftler aus Mainz hielt seinen Vortrag völlig werbefrei. Die viele Statistik zu den Problemen der Welternährung war verblüffend, informativ und oft sogar witzig bis satirisch.

 

Die meisten ihrer sogenannten Millenniums-Ziele, von den Vereinten Nationen im Jahr 2000 verkündet, hat die Menschheit schon jetzt verfehlt. Den Hunger in der Welt wollte man bis zum Jahr 2015 halbieren. Tatsächlich nahm die Zahl der Unterernährten ziemlich konstant zu. Heute, rund drei Jahre vor dem Zieldatum, müssen mehr als eine Milliarde Menschen hungern. Diesem Sechstel der Menschheit steht – vor allem in den wohlhabenden Ländern natürlich – ein fast genau gleich großer Anteil gegenüber, der mit Übergewicht zu kämpfen hat: 1,1 Milliarden Dicke schleppen sich durch die Welt.

Und da spitzte Manfred Kern sein Thema mit einem ersten Bild zu. Es zeigte einen sitzenden Fettleibigen, der seinem Lassie-Collie-Hund auf einem Laufband die nötige Bewegung verschafft. Die verfügbare Lebensmittelvielfalt hat drastisch bis pervers zugenommen. Von Bio bis glutenfrei, von halal über koscher und kalorienreduziert bis vegan reicht das verfügbare Angebot. In England gibt es sogar das Label „Zombie-Food“. Steil ansteigend ist weltweit die Zahl der Menschen, die in Städten und Mega-Städten lebt und sich aus Supermärkten versorgen.

Ein Viertel auf dem Teller, ein Drittel im Trog und in der Tonne

Dass Europa wegen der Konkurrenz zur Ernährung beim Bio-Sprit jetzt „zurückrudert“, war dem Referenten einen kleinen Exkurs wert. Der Flächenverbrauch für Bioenergie an den landwirtschaftlich nutzbaren Böden steigt. In den entwickelten Ländern sinkt die Zahl der Kinder. Die Zahl der Haustiere hingegen geht ebenso drastisch in die Höhe wie der Fleischverbrauch in den Schwellenländern steil ansteigt.

Weltweit gibt es inzwischen wohl eine Viertelmilliarde Hunde und noch einmal fast genauso viele Hauskatzen. Für eine besondere Züchtung zahlte eine neureiche Chinesin jüngst umgerechnet 400 000 Euro. Dieses China erwägt nach der Ein-Kind-Politik jetzt eine Ein-Hund-Verordnung, der Iran andererseits ein Hundeverbot, weil der Islam sie als unrein erachtet. Pferde als Zugtiere und pflügende Ochsen verlieren an Bedeutung, Hobby-Pferde hingegen nehmen zu. Der weltweite Tierfutter-Markt wird auf ein Volumen von 56 Milliarden Euro geschätzt. Und es gibt schon Adventskalender für Hunde, glutenfreies oder gar vegetarisches Katzenfutter und Wasser mit Speck-Aroma.

Unter den vielen Statistiken, die Manfred Kern anbot, waren ein paar besonders einprägsam. Auf Deutschland gerechnet, wird ein volles Zehntel der landwirtschaftlichen Nutzfläche für die Produktion von Haustierfutter benötigt – also der Flächenanteil Baden-Württembergs am gesamten Land. Rund ein Viertel der Agrarproduktion landet auf dem Teller, ähnlich viel inzwischen im Tank, ein knappes Drittel als Mastfutter im Trog und etwa der gleiche Anteil als Müll in der Tonne. Zu seinen griffigen „Sieben T“ zählte Manfred Kern auch noch die Taille, auf der sich ein Zehntel der Nahrungsmittelproduktion als Speck und Übergewicht ansammelt.