In 140 Fällen wurden Zulagen für Angestellte an der Uni Stuttgart rechtswidrig gewährt. Die Empfänger dürfen das Geld behalten. Doch den Verantwortlichen, die es gewährten, drohen nun Konsequenzen.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Die Zulagenaffäre an der Universität Stuttgart hat ein größeres Ausmaß als bisher bekannt. Nach derzeitigem Stand sollen in etwa 140 Fällen Leistungszulagen für Tarifangestellte rechtswidrig gewährt worden sein. Dabei seien haushaltsrechtliche Vorgaben zum Bewilligungsverfahren, zur Herkunft der Mittel und zur Höhe der Zulagen „nicht ordnungsgemäß beachtet“ worden, sagte ein Uni-Sprecher unserer Zeitung. Der Gesamtbetrag lasse sich noch nicht seriös beziffern, da man sich derzeit noch mitten in der Aufklärung des Sachverhalts befinde.

 

Alle rechtswidrig gewährten Zulagen wurden dem Sprecher zufolge zunächst widerrufen. Inzwischen würden sie „gemäß den haushaltsrechtlichen Vorschriften gewährt“; dies gelte für bestehende und neue Zulagen gleichermaßen. Für die Vergangenheit könnten die Zahlungen aus arbeits- und tarifrechtlichen Gründen nicht zurückgefordert werden. Die Universität prüfe allerdings gemeinsam mit dem Wissenschaftsministerium von Theresia Bauer (Grüne), ob und inwieweit „mögliche Regresszahlungen in Betracht kommen“. Solche Forderungen würden sich gegen Uni-Vertreter richten, die für die Gewährung der Zulagen zuständig waren; Namen oder Funktionen wurden nicht genannt. Es dürfte um – heutige oder frühere – Verantwortliche für Personal und Finanzen gehen, bis hinauf in die Führung der Universität.

Uni sieht keine strafrechtliche Relevanz

Anders als bei der Zulagenvergabe für Professoren an anderen Hochschulen in Baden-Württemberg, die mehrere Staatsanwaltschaften beschäftigen, sieht man in Stuttgart bisher keine strafrechtliche Relevanz. Ein Vorsatz sei bei den Verstößen nicht erkennbar, sagte der Uni-Sprecher: „Man hat grundsätzlich die getroffenen Entscheidungen seitens der Universität Stuttgart für durchweg zulässig gehalten.“ Daher habe man davon abgesehen, die Staatsanwaltschaft einzuschalten. Diese ist mit der Stuttgarter Zulagenthematik bisher nicht befasst, wie ein Behördensprecher bestätigte.

Die Universität betreibt die Aufklärung „in enger Zusammenarbeit“ mit dem Wissenschaftsministerium. Dieses hatte im Spätsommer bekannt gegeben, dass man nach den Zulagen für Professoren nun auch die „leistungsorientierten Vergütungsbestandteile“ von Tarifangestellten landesweit prüfe. Anlass seien fehlerhafte Vergaben, die die betroffenen Hochschulen an die Aufsicht gemeldet hätten. Neben Stuttgart ist auch die Universität Heidelberg betroffen. Dort geht es allerdings nur um zwei Fälle, darunter einen im engsten Umfeld des Unirektors Bernhard Eitel.

Ministerium: kein flächendeckendes Problem

Landesweit gibt es an den Hochschulen etwa 60 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die auf der Basis von Tarifverträgen angestellt sind. Entsprechend umfangreich sei der Prüfungsaufwand, hatte das Ministerium mitgeteilt. Es handele sich „nicht um ein flächendeckendes Phänomen“, hieß es in einer Zwischenbilanz; die Fehler beschränkten sich wohl „auf wenige Hochschulen“. Wie beim wissenschaftlichen Personal wolle man die Kontrollstrukturen dauerhaft stärken.

Die Universität Stuttgart hatte die Verstöße im August selbst öffentlich gemacht. Mängel bei der Zulagenvergabe wurden danach bereits im Februar entdeckt. Man habe sofort die Innenrevision eingeschaltet, eine Rechtsanwaltskanzlei mit der Überprüfung beauftragt sowie den Universitätsrat und das Ministerium informiert. Im Juli sei dieses in detaillierten Berichten über „jeden einzelnen Fall“ unterrichtet worden. Zuvor sei eine Dienstanweisung ergangen, die fraglichen Zahlungen „unverzüglich zu korrigieren“ und künftig die rechtmäßige Vergabe sicherzustellen. Gleichzeitig prüfe man arbeits- und disziplinarrechtliche Konsequenzen, hieß es.

Justiz über dubiose Rechnungen informiert

Im Zuge von internen Untersuchungen ist die Universität derweil auf mögliche Unregelmäßigkeiten jenseits der Zulagenthematik gestoßen. Entsprechende Informationen unserer Zeitung bestätigte der Sprecher. Es gehe um „vermutlich unrechtmäßig gestellte Rechnungen einer Mitarbeiterin und Zahlungsanordnungen einer Vorgesetzten“. Da es sich um eine strafbare Handlung handeln könnte, habe man den Sachverhalt „zur Kenntnis und Prüfung“ der Staatsanwaltschaft vorgelegt; Strafanzeige sei jedoch nicht erstattet worden.

Ein Sprecher der Ermittlungsbehörde bestätigte, dass ein Schreiben der Hochschule eingegangen sei. Man habe dazu noch Rückfragen und werde den Sachverhalt dann gründlich prüfen. An der Uni kursieren bereits Spekulationen, gegen wen sich der Verdacht richten könnte.