Unterrichtsausfall im Kreis Ludwigsburg Zu wenige Lehrer, zu viele Ausfälle

In den Klassenzimmern fehlen die Lehrer, quer durch alle Schularten. Teilweise können nicht einmal alle Stunden in den Kernfächer unterrichtet werden – und Besserung ist nicht in Sicht: Der Arbeitsmarkt für Pädagogen ist leer gefegt.
Kreis Ludwigsburg - Seine Besonnenheit hat Jörg Fröscher nicht verloren. Es klingt vielmehr sehr sachlich, wenn er s agt: „Es gab in diesem Schuljahr wahrscheinlich keinen Tag, an dem alle 70 Kollegen da waren.“ Dabei ist genau das für den Rektor der Ditzinger Theodor-Heuglin-Schule ein echtes Problem. Laut Auskunft des Kultusministeriums ist die Gemeinschaftsschule in Hirschlanden eine von vieren im Kreis Ludwigsburg, an denen aktuell so viele Lehrer fehlen, dass nicht einmal der Pflichtunterricht abgedeckt werden kann.
Sieben Stunden in der Woche könnten nicht geleistet werden, schreibt die Ministerin Susanne Eisenmann (CDU) in ihrer Antwort auf eine Anfrage des Landtagsabgeordneten Markus Rösler (Grüne). Neben der in Ditzingen sind drei weitere Gemeinschaftsschulen betroffen, an denen die Kernfächer teilweise ausfallen müssen: Die Schule im Sand in Bietigheim-Bissingen, die Schlossbergschule in Vaihingen/Enz sowie die Schule auf dem Laiern in Kirchheim am Neckar.
Insgesamt gebe an zwölf von 15 Gemeinschafts- und Werkrealschulen im Landkreis derzeit Unterrichtsausfälle, heißt es aus dem Ministerium. An der Realschule in Gerlingen fehlt demnach die Kapazität von 44 Wochenstunden, bedingt durch längerfristige Ausfälle im Lehrerzimmer. Teilweise Kürzungen und das Streichen von Nebenfächern „seien nicht zu vermeiden“. Fast schon „dramatisch“ sei die Situation an den Sonderschulen, sagt der Grünen-Abgeordnete Rösler.
Die Vertretungslehrer sind alle bereits im Einsatz
Um an der Theodor-Heuglin-Schule den Unterricht in den wichtigeren Fächern zu gewährleisten, ziehe man Lehrer aus dem Ganztagesangebot ab, erklärt der Schulleiter Fröscher, zudem würden Kollegen freiwillig Überstunden machen oder hätten ihre Deputate erhöht. Doch ein Problem bleibt: jede weitere Krankmeldung, jeder weitere Ausfall führt automatisch zu neuen Problemen, denn alle Vertretungskräfte sind bereits im Einsatz. Normalerweise bräuchte eine Schule wie die seine zwei Lehrer als Reserve, meint der Rektor Fröscher. „Wir haben null.“ Als unlängst die große Grippewelle durch das Land schwappte, sei an der Theodor-Heuglin-Schule jede sechste Stunde ausgefallen.
Auch diesen Eindruck belegt der Brief der Ministerin: Schon früh im Schuljahr seien alle Vertretungslehrer des Ludwigsburger Schulamts im Einsatz gewesen, da im Herbst „nicht mehr ausreichend Bewerber für Festeinstellungen gewonnen werden konnten“. Im Laufe des Schuljahres wurden zusätzliche 70 Pädagogen befristet zugeteilt, der landesweite Vertretungspool sei aber ausgeschöpft. Für weitere Ausfälle müssten „andere Lösungen gesucht werden“, schreibt Eisenmann.
Während der Grippewelle fiel jede sechste Stunde aus
Vergleichbar wie an den Grund-, Real- und Gemeinschaftsschulen ist die Lage an den Gymnasien. Das zuständige Regierungspräsidium Stuttgart (RP) erhebt die ausgefallenen Stunden dort zwar nicht für jeden Tag. Eine Stichprobe habe aber eine Ausfallquote unter den Schulen in der Region Stuttgart von 4,6 Prozent im Pflichtbereich ergeben. Damit liege man etwas unter dem Niveau des Vorjahres, teilt das RP mit. An allen Gymnasien im Kreis gebe es derzeit Ausfälle, sagt der Sprecher Matthias Kreuzinger, an zwölf Schulen auch längerfristiger Art. 48 Lehrer seien daher zusätzlich befristet angestellt worden. Aufgrund der „schwierigen Bewerberlage“ sei aber nicht ausgeschlossen, dass Stunden entfallen würden.
Die Leiterin eines Gymnasiums, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen will, sagt: „Überall fällt Unterricht aus.“ Gerade langfristige Krankenfälle könnten kaum noch kompensiert werden, speziell in den üblichen Verdächtigen, den Fächern Physik, Mathe und anderen Naturwissenschaften. Der Beauftragte der Landesrektorenkonferenz für Fragen des Lehramts an Universitäten, Hans-Jochen Schiewer sieht als Grund die besseren Verdienstmöglichkeiten für Naturwissenschaftler in der Wirtschaft. Viele Studierende würden sich nicht für das Lehramt entscheiden.
„Der Mangel wird anhalten“
„Dann brauchen wir eben kreative Lösungen“, sagt Christina Bechmann. Die Vorsitzende des Gesamtelternbeirats aller Ludwigsburger Schulen schlägt vor, auf Quereinsteiger zu setzen, wenn die Zahl der Lehramtsstudenten zurückgehe und der Markt an Bewerbern leer sei. „Ich erwarte pragmatische Lösungen, keine politischen.“ Sie berichtet von Realschulen, an denen auch in Klasse 9 und 10, also kurz vor den Abschlussprüfungen, der Kernunterricht teilweise ausfalle. „Da bekommen die Eltern Schnappatmung.“
Die Not hat Jörg Fröscher erfinderisch gemacht: Manchmal sei es sinnvoller, Stunden ausfallen zu lassen und den Schülern Aufgaben mitzugeben, „statt 50 in die Aula zu setzen und ein Video zu zeigen“. Drei Stellen, eine für den Pflichtbereich und zwei als Reserve, bräuchte er mehr, rechnet Fröscher vor. Dass er sie bekommt, glaubt er nicht: „Der Mangel wird anhalten.“
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