Freizeit & Unterhaltung : Ingmar Volkmann (ivo)

22.04 Uhr: Von der Literatur zurück zu den Flüssigkeiten. Auftritt Markus Pfrommer, Chef und Gesicht des Basta. Pfrommer könnte selbst in einem zerbrochnen Krug fantastischen Wein servieren. Bringt aber erst einmal Bier im ganzen Glas für Leupold („Sehr süffig, fast schon weiblich, dieses Kellerpils“) und Bier in der Flasche für Petras („Mein lieber Scholli, ist das ein gutes Bier!“). Allmählich stimmen die alkoholischen Rahmenbedingungen für eine grundlegende Erkundung der schwäbischen Seele durch Armin Petras. „Seit ich in Stuttgart bin, bin ich zehnmal auf der Straße angesprochen worden. Meistens an der Ampel wartend. In Berlin ist mir das nie passiert.“

 

Neun von zehn Reaktionen seien positiv gewesen, nur einer habe sich über eine Inszenierung beschwert, dann aber hinzugefügt, da gehe er noch mal rein, das schaue er  sich noch mal an. „Das Publikum geht nicht sehr oft aus sich heraus, ist aber sehr wissbegierig und gründlich“, so Petras. Bei einer Podiumsdiskussion habe eine Frau im Publikum gesagt, „man könne die Waffenindustrie in Baden-Württemberg gerne beschneiden, nur an die Arbeitsplätze dürfe man nicht heran“ – und auch das ist in den Augen von Petras typisch für Stuttgart.

Der weitere erste Akt im Basta im Schnelldurchlauf: iPhone-Crash-Kurs für Leupold, der seit Kurzem ein Smartphone besitzt. Kurzer Überblick über die wichtigsten Apps („,Kicker‘ und eine gescheite Foto-App“), wechselseitiges Angeben mit Babybildern sowie eine philosophische Betrachtung der App-Anordnung durch Verena von Waldow, der weit gereisten Diplomatentochter: „Wenn du zwei übereinanderlegst, wird ein Ordner draus.“ Armin Petras: „Den Satz habe ich nicht einmal im Ansatz verstanden, wir sollten zahlen.“

Eichhörnchen als Lebensretter

Zweiter Akt der kleinen Nachtkomödie. Die Handlung geht nun im Jazzclub Bix weiter, in dessen ausgezeichneter Bar im ersten Stock des Siegle-Hauses. Hier gilt das Basta-Prinzip: Mit dem Bix kann man gut angeben, die schlimmen Seiten von Stuttgart (Bezirksbeirat Mitte, Königstraße) sind hier weit weg. Im Bix sind auf einmal Süd- und Mittelamerika dagegen sehr nah, weil Petras en passant erzählt, dass er in Mexiko kürzlich fast an einer Gasvergiftung gestorben sei. „Ich bin nur rechtzeitig wach geworden, weil mir ein Eichhörnchen auf den Bauch gesprungen ist.“ Räuberpistole oder genialer Regieeinfall? Wir lassen die Fabel unkommentiert im Raum stehen.

Zur Rausch-Reportage wollte er auf keinen Fall ohne Begleitung eines Schauspielers kommen. Zunächst hatte er mit Peter Kurth als Begleiter gedroht („Der schafft acht Whiskey, ich schaffe keine acht Bier mehr“), dann kündigte er Andreas Leupold an. „Wir müssen später unbedingt noch kurz in die Weinstube Becher, wenn das möglich ist, da sitzen einige Schauspieler von mir zusammen“, sagt er gleich zu Beginn des Treffens im Basta. Wir haben verstanden: Für Petras ist das Ensemble alles und der Intendant alleine nichts.

Im heimeligen Basta klingt manches versöhnlicher

Vor seiner Intendanz in Stuttgart hatte sich Petras geräuschvoll darüber geäußert, dass ihm diese Stadt so fremd sei wie keine andere in Deutschland. In der heimeligen Weinstube Basta klingt er nach seiner ersten Spielzeit in der Fremde versöhnlicher. „Als Theater-Mensch“, sagt der aus Berlin kommende Intendant, „denkt man oft sehr schnell, dass man an das nächste Haus wechseln muss. Entweder die Stadt ist zu provinziell, oder der Druck ist zu groß. Hier hatte ich diese Gedanken noch nicht.“

Während man sich an anderen Staatstheatern über eine Auslastung jenseits der magischen 80-Prozent-Marke freut, hat sich Petras in Stuttgart bisher in dem 90er-Bereich getummelt. Das darf man aber eigentlich nicht schreiben, denn: „Die Auslastung ist zwar phänomenal, das ist aber nicht mein Hauptkriterium. Theater soll die Welt reflektieren.“ Nimmt man die Auslastungszahl als Spiegel der Stuttgarter Welt überhaupt, müsste man schlussfolgern, Stuttgart sei die Hauptstadt der DDR. Auch in den Rezensionen zum Petras’schen Theater fanden sich so viele Ausrufezeichen als Zeichen der Affirmation, dass es fast schon wieder verdächtig wird.

Dass aber jeder Verdacht unbegründet ist, sieht man nach dem ersten Getränk im Basta. Auftritt Andreas Leupold. Herzliche Begrüßung zwischen Schauspieler und Intendant mit den Worten „Hallo, Schatz“. Hier gibt einer wenig auf Hierarchien, sondern freut sich viel mehr ehrlich über eine Lektüre-Leihgabe des Schauspielers zu einem geplanten Stück.

Zwischen Literatur und Flüssigkeiten

22.04 Uhr: Von der Literatur zurück zu den Flüssigkeiten. Auftritt Markus Pfrommer, Chef und Gesicht des Basta. Pfrommer könnte selbst in einem zerbrochnen Krug fantastischen Wein servieren. Bringt aber erst einmal Bier im ganzen Glas für Leupold („Sehr süffig, fast schon weiblich, dieses Kellerpils“) und Bier in der Flasche für Petras („Mein lieber Scholli, ist das ein gutes Bier!“). Allmählich stimmen die alkoholischen Rahmenbedingungen für eine grundlegende Erkundung der schwäbischen Seele durch Armin Petras. „Seit ich in Stuttgart bin, bin ich zehnmal auf der Straße angesprochen worden. Meistens an der Ampel wartend. In Berlin ist mir das nie passiert.“

Neun von zehn Reaktionen seien positiv gewesen, nur einer habe sich über eine Inszenierung beschwert, dann aber hinzugefügt, da gehe er noch mal rein, das schaue er  sich noch mal an. „Das Publikum geht nicht sehr oft aus sich heraus, ist aber sehr wissbegierig und gründlich“, so Petras. Bei einer Podiumsdiskussion habe eine Frau im Publikum gesagt, „man könne die Waffenindustrie in Baden-Württemberg gerne beschneiden, nur an die Arbeitsplätze dürfe man nicht heran“ – und auch das ist in den Augen von Petras typisch für Stuttgart.

Der weitere erste Akt im Basta im Schnelldurchlauf: iPhone-Crash-Kurs für Leupold, der seit Kurzem ein Smartphone besitzt. Kurzer Überblick über die wichtigsten Apps („,Kicker‘ und eine gescheite Foto-App“), wechselseitiges Angeben mit Babybildern sowie eine philosophische Betrachtung der App-Anordnung durch Verena von Waldow, der weit gereisten Diplomatentochter: „Wenn du zwei übereinanderlegst, wird ein Ordner draus.“ Armin Petras: „Den Satz habe ich nicht einmal im Ansatz verstanden, wir sollten zahlen.“

Eichhörnchen als Lebensretter

Zweiter Akt der kleinen Nachtkomödie. Die Handlung geht nun im Jazzclub Bix weiter, in dessen ausgezeichneter Bar im ersten Stock des Siegle-Hauses. Hier gilt das Basta-Prinzip: Mit dem Bix kann man gut angeben, die schlimmen Seiten von Stuttgart (Bezirksbeirat Mitte, Königstraße) sind hier weit weg. Im Bix sind auf einmal Süd- und Mittelamerika dagegen sehr nah, weil Petras en passant erzählt, dass er in Mexiko kürzlich fast an einer Gasvergiftung gestorben sei. „Ich bin nur rechtzeitig wach geworden, weil mir ein Eichhörnchen auf den Bauch gesprungen ist.“ Räuberpistole oder genialer Regieeinfall? Wir lassen die Fabel unkommentiert im Raum stehen.

Passend zur Eichhörnchen-Anekdote erlaubt sich Armin Petras im Bix ein Maß an Exzentrik, das im weiteren Verlauf der Nacht nicht mehr getoppt werden wird: Er bestellt einen Fernet-Branca, gestreckt mit Cola. In Deutschland wird der italienische Magenbitter gerne mit schlimmen Pinten und Kopfweh assoziiert. Connaisseure erinnern sich außerdem an den herrlichen Werbespot aus den achtziger Jahren. In diesem fliegt ein psychedelisch angetörnter Adler durch ein Gebirge, untermalt von einer Stimme, die die Sicherheit des eigenen Großvaters vermittelte: „Man sagt, er habe magische Kräfte“, brummte es aus dem Off. In Argentinien ist Fernet con Cola das inoffizielle Nationalgetränk. Vermutlich vor allem deshalb, weil es nachgerade magisch knallt.

Die inoffizielle Kantine des Schauspiels

Der Fernet-Werbeclaim lässt sich nach der ersten Spielzeit von Petras übrigens auch auf dessen Person anwenden: Man sagt, er habe magische Kräfte. Wo die Strahlkraft herkommt? Der Intendant ist quasi in der Dunkelkammer aufgewachsen. Damit sind nicht Kindheit und Jugend in Ostberlin gemeint, sondern der Umstand, dass die Mutter von Petras als Pressefotografin an der Akademie der Künste gearbeitet hat. „Vom Stargetue um Fotografen halte ich aber gar nichts. Ich mag es einfach, wenn man ein Handwerk beherrscht.“

Vom Handwerk zum Tag- beziehungsweise Nachtwerk. Dritter und letzter Akt: die Weinstube Becher im Justizviertel. Der Becher war schon vor Petras die inoffizielle Kantine des Stuttgarter Schauspiels. Während die Angestellten der Oper das La Piazza am Charlottenplatz bevorzugen, fühlen sich die Schauspieler in der rustikal inszenierten Weinstube wohler. Vor der Gaststätte steht Fritzi Haberlandt, in gleißend helles Licht getaucht. Eine dem Alkohol geschuldete Erscheinung? Nein, die Haberlandt strahlt scheinbar immer so. Das Schlottern der eigenen Knie dürfte jetzt bis nach Bad Cannstatt zu hören sein.

Irgendwann fällt der letzte Vorhang

Armin Petras hat dagegen ein Heimspiel. Er taucht ein in einen Kreis von Schauspielerinnen, aus dem Haberlandt herausragt. Genau wie die anderen A-Promis im Ensemble, etwa Edgar Selge oder Joachim Król, spielt Haberlandt deshalb in Stuttgart, weil Armin Petras ein Schauspieler-Versteher ist. Sie lieben ihn, Andreas Leupold beispielsweise arbeitet seit 1996 mit Petras zusammen. „Bei Armin sind alle Spieler gut, er sieht die Stärken und Schwächen eines jeden einzelnen. Du kannst ihn nicht bescheißen.“ Petras fordere wie kein Zweiter. Als Schauspieler fühle man sich geborgen, aber nicht im Sinne von verhätschelt, denn Petras könne auch schon um 10 Uhr morgens unbarmherzig herumschreien. Das mache demütig, sagt Leupold, dessen wasserstoffblaue Augen die Geschichte vieler Premieren und gefallener Vorhänge erzählen.

Von der Liebeserklärung zwei Plätze neben ihm kriegt Petras nichts mit, er ist gefordert durch die Fabelwesen Fritzi Haberlandt und Astrid Meyerfeldt, die mit ihrer Präsenz drei Weinstuben gleichzeitig bespielen könnten. So viele Erscheinungen an einem Tisch machen hungrig, Petras ordert Maultaschensuppe und Kamillentee. 0.27 Uhr: Schauspielerinnen zu verstehen kostet Kraft. Petras schiebt einen Wurstsalat hinterher. Die Gespräche verschwimmen zusehends hinter einer wunderschön gezapften Pilskrone. 1.15 Uhr: Armin Petras entschuldigt sich. „Das hat Spaß gemacht, ich muss jetzt aber wirklich.“

Der Rest der Bande zieht weiter an den Hans-im-Glück-Brunnen. Der im Stuttgarter Osten wohnende Leupold wird dabei schamlos belogen („Doch, doch, das liegt auf deinem Weg“). Die letzten Absacker. Eine ganze Spielzeit, verdichtet in drei Schnäpsen. Und dann fällt der Vorhang.