Ein ehemaliger Buchhalter der Stadtwerke Backnang gibt zu, 725 000 Euro veruntreut zu haben. Der Schwindel dauerte nahezu drei Jahre an, bevor er im Herbst 2018 aufflog.

Manteldesk: Thomas Schwarz (hsw)

Backnang - Der 48-jährige Angeklagte gibt ohne Umschweife sämtliche Vorwürfe zu, welche die Staatsanwaltschaft gegen ihn erhebt. Im Zeitraum zwischen Sommer 2015 und Herbst 2018 hat er in 240 Fällen Geld der Stadtwerke Backnang auf seine eigenen Konten überwiesen. Insgesamt kam so über die Jahre ein Betrag von 725 000 Euro zusammen, die er veruntreute. Nun steht er wegen Untreue in 240 Fällen vor der 18. Strafkammer des Stuttgarter Landgerichts. Seit Oktober 2018 sitzt er in Untersuchungshaft.

 

Schwindel mit „inaktiven“ Konten

Als Grund für die Taten gab der Mann am Freitag an, Schulden in Höhe von 25 000 Euro hätten ihm zu schaffen gemacht. Da er erst im Frühjahr 2015 bei den Stadtwerken zu arbeiten begonnen hatte, habe er befürchtet, bei einer Lohnpfändung die Kündigung zu erhalten. „Heute weiß ich, dass ich mit meinem Problem besser zur Geschäftsleitung gegangen wäre und nichts zu befürchten gehabt hätte.“

Stattdessen überwies er sich zuerst Guthaben von sogenannten inaktiven Konten. Dabei handelt es sich um Guthaben von Kunden der Stadtwerke, die nicht mehr erreichbar sind. Von diesen existieren keine aktuellen Kontaktdaten, weshalb kein Geld überwiesen werden kann. Allerdings werden die Guthaben über einen bestimmten Zeitraum aufbewahrt. Von solchen Konten überwies er sich selbst Geld und sei verwundert gewesen, dass dies ohne weiteres klappte. „Obwohl ich Geld an eine andere Person auf mein Konto überwies.“

Dabei handelte es sich um Beträge von 6,95 Euro bis hin zu mehreren hundert Euro. Bis zum Herbst 2015 hatte der Angeklagte seine Schulden getilgt. „Sie fragen sich sicher, warum ich danach nicht einfach aufgehört habe? Ich war wie im Rausch, ich konnte mir Dinge leisten, die mit meinem Gehalt nicht denkbar gewesen wären. Ich lebte in Saus und Braus.“

In Stuttgarter Clubs ließ er die Korken knallen. Eine Champagnerrechnung von 4400 Euro an einem Abend fand ein Finanzermittler der Polizei. Ein Geliebter aus Rumänien, den er im Internet kennengelernt hatte, nutzte den Angeklagten zudem aus. Rund 100 000 Euro flossen nach Rumänien, zwei Limousinen ebenso. Bei einer Reise der beiden auf die Malediven kostete allein der Flug 7000 Euro.

Im Wechselbad der Gefühle

Gleichzeitig habe ihm ständig die Angst im Nacken gesessen, entdeckt zu werden, sagte der Angeklagte. Spätestens bei der ersten Betriebsprüfung müsse er auffliegen, habe er sich gedacht. Diese erfolgte im Frühjahr 2016, doch nichts geschah. Der 48-Jährige machte weiter, bediente sich mit immer höheren Beträgen, manchmal mehrere 10 000 Euro an einem Tag.

Dabei machte er sich zunutze, dass es viele Konten mit einer „ewigen Mahnsperre“ gab. Dabei handelt es sich um Schuldner, bei denen es nichts zu pfänden gibt. Um zu verhindern, dass ein Programm ständig Mahnungen auswirft, wird beim Fälligkeitsdatum das Jahr 9999 eingetragen. Auf diesen Konten erhöhte der Buchhalter den Saldo um einen Betrag, den er sich anschließend zukommen ließ.

Der Schwindel flog erst im Herbst 2018 auf, als die Hausbank der Stadtwerke misstrauisch wurde. Bis dahin hatte der 48-Jährige drei Wirtschaftsprüfungen überstanden. Für den Prozess sind noch zwei weitere Verhandlungstage vorgesehen.