Das Boulevardblatt muss dem Schweizer Fernsehmoderator Jörg Kachelmann eine Entschädigung in Rekordhöhe zahlen. Das Kölner Landgericht spricht ihm 635 000 Euro zu. Der Springer-Verlag will Berufung gegen das Urteil einlegen

Stuttgart - Viele Jahre war Jörg Kachelmann der Lieblingsschweizer der Deutschen. Das hatte unter anderem damit zu tun, dass das Wetter bis dahin eine Wissenschaft für sich war; Kachelmann dagegen benutzte für seine Vorhersagen lustige Wortschöpfungen wie „Blumenkohlwolken“ und trug seine Ausführungen mit so viel Charme vor, dass selbst schlechtes Wetter irgendwie schön wurde. Seine unverwechselbare Art kam hierzulande so gut an, dass der gebürtige Lörracher Moderator mehrerer Talkshows wurde; 1998 durfte er sogar die letzten Ausgaben des Kulenkampff-Klassikers „Einer wird gewinnen“ präsentieren. Eine Geschichte, die er vor einigen Jahren selbst erzählt hat, verdeutlicht, dass ihm diese Karriere nicht in den Schoß gefallen ist: Den Südwestfunk hat er Ende der Achtzigerjahre angeblich monatelang mit Wettervorhersagen bombardiert, bis der Sender schließlich ein Einsehen hatte und ihn engagierte.

 

Diese Hartnäckigkeit hat nun auch der „Bild“-Verlag Axel Springer zu spüren bekommen. Schon seit geraumer Zeit arbeitet sich der Schweizer via Twitter an dem Boulevardblatt ab. Seine Wortwahl klingt dabei zwar so lustig wie seinerzeit seine Wetterberichte („Schmierlappoiden“, „Vollpfostenjournalismus“), aber die Sache, um die es geht, ist bitterernst. Hintergrund ist die Berichterstattung der Postille über den Mannheimer Landgerichtsprozess: Vor fünf Jahren hatte Kachelmanns damalige Freundin ihn wegen Vergewaltigung angezeigt. Am Ende wurde er zwar freigesprochen, aber es war ein Freispruch zweiter Klasse, aus Mangel an Beweisen. Für verschiedene Publikationen stand seine Schuld offenbar ohnehin außer Frage.

„Bild“ hatte als Prozessberichterstatterin die Alt-Feministin Alice Schwarzer engagiert, die in ihren Texten keinen Hehl aus ihrer Haltung machte. Kachelmann wiederum empfand die „Bild“-Berichte, die in gewohnter Manier auch vor intimsten Details nicht Halt machten, als Verleumdung; sein Anwalt Ralf Höcker spricht von der „schlimmsten Hetzkampagne der deutschen Presserechtsgeschichte“. Er verklagte „Bild“ und forderte 2,25 Millionen Euro Schmerzensgeld – eine enorme Summe, die alle bisherigen Zahlungen dieser Art weit in den Schatten gestellt hätte.

Es hat sich gelohnt

Ganz so viel ist am Ende nicht dabei rausgekommen, aber gelohnt hat es sich trotzdem: Das Kölner Landgericht hat den Springer-Konzern am Mittwoch zu einer Zahlung von 635 000 Euro verurteilt. Bisheriger Halter dieses zweifelhaften Rekordes war der Klambt-Verlag, der 2009 Madeleine von Schweden, einer Tochter von Königin Silvia, wegen erfundener Geschichten 400 000 Euro zahlen musste. Für Kachelmann hat das Geld dennoch womöglich nur symbolischen Charakter. Mindestens genauso groß wie der materielle Schaden dürfte die Beschädigung seines Leumunds sein, die die einseitigen Presseberichte in „Bild“ und in anderen Boulevardmedien zur Folge hatte. Mit dem Burda-Verlag, dessen Zeitschriften „Focus“ und „Bunte“ aus Kachelmanns Sicht ebenfalls einseitig berichtet haben, hat er sich bereits außergerichtlich geeinigt; über die gezahlte Summe bewahren beide Seiten Stillschweigen.

Das Geld wird Kachelmann gut brauchen können, denn laut Medienberichten hat er nicht nur Immobilien verkaufen müssen, sondern auch die Anteile an seiner Firma Meteomedia. Er ist zwar wieder im Geschäft und hat im letzten Jahr mit der Kachelmann GmbH ein neues Unternehmen gegründet, das die Internetseite kachelmannwetter.com betreibt, aber derzeit ist kaum vorstellbar, dass ein großer Sender ihn als Moderator engagieren würde. Ausgestanden ist die Sache ohnehin noch nicht: Springer hatte schon vor der Entscheidung mitgeteilt, im Falle einer Verurteilung Berufung einlegen zu wollen.