In Südamerika sollen zwei Krankenpfleger unabhängig voneinander mindestens 50 Patienten getötet haben. Angeblich haben sie aus Mitleid gehandelt.

Montevideo - Entsetzen in Uruguay: zwei Krankenpfleger haben gestanden, zahlreiche Patienten zu Tode gebracht zu haben – die Ermittlungsbehörden spekulieren, bis zu 200 Kranken könnten den beiden Pflegern zum Opfer gefallen sein. Die mutmaßlichen Täter kannten sich zwar flüchtig, handelten den Ermittlern zufolge aber ohne Wissen voneinander. Einer der Beschuldigten gestand, etwa 50 Patienten in den Tod geschickt zu haben, der andere sagte, er habe „den Überblick verloren“. Eine Krankenschwester wurde wegen Mitwisserschaft verhaftet.

 

Eine makabre SMS, die die Krankenschwester an einen der Pfleger schickte, löste die Festnahmen aus: „Patientin aus Bett fünf ist auf die Reise gegangen“, teilte die Frau ihrem Kollegen per Kurznachricht mit. Tatsächlich war die Insassin am Montag vor einer Woche überraschend gestorben – eine Diabetespatientin, die ganz und gar nicht todkrank war, sondern entlassen werden sollte.

Die meisten der getöteten Patienten waren zwar schwere Fälle, aber keineswegs Patienten im Endstadium ihrer Krankheiten. Den Behörden zufolge gaben die beiden zu, ihren Opfern entweder eine Überdosis Morphium oder aber Luft in die Blutbahn gespritzt zu haben. Morphium in zu hohen Dosen führt zu einer tödlichen Lähmung des Atemzentrums, eine Luftblase unterbindet die Blutzirkulation und führt zum Herzstillstand.

„Operation Engel“ nennen die Ermittler den Fall

Polizei und Justiz hatten bereits seit zwei Monate diskret ermittelt, nachdem ein anonymer Hinweis eingegangen war, dass Patienten offenbar gezielt zu Tode gebracht werden. Die Ermittler hatten ihren Nachforschungen den Namen „Operation Engel“ gegeben. Betroffen sind zwei renommierte Krankenhäuser der uruguayischen Hauptstadt Montevideo: Das traditionsreiche, bereits im 18. Jahrhundert gegründete Maciel-Hospital, ein öffentliches Krankenhaus, in dem Medizinstudenten der Universität ausgebildet werden, und das private Spanische Hospital, in dem der früheren Staatspräsident und Krebsspezialist Tabaré Vázquez gearbeitet hatte. Nach dem anonymen Hinweis begannen die Ermittler, sich die Krankenakten der Verstorbenen näher anzuschauen.

Ein zweiter Hinweis bekräftigte den Anfangsverdacht, die Polizei begann, die dubiosen Todesfälle in Beziehung zu setzen zu den Dienstplänen des Pflegepersonals. So kamen sie auf die 39 und 46 Jahre alten Krankenpfleger, die beide ihren Beruf seit Jahrzehnten ausüben. Einer der beiden arbeitete in beiden Krankenhäusern; die Spritze eines Fabrikates, das nur das Spanische Hospital kauft, die aber im Maciel gefunden wurde, erhärtete den Verdacht.

„Zu Beginn haben beide, getrennt voneinander, geleugnet oder verschiedene Ausflüchte benutzt“, sagte einer der Ermittler vor der Presse, „aber als wir sie mit den Indizien konfrontierten, gaben sie beide auf und gestanden.“ Einer der beiden sagte, er habe den Tod von etwa 50 Patienten verschuldet, der andere sprach von einer ähnlichen Zahl, sagte aber, er habe „den Überblick verloren“.

Motiv: Mitleid und Stress

Aus Ermittlungskreisen verlautete, es könnte um bis zu 200 Todesfälle in den vergangenen sieben Jahren gehen. Unter Ärzten und Pflegern wurde angeblich aber nie ein Verdacht geäußert, dass es sich dabei um gezielte Tötungen handeln könnte.

Der 39-Jährige, der in beiden Häusern arbeitete, wurde von seinen Kollegen als „ganz normaler Typ“ geschildert, der niemals irgendwie aufgefallen sei. Der 46-Jährige galt als sehr engagiert und wurde von seinen Vorgesetzten als besonders geeignet eingestuft. Er sei vom Land in die Stadt gekommen, um „sich persönlich fortzuentwickeln“, sagte seine Anwältin Inés Massiotti, die ihn seit 20 Jahren kennt. Er sei früher sexuell missbraucht worden.

Mehr als flüchtige dienstliche Beziehungen sollen die beiden nicht gehabt haben. Welche Motive sie gehabt haben, ist unklar. Der Polizei zufolge sagten sie, sie hätten den Patienten Leid ersparen wollen. „Mein Mandant hat in seinem Geständnis gesagt, nach 20 Jahren Arbeit in der Intensivstation habe er den Stress einfach nicht mehr ausgehalten“, sagte die Anwältin, die dennoch „Mitleid“ als Grund angab.