US-Präsident Zweifel an Trumps Amtstauglichkeit wachsen

Ein Auftritt des US-Präsidenten vor Anhängern in Phoenix lässt die Zweifel an Trumps Tauglichkeit für das Präsidentenamt wachsen. Die Frage, ob der Präsident seine Amtszeit im Weißen Haus ausschöpfen kann, wird immer lauter gestellt – auch von Parteifreunden.
Washington - Es ist wie bei Dr. Jekyll und Mr. Hyde. Am Montag hatte US-Präsident Donald Trump eine neue Strategie für den Krieg in Afghanistan vorgestellt und dabei nüchterne Schlussfolgerungen als Ergebnis sorgfältiger Abwägungen präsentiert. Nur 24 Stunden später erlebte Amerika einen ganz anderen Trump: Bei einer wahlkampfähnlichen Veranstaltung in Arizona zog der 71-Jährige hetzerisch und mit ganz offensichtlichen Lügen über politische Gegner und die Medien her.
Der Auftritt lässt die Zweifel an Trumps Tauglichkeit für das Präsidentenamt wachsen. Die Frage, ob der Präsident seine Amtszeit im Weißen Haus ausschöpfen kann, wird immer lauter gestellt. Vor Tausenden seiner Anhänger in Phoenix verteidigte Trump seine umstrittene Reaktion auf die rechtsextreme Gewalt in der Stadt Charlottesville vom 12. August. Er habe eine „perfekte“ Stellungnahme abgegeben, sagte Trump und las Passagen seiner Kommentare vor. Dabei ließ er aber den entscheidenden Satz weg, in dem er die Gewalt der Neonazis und die Kundgebung der Gegendemonstranten in Charlottesville auf eine Stufe gestellt hatte. Auf diese Weise stellte er sich als Opfer einer Medienkampagne dar.
Attacke gegen die Medien
Mit Blick auf die Debatte über den Abriss von Denkmälern zu Ehren von Verfechtern der Sklavenhaltung im amerikanischen Bürgerkrieg sagte der Präsident, die Medien wollten dem Land „unsere Geschichte und unser Erbe“ nehmen. Während sich Trump am Montag staatsmännisch gezeigt hatte, trat er am Dienstag als reiner Populist auf – die schwierige Entscheidung zum komplexen Problem des Afghanistankrieges kam in der Rede nur kurz vor. Unter dem Beifall des Publikums attackierte Trump stattdessen die Medien als verleumderisch und zeigte anklagend auf die Kameras im Saal, mit denen seine Rede live auf mehreren TV-Kanälen übertragen wurde.
Mit der Medienschelte begeistert Trump regelmäßig seine rechtsgerichtete Anhängerschaft. In Phoenix deutete Trump zudem die Begnadigung eines Polizisten an, der wegen rassistischem Verhalten verurteilt worden war. Gleichzeitig erneuerte der Präsident sein Versprechen, die Mauer an der Grenze zu Mexiko zu bauen. Er werde sogar eine Haushaltssperre und die damit verbundene Zahlungsunfähigkeit des Staates in Kauf nehmen, falls die oppositionellen Demokraten im Kongress das Vorhaben blockieren sollten.
Trump griff auch Kritiker seiner Politik innerhalb seiner eigenen republikanischen Partei scharf an. Zu den republikanischen Spitzenpolitikern, die Trumps Zorn auf sich gezogen haben, gehört der Fraktionschef der Mehrheitspartei im Senat Mitch McConnell. Laut einem Bericht der „New York Times“ hat McConnell angesichts der Unberechenbarkeit des Präsidenten hinter verschlossenen Türen die Frage gestellt, ob Trump in der Lage sein werde, die Partei in den Kongress-Wahlkampf des nächsten Jahres zu führen. James Clapper, bis Anfang des Jahres als US-Geheimdienstkoordinator einer der mächtigsten Männer in Washington, sagte nach Trumps Rede in Phoenix, er zweifle an dessen „Fähigkeit für dieses Amt“. Die Rede des Präsidenten sei „richtiggehend Furcht einflößend und verstörend“ gewesen, sagte Clapper.
Verfolgt Trump einen geheimen Plan?
Oppositionspolitiker im Kongress verlangen mit einem offiziellen Antrag eine Untersuchung von Trumps Geisteszustand. Die amerikanische Verfassung erlaubt die Entfernung eines Präsidenten aus dem Weißen Haus, wenn der Kongress die Amtsunfähigkeit des Staatsoberhauptes feststellt. Adam Schiff, Obmann der Demokraten im Geheimdienstausschuss des Repräsentantenhauses, spricht mit Blick auf Trumps mentalen Zustand von „einigen ernsten Problemen“. Einige Beobachter fragen sich unterdessen, ob Trump mit seiner Sprunghaftigkeit und seinen wilden Attacken möglicherweise eine Amtsenthebung provozieren will.
Er versuche, sich einen Reim auf die Motive Trumps zu machen, sagte Clapper. „Vielleicht sucht er nach einem Weg, aus dem Präsidentenamt herauszukommen.“ Sonderermittler Robert Mueller forscht seit Monaten nach Hinweisen auf eine illegale Zusammenarbeit zwischen Trumps Wahlkampfteam und russischen Regierungsstellen. Sollten die Nachforschungen konkrete Hinweise auf eine Zusammenarbeit mit Russland ergeben, könnte ein Amtsenthebungsverfahren gegen Trump näherrücken. Tony Schwartz, Co-Autor von Trumps Bestseller „The Art of the Deal“, sagte auf Twitter voraus, dass der Präsident schon bald zurücktreten könnte, um einer Anklage infolge von Muellers Ermittlungen zu entgehen.
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