Dieter Schorners süße Schöpfungen haben schon die Queen begeistert. Heute lehrt er am Culinary Institute of America. Seinen Schülern sagt er: „Geld verdienen macht keinen glücklich. Nur gute Beziehungen.“

New York - Dieter Schorner (78) ist ein Mann, der in sich selbst ruht. Mag in der Backstube die Hektik noch so groß sein, er kommandiert seine Schüler nicht herum: „Sei jetzt nett, du lebst nicht ewig,“ lautet eines seiner Mottos.

 

Schorner ist Konditor und einer der besten der Welt. Er kochte und backte für zahlreiche Prominente. Im Savoy Hotel in London, zum Beispiel, war Queen Elizabeth mehrmals sein Gast, sie liebte sein Käse-Soufflé und alle Desserts mit Zitronengeschmack. Ihre Schwester Prinzessin Margaret bewunderte seine Rosen, die er aus warmem, karamellisiertem Zucker bläst, ähnlich wie Glasbläser ihre Vasen. Er versucht, keinen Unterschied zu machen, ob berühmt oder nicht, jeder Gast soll sein besonderes Geschmackserlebnis bekommen.

Die Crème Brûlée nach Amerika gebracht

Schorner gilt in Expertenkreisen als „der Mann, der Crème Brûlée nach Amerika gebracht hat“. Er winkt ab, „Ich habe sie wieder zum Leben erweckt oder besser gesagt, ich habe sie modernisiert.“ In den achtziger Jahren arbeitete er als Konditor im renommierten New Yorker Restaurant „Le Cirque“ und entwickelte seine eigene Version. Er verwendete nur Eigelb, um die Creme leichter zu machen, er füllte die Masse in flache Auflaufformen, so dass er gleichmäßig garen konnte. Dann streute er etwas Zucker auf die Oberseite und brutzelte den Flan unter den Grill. Meisterkoch Paul Bocuse aß im Le Cirque und erklärte, dass dies der beste Nachtisch gewesen sei, den er seit langem gegessen hatte. „Danach wurde die Crème Brûlée auch wieder in Frankreich beliebt.“

Seine Karriere als Global Player in der Welt der kalorienreichen Köstlichkeiten begann in seiner bayerischen Heimat Sulzbach-Rosenberg direkt nach dem Zweiten Weltkrieg. Das Essen war knapp, und so suchte der junge Dieter nach einen Job, um seiner Familie zu helfen. Er liebte den guten Duft in der örtlichen Bäckerei und begann, vor der Schule beim Formen der Brezeln und Brötchen zu helfen. Sein Chef schätze die Arbeit des jungen Mannes und sagte zu seiner Mutter: „Der hat das Zeug, ein guter Bäcker zu werden.“ Dieters beide Brüder und seine Schwester gingen zur Universität und verfolgten wissenschaftlichen Karrieren – das war paradoxerweise auch ausschlaggebend für seine Wahl: „Ich hatte einen Minderwertigkeitskomplex und dachte, ich würde niemals so gut sein wie sie“ – besser ein Meisterkonditor als ein mittelmäßiger Student.

Sein Jugendtraum: Schokolade machen

Nach der Schule aber er wollte er nicht in einer Dorfbäckerei enden. „Nachdem ich von einem US-Soldaten ein Stück Schokolade gekostet hatte, war es mein Traum, Schokolade herzustellen.“ Die besten Chocolatiers waren in der Schweiz, deshalb besuchte er das Coba Institute für Pâtisserie und Confiserie in Basel. Nach der Hälfte der Schulzeit ging ihm das Geld aus, das ihm seine Großmutter gegeben hatte, und er verdiente mit Aushilfsjobs die Gebühren für den Rest seiner Schulzeit: „Ein guter Koch muss auch backen können, und ein guter Bäcker kochen“, sagt Schorner.

Eine wichtige Lektion aber lernte er nicht hinter dem Herd, sondern auf der Skipiste. „Als ich noch in der Schweiz arbeitete, hatte ich einen Unfall. Ich war eingebildet und dachte, ich schaffe die steile Kurve.“ Er brach sich einen Rückenwirbel und durfte nicht liegen, sieben Jahre lang musste er auf einem Stuhl schlafen. „Ich habe eine Lektion in Demut gelernt“, sagt er rückblickend. „Denke nie, dass du besser bist als die anderen. Es gibt immer jemanden, der dich übertrifft, wenn nicht heute, dann morgen.“ Von da an war sein Motto, „ich möchte von dir lernen“, was ihm auf Anhieb die Sympathien bei Kollegen und Studenten einbrachte. Im Jahr 1967 ging er in die Vereinigten Staaten, wo er zunächst in New Yorks berühmtesten französischen Restaurants arbeitete.

Jackie Onassis liebet seine Sachertorte

Jackie Onassis liebte seine Version der Sachertorte, die er deshalb „Jackie O-cake“ nannte. Später eröffnete er mit seiner Frau, deren Herz er mit einem Grand Marnier-Soufflé erobert hatte, ein europäisches Café in Washington und wurde der Mann für spezielle Desserts. Für den russischen Cellisten Mstislaw Rostropowitsch backte er ein lebensgroßes Cello als Geburtstagstorte und für jeden Gast – darunter Gregory Peck und Nancy Reagan – ein kleines Exemplar zum Mitnehmen. Für eine Party zu Ehren von Queen Elizabeth in der US-Kongressbibliothek kreierte er 48 Kuchen in der Form des Buches von Thomas F. Jefferson, die genauso aussahen wie das ledergebundene Original. Alles bestand aus natürlichen Zutaten ohne einen Tropfen Lebensmittelfarbe, Schorner experimentierte mit Espresso, Rum und geschmolzenem Kaffee. Die Initialen prangten auf den Bücherkuchen in 24-karätigem Gold.

Das Time-Magazine kürte ihn 1998 zum besten US-Konditor

Tagelang arbeitete er mit seinem Team an diesen Kunstwerken, um es dann binnen weniger Minuten verspeist zu sehen. Tut ihm das nicht manchmal leid? „Kein bisschen“, sagt er. Im Gegenteil, er lebt für diese Augenblicke, wenn seine Kunden den ersten Bissen zum Mund führen: „Ihre Gesichter leuchten, wenn die Aromen auf die Geschmacksknospen treffen. Sie sind glücklich. Wenn man Menschen nicht glücklich machen will, ist man in diesem Beruf falsch.“ Das zähle für ihn mehr als sein Eintrag in die „Hall of Fame“ der Backkunst oder dass Time Magazine ihn 1998 zum besten Konditor der USA kürte.

Seit 1999 unterrichtet er zukünftige Bäcker und Köche am renommierten Culinary Institute of America im Hyde Park im Staat New York, kurz CIA, und gibt ihnen neben Backtricks seine Weisheit weiter: „Geld verdienen macht keinen glücklich. Nur gute Beziehungen können das.“