Mitt Romney präsentiert den Mann, mit dem er nach den Präsidentenwahlen das Land führen will: Paul Ryan ist einer jener, die sich klar von Barack Obamas Politik abgrenzen.

Washington/USA - Irgendwie passt sie nicht recht zu Paul Ryan, diese martialische Kulisse im Hafen von Norfolk, dem größten Flottenstützpunkt an der amerikanischen Atlantikküste. Wie ein heimgekehrter Matrose schreitet er von einem Kriegsschiff, begleitet von melodramatischen Klängen aus dem Film „Air Force One“. Das Schiff heißt USS Wisconsin, so wie Ryans Heimatstaat. Mitt Romneys Wahlkampfregie dürfte an dem Ambiente lange gebastelt haben. Aber der neue Hoffnungsträger der Republikaner ist kein militärischer Typ, Sicherheitspolitik zählt nicht zu seinen Stärken. Sein Metier sind Zahlen, Haushaltsentwürfe, Sparvorschläge.

 

Mit Romney selbst ist so aufgeregt, dass er sich bei der Vorstellung Paul Ryans verspricht und seinen Weggefährten als den nächsten Präsidenten der Vereinigten Staaten ankündigt. Kurz darauf kehrt er zurück ans Rednerpult, um den Ausrutscher zu korrigieren. „Aber mit diesem Burschen hier“, sagt er fast trotzig, „habe ich keinen Fehler gemacht.“ Kein Zweifel, mit der Ernennung des 42-Jährigen hat sich Romney für die riskante Variante entschieden. Folgt man den Plaudereien aus dem Kampagnennähkästchen, dann standen zuletzt noch zwei ältere, politisch gemäßigtere Kandidaten auf seinem Zettel. Tim Pawlenty, der sachliche Ex-Gouverneur Minnesotas, und Rob Portman, ein Senator aus Ohio, dem es allerdings ebenso wie Pawlenty an dynamischer Ausstrahlung mangelt. Jungenhaft und burschikos, soll der Fitnessfan Ryan also Romneys Manko ausgleichen, eine zumindest bei öffentlichen Auftritten fast roboterhafte Steifheit.

Einer von den „Young Guns“

Mit ihm macht einer jener streitbaren Konservativen das Rennen, die mit dem Höhenflug der Tea Party ins Rampenlicht rückten. Einer von den „Young Guns“, wie der Volksmund sie anschaulich nennt. Der Regierung Barack Obamas begegnen sie mit einer Art Fundamentalopposition, aber auch von George W. Bush möchten sie sich im Nachhinein abgrenzen, speziell von der unbekümmerten Art, mit der Bush Schulden anhäufte. Ryan führt den Haushaltsausschuss des Repräsentantenhauses und gilt als profunder Kenner seines Fachs. Seine Achillesferse dürfte vielmehr eine Art sein, die manche als schonungslos offen charakterisieren, andere als unnötig provozierend. Jedenfalls ist er so etwas wie der Wunschgegner der Demokraten. Die fiskalische Rosskur, für die sein Name steht – das Weiße Haus charakterisiert sie als unverhüllten Sozialdarwinismus.

Jim Messina, Obamas Wahlkampfmanager, wurde denn auch sehr deutlich, als er die Personalie Ryan kommentierte. Romney habe einen Mann gewählt, der an die Theorie glaube, „dass Steuerkürzungen für die Reichen, verbunden mit größeren Lasten für die Mittelklasse und die Senioren, irgendwie die Wirtschaft stärken“. Das Markenzeichen des Radikalsparers sind drastische Abstriche bei Medicare, der steuerfinanzierten Gesundheitsfürsorge für Alte, während er die Verteidigungsausgaben unangetastet lässt und die Kapitalertragsteuer sogar komplett abschaffen möchte. „Nur wer die Verantwortung für sich selbst übernimmt, kann wirklich frei sein“, entgegnet ungerührt der Mann aus Wisconsin. „Nur ein freier Mensch kann eine verantwortungsvolle Wahl treffen – zwischen richtig und falsch, zwischen Sparen und Ausgeben, Nehmen und Geben.“