Einst drohte Donald Trump Nordkorea mit der Vernichtung und machte sich über Kim Jong-un lustig. Nun will er sich als Friedensbringer und Nobelpreiskandidat qualifizieren.

Washington - Amerikas Chefdiplomat befand sich auf heikler Mission, als ihn der Präsident öffentlich zurückpfiff. „Ich habe Rex Tillerson, unserem wunderbaren Außenminister, gesagt, dass er seine Zeit verschwendet, mit dem kleinen Raketenmann zu verhandeln“, twitterte Donald Trump. Von Gesprächen mit Kim Jong-un, dem nordkoreanischen Machthaber, hielt der amerikanische Präsident gar nichts. Im Gegenteil: Er drohte dem „mörderischen Regime“ in Pjöngjang mit einer Apokalypse aus „Feuer und Zorn“, falls dieses es wagen würde, eine Rakete auf amerikanisches Territorium abzufeuern. Das war im vergangenen Herbst.

 

Inzwischen hat der „wunderbare Außenminister“ Tillerson frustriert das Handtuch geworfen. Sein Nachfolger Mike Pompeo aber kehrte nun mit drei freigelassenen US-Gefangenen aus Nordkorea zurück. Um drei Uhr morgens bereitete Trump der Gruppe auf dem Luftwaffenstützpunkt Andrews einen triumphalen Empfang. Im Flutlicht vor einer an Feuerwehrleitern aufgehängten riesigen US-Fahne schwärmte der Präsident: „Wir wollen Kim Jong-un danken, der sich wirklich vorzüglich verhalten hat.“

Vom „kleinen und fetten“ Terrorunterstützer zum Muster-Staatsmann – die Wandlung des Kim-Bildes in der präsidialen Rhetorik ist atemberaubend. Am 12. Juni wollen sich die beiden früheren Erzfeinde nun in Singapur treffen. „Wir werden beide versuchen, die Begegnung zu einem besonderen Moment für den Weltfrieden zu machen“, kündigte Trump an.

Eine mediale Show könnte Trumps Skandale vertuschen

Ganz offensichtlich hat er in der Nordkoreapolitik den Schalter umgelegt. Nach einer Phase wildester Drohungen wertet Trump die Bereitschaft Kims zum Gespräch als großen Erfolg. Und dass der Machthaber in Pjöngjang vor dem geplanten Gipfeltreffen auch noch drei amerikanische Staatsbürger freiließ, die wegen angeblicher Spionage seit mehr als einem Jahr in nordkoreanischer Haft saßen, sei „eine wunderbare Sache“, schwärmte der US-Präsident. Der einstige Reality-TV-Star im Weißen Haus wittert die Chance, mit einer gigantischen medialen Inszenierung seine zahlreichen innenpolitischen Skandale zu übertünchen.

„Amerika wird wieder respektiert“, rief Trump am Donnerstagabend einer jubelnden Menge in der Kleinstadt Elkhart im Norden des Bundesstaates Indiana zu. Der Präsident hatte sich einen Ausflug in den Wahlkampf gegönnt und genoss den Zuspruch der 7300 Anhänger in einer großen Schulaula sichtlich. Zufrieden präsentierte er seine angebliche außenpolitische Erfolgsbilanz: der bevorstehende Gipfel mit Nordkorea, die Aufkündigung des Iran-Abkommens und die Verlegung der US-Botschaft in Israel nach Jerusalem. Die Trump-Fans klatschten. Dass der einseitige Rücktritt vom Atomdeal bei der nordkoreanischen Führung starke Zweifel nähren dürfte, wie verlässlich die USA bei einem ähnlichen Abkommen über die eigenen Atomwaffen ist, kommt ihnen nicht in den Sinn. Die Anhänger glauben umgekehrt wie der Präsident, das Beispiel Nordkoreas zeige, dass maximaler Druck in der Außenpolitik den größten Effekt bringe.

Friedensnobelpreis für Verhandllungen mit „Chariman Un“

„Ich glaube, das Treffen wird ein großer Erfolg“, verkündet Trump bereits einen Monat vor dem Gipfel in Singapur. US-Experten schränken ein, die Aussage gelte auf jeden Fall für Kim Jong-un, der einen Händedruck mit dem Präsidenten wie eine offizielle Anerkennung als Atommacht werten dürfte. Für Trump ist das Risiko, am Ende ohne belastbares Ergebnis heimzukehren, ungleich größer. Ob Kim Jong-un tatsächlich bereit ist, auf seine Nuklearwaffen zu verzichten, ist nämlich unklar. Anders als der Iran besitzt Nordkorea bereits die Atombombe. Sie ist die Lebensversicherung des Regimes.

Zudem sind Zweifel an der soliden Vorbereitung des Treffens auf US-Seite angebracht. Nicht nur agiert der Präsident persönlich äußerst spontan und liest keine umfangreichen Positionspapiere. Auch sind viele Posten von Fachbeamten in der amerikanischen Regierung immer noch unbesetzt. Auf dem Flug nach Nordkorea sprach Außenminister Pompeo kurz mit den mitreisenden Journalisten. Dabei verwechselte er den Vor- mit dem Nachnamen des nordkoreanischen Herrschers und kündigte er an, er wolle die Begegnung von Trump mit „Chairman Un“ vorbereiten.

Vor derartigen diplomatischen Ausrutschern ist Trump, der Kim Jong-un schon einmal irrtümlich mit seinem Vater und Großvater zu einer Person vermengte, kaum gefeit. Doch Selbstzweifel gehören nicht zu den hervorstechendsten Eigenschaften des Präsidenten. Stattdessen träumt er schon von einem Platz in den Geschichtsbüchern. Eine Gruppe von 18 republikanischen Abgeordneten hat den selbst ernannten „großen Dealmaker“ nämlich ernsthaft für den Friedensnobelpreis 2019 vorgeschlagen. „Sehen Sie, was gerade in Nordkorea passiert“, sagte auch Trumps Vertrauter Rudolph Giuliani: „Ich habe dem Präsidenten gesagt, dass er den Nobelpreis verdient.“ Für solche Schmeicheleien ist Trump höchst empfänglich. Als ihn ein Reporter nach einer möglichen Auszeichnung fragte, antwortete er: „Jeder denkt das. Aber ich würde das nie sagen.“