Die Zahl der Kirchenmitglieder sinkt, Pfarrerinnen und Pfarrer werden weniger und die Finanzkraft der evangelischen Landeskirche nimmt ab. Als Konsequenz daraus werden auf Gemeindeebene Pfarrstellen gestrichen – laut Pfarrplan 2030 sollen knapp 30 Prozent wegfallen – und auch Kirchenbezirke zusammengelegt.
Kurzfristige Sondersitzung
Obwohl noch überhaupt nicht feststeht, wohin die Reise für die drei Kirchenbezirke Herrenberg, Böblingen und Leonberg im Landkreis Böblingen geht, bekommt der Kirchenbezirk Herrenberg die erste Auswirkungen zu spüren: Die Stelle von Dekan Eberhard Feucht, der zum Jahresende in den Ruhestand geht, „soll nicht mehr ausgeschrieben werden“. Das berichtete Eberhard Wörner, der Vorsitzende der Bezirkssynode, am Donnerstagabend in einer kurzfristig einberufenen Sondersitzung des Gremiums, in der er es teilweise turbulent zuging.
Die „angedachten Veränderungen“ seien in einem Gespräch am 19. Juli mit Vertretern des Oberkirchenrats „vorgetragen“ worden. Begründet worden sei dieser Schritt damit, dass der Bezirk die „magische Grenze“ von rund 30000 Kirchenmitgliedern erreicht habe, die eine Fusion nötig mache. Diese soll aus sich der Kirchenleitung mit dem Bezirk Böblingen erfolgen. Statt eines neuen, gewählten Dekans für zehn Jahre soll nun ein „Administrator, Verwalter, Pfarrverweser – wie auch immer man die Person nennen mag“ – vonseiten des Oberkirchenrats eingesetzt werden, so Wörner weiter. Diese Stelle wäre dann auf sechs Jahre befristet.
Erstaunen und Entsetzen
Wörner drückte sein großes Erstaunen über die Vorgehensweise aus, zumal die notwendigen Vorarbeiten, damit die Stelle des neuen Dekan ausgeschrieben werden kann, vollständig abgeschlossen gewesen seien. Zugleich machte er deutlich, dass der Kirchenbezirk Veränderungen nicht grundsätzlich ablehnt, wie zum Beispiel der angestoßene Prozess „Kirche weiter gestalten“ zeige. Ein Fusionsprozess, bei dem für ihn die Wahl des für alle sinnvollen Modells am Anfang stehen sollte, brauche jedoch Zeit und sollte „auf Augenhöhe geführt“ werden. Mit dem vorgestellten Administrator, der nicht dieselbe Funktion und Zuständigkeit habe wie ein Dekan, stellte er dies infrage: „Eine Brechstangenmethodik lehne ich ab.“
Prälat Markus Schoch aus Reutlingen, in dessen Zuständigkeitsbereich die drei Kirchenbezirke im Landkreis Böblingen liegen, versuchte in der öffentlichen Sitzung, die Wogen zu glätten. Dass der Wiederbesetzungsprozess „kurz vor knapp“ angehalten wurde, „ist nicht so gut gelaufen“, räumte er ein. Rückblickend hätte dies aus seiner Sicht bereits vor einem halben oder gar einem Jahr erfolgen müssen.
Ist eine Wahl „selig machend“?
Hinsichtlich der nun ins Auge gefassten befristeten Stelle betonte er, dass das kein vom Oberkirchenrat geschickter Verwalter sein soll. Vielmehr soll diese, so kündigte er an, auf die Bedürfnisse – auch in puncto Fähigkeiten und Vollmachten – des Kirchenbezirks zugeschnitten werden. Wenn eine Wahl dieser Person für den Kirchenbezirk „selig machend“ sei, dann werde geschaut, ob das rechtlich gehen würde, kündigte Schoch in der anschließenden, intensiven Diskussion an. Etliche machten dabei teilweise deutlich ihrem großen Unmut Luft.
Kürzer als zehn Jahre könne eine Dekanatsstelle aus kirchenrechtlichen Gründen nicht besetzt werden, stellte Schoch dabei klar. Aus Sicht der Kirchenleitung eine zu lange Zeit angesichts des Fusionsprozesses. Dabei soll auch Leonberg in den Blick genommen werde, weil die Landkreisgrenzen eine gute Bezugsgröße wären, so Schoch weiter: „Finanzielle Gründe hat es nicht.“
Nach über zwei Stunden kristallisierte sich als gemeinsamer Tenor der Bezirkssynode heraus, dass sich diese einen „ordentlichen Zeitrahmen“ und eine Person auf Augenhöhe als Vertretung in Fusionsprozess wünschen. Die Sechs-Jahres-Lösung erzeugt aus Sicht von Eberhard Wörner Druck: „Man kann Leute auch kaputt machen“, sagte er mit Blick auf die vielfältigen Aufgaben wie den Pfarrplan 2030, die Hauptamtliche und Ehrenamtliche bereits stemmen würden. Zusätzlich würden in diesen Zeitraum auch Wahlen fallen. Durch die damit verbundene Pause und die Findungsphase der Gremien schwinde die Vier-Jahres-Differenz noch weiter, ist er überzeugt.
Der Amtsinhaber hält sich zurück
Auf Vorschlag von Dekan Eberhard Feucht soll im Herbst nun eine kleine Runde, deren Zusammensetzung noch nicht feststeht, einen Weg finden, damit Oberkirchenrat und Bezirkssynode wieder konsensfähig werden. Inhaltlich hatte sich der Amtsinhaber Zurückhaltung „bei Dingen, die nach mir kommen“, auferlegt, sich aber grundsätzliche Gedanken über gute Prozesssteuerung gemacht: „Planen ohne Realitätsbezug wird kaum gelingen“, machte er dabei deutlich – und hatte dabei sowohl finanzielle als auch personelle Ressourcen bei Haupt- und Ehrenamtlern im Blick.
Schneller wird sich ein kleines Team der Bezirkssynode zusammensetzen. Dieses hat die Aufgabe, an einer Resolution zu feilen, die auch den Dank an die Mitglieder der Böblinger Bezirkssynode enthalten soll. Diese hatten nach ihrer Sitzung bereits ein Papier verfasst, in dem sie sich für den Erhalt der Dekanatsstelle in Herrenberg einsetzen – unter anderem damit alle Partner auf Augenhöhe verhandeln.