Abschaffen wollen die Grünen den Verfassungsschutz nicht mehr, aber sie verlangen eine stärkere parlamentarische Kontrolle der Schlapphüte.

Stuttgart - Die Überschrift klingt dramatisch: „Verfassungsschutz auf dem Prüfstand“ – so haben die Grünen ihre Überlegungen betitelt, wie es mit dem baden-württembergischen Verfassungsschutz weitergehen soll. Das klingt nach Sein oder Nichtsein. Und hatten die Grünen nicht einst verlangt, die Schlapphüte ganz aus dem Verkehr zu ziehen? Hans-Ulrich Sckerl, der Fraktionsmanager der Landtags-Grünen, winkt ab. „Über diese Zeit sind wir hinweg.“ Gleichwohl sieht er Bedarf für eine stärkere parlamentarische Kontrolle des Landesamts für Verfassungsschutz. Damit stehen Sckerl und seine Fraktion im Parlament keineswegs allein.

 

Das Versagen und – vielleicht noch schlimmer – das Vertuschen, das die deutschen Verfassungsschützer im Zusammenhang mit den Morden der rechtsextremistischen Terrorbande NSU an den Tag legten, muss nach Ansicht der Grünen Konsequenzen haben. Die Grünen-Fraktionschefin Edith Sitzmann spricht von einer „tiefen Vertrauenskrise der Bevölkerung zum demokratischen Rechtsstaat“.

Keinen weiteren Pannen

In Baden-Württemberg soll ein Verfassungsschützer im Jahr 2002 eine Abhöraktion verraten haben, die dem Anführer des rassistischen Ku-Klux-Klans in Schwäbisch Hall galt. Der Verfassungsschützer wurde weder strafrechtlich noch disziplinarrechtlich wegen Geheimnisverrats belangt, sondern still in eine andere Behörde abgeschoben. Angeblich, um eine andere Quelle der Verfassungsschützer vor dem Auffliegen zu bewahren. Innenminister Reinhold Gall (SPD) hat den Fall inzwischen aufarbeiten lassen und nachträglich ein Disziplinarverfahren eingeleitet – strafrechtlich ist nach zehn Jahren nichts mehr zu holen. Der Grünen-Fraktionsmanager Sckerl geht von einem Einzelfall aus, Akten hätten die hiesigen Verfassungsschützer nicht vernichtet, sagt er. „Schwere Pannen hat es nicht gegeben.“

Gleichwohl verlangt er nach einem Wandel des Verfassungsschutzes vom „Geheimdienst alter Prägung“ hin zu einer „Dienstleistungsbehörde für Politik und Gesellschaft“. Dazu gehöre, dass das zum Geschäftsbereich des Innenministeriums zählende Landesamt für Verfassungsschutz stärker als in der Vergangenheit vom Parlament kontrolliert werden müsse. Bisher verhält es sich so, dass der Ständige Ausschuss des Landtags zwei Mal im Jahr über Angelegenheiten des Verfassungsschutzes unterrichtet wird. Statt dessen soll nun ein parlamentarisches Kontrollgremium eingerichtet werden, dessen Kompetenzen die Grünen gemeinsam mit den anderen Fraktionen ausloten wollen.

Abgeordnete genehmigen V-Leute-Einsatz

In Bremen gehen die Befugnisse der Bürgerschaft besonders weit. Dort können die Mitglieder des Kontrollgremiums sogar über den konkreten Einsatz von V-Leuten mitbestimmen: ohne Plazet der Abgeordneten dürfen keine Quellen angezapft werden. Der Einsatz von V-Leuten müsse auch ganz generell überprüft werden, verlangt der Grünen-Mann Sckerl. Der Abgeordnete will wissen: „Sind die V-Leute effektiv oder wird da mit staatlichem Geld der Aufbau von extremistischen Strukturen finanziert?“ Sckerl will das Landesamt für Verfassungsschutz außerdem einer „umfassenden Aufgabenkritik“ unterziehen. Die Verfassungsschützer sollen sich auf ihr Kerngeschäft konzentrieren, nämlich auf jene Bereiche, bei denen „konkrete tatsächliche Anhaltspunkte für eine Gefährdung staatlicher Strukturen oder der Sicherheit der Bevölkerung bestehen“.

In einem Punkt aber verlangt Sckerl weitere Aufklärung von den Verfassungsschützern: Nach den Erkenntnissen der Bundesanwaltschaft pflegte der mutmaßliche NSU-Unterstützer Ralf Wohlleben Ende der 1990er-Jahre intensive Kontakte zur rechten Szene im Südwesten. Sckerl will wissen, über welche Informationen dazu der hiesige Verfassungsschutz verfügt.