Der Fall Maaßen galt als Symbol für den schlechten Zustand der großen Koalition. Erst nach langem Hin und Her fanden Union und SPD einen Kompromiss zum Umgang mit dem Geheimdienstchef - und nun kommt doch alles anders. Grund ist eine geplante Abschiedsrede.

Berlin - Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen wechselt nach scharfer Kritik an der SPD doch nicht wie geplant als Sonderbeauftragter ins Bundesinnenministerium. Ob der 55-Jährige entlassen oder in den einstweiligen Ruhestand versetzt wird, war am Sonntagabend zunächst offen. Als wahrscheinlich gilt nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur aber eine Versetzung in den einstweiligen Ruhestand.

 

Hintergrund sei Maaßens geplante Abschiedsrede, in der er von teilweise linksradikalen Kräften bei den Sozialdemokraten gesprochen habe, hieß es am Sonntagabend in Berlin. Das Vertrauensverhältnis zu Maaßen sei gestört. Das Manuskript der Rede sei im Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) verteilt worden.

Streit um Maaßen löste Koalitonskrise aus

Bundesinnenminister Horst Seehofer wollte sich am Abend zunächst nicht dazu äußern. „Im Moment kann ich zu der Sache nichts sagen“, sagte der CSU-Chef in München. Ein Sprecher Seehofers sagte, die Äußerungen von Maaßen seien dem Ministerium bekannt und würden derzeit geprüft. „Nach Abschluss der Prüfung wird Herr Minister Seehofer die notwendigen Konsequenzen ziehen.“

Maaßen, der seine Äußerungen zu rechtsextremen Ausschreitungen in Chemnitz auch vor dem Parlamentarischen Gremium zur Kontrolle der Geheimdienste und im Innenausschuss des Bundestages verteidigt hatte, sollte eigentlich Sonderberater von Seehofer für europäische und internationale Aufgaben werden - bei gleichem Gehalt wie bisher als BfV-Chef, im Rang eines Abteilungsleiters.

Der Streit um Maaßen hatte im September eine Koalitionskrise ausgelöst, die fast zum Bruch der Regierung geführt hätte. Im Zentrum stand die Äußerung Maaßens, ihm lägen „keine belastbaren Informationen“ vor, dass in Chemnitz Hetzjagden auf Ausländer stattgefunden hätten. Vielmehr sprächen „gute Gründe“ dafür, dass es sich bei einem entsprechenden Video „um eine gezielte Falschinformation handelt, um möglicherweise die Öffentlichkeit von dem Mord in Chemnitz abzulenken“. In Chemnitz war am 26. August ein 35-jähriger Deutscher erstochen worden. Tatverdächtig sind Asylbewerber.

Nahles räumt Irrweg ein

Die SPD hatte den Abschied Maaßens als Verfassungsschutzchef verlangt. Die Koalitionsspitzen hatten sich zunächst darauf verständigt, den 55-Jährigen an der Spitze des Geheimdienstes abzulösen und ihn zum Innenstaatssekretär zu ernennen. Dies aber hätte eine Beförderung bedeutet - mit einem Gehalt von über 14 000 Euro im Monat. SPD-Chefin Andrea Nahles hatte das zunächst abgenickt, war aber anschließend unter massiven Druck geraten, zumal die Pläne vorgesehen hatten, dass für Maaßen der bisherige Staatssekretär Gunther Adler weichen muss, ein SPD-Mitglied.

Nach breiter Empörung hatte Nahles einen Irrweg eingeräumt und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Seehofer in einem Brief um eine andere Regelung gebeten. Die Spitzen der Koalition hatten dann beschlossen, dass Maaßen stattdessen im Innenministerium im Rang eines Abteilungsleiters für europäische und internationale Aufgaben zuständig sein sollte.

„So geht man nicht mit Beamten um“

Die Grünen im Bundestag verlangten am Sonntagabend eine Sondersitzung des Parlamentarischen Gremiums zur Kontrolle der Geheimdienste zu den neuen Vorwürfen gegen Maaßen. Grünen-Innenexperte Konstantin von Notz sagte der dpa, man könne nur wünschen, dass Seehofer endlich handele, die Nachfolge von Maaßen ordentlich regele und das planlose Agieren ende, das alle Beteiligten beschädigt zurück lasse. Maaßen und Seehofer seien sich offenbar nicht im Klaren darüber, wie tief der Vertrauensschaden mittlerweile sei.

Der CDU-Bundestagsabgeordnete Patrick Sensburg kritisierte den Umgang mit Maaßen. „Das war keine klare Amtsführung. (...) So geht man auch nicht mit Beamten um“, sagte er mit Blick auf Seehofer dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (Montag). Sensburg gehört wie von Notz dem Parlamentarischen Kontrollgremium des Bundestags an. Er kenne die Maaßen zugeschriebenen Äußerungen, sagte er. Maaßen setze nichts daran, Sonderbeauftragter zu werden. „Das hat er in seinen Äußerungen kundgetan.“ Er verstehe dies. „Das ist ja auch eher ein Abschieben.“

„An Absurdität nicht zu überbieten“

Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) sagte im ZDF: „Das ist an Absurdität nicht zu überbieten, was wir da mit Herrn Maaßen und den Reaktionen darauf erlebt haben, dass man, wenn man Fehler macht, noch befördert wird.“ Dieser Stil müsse ein Ende haben.

Merkel hatte nach dem Koalitionsstreit ungewöhnlich offen Fehler im Fall Maaßen eingeräumt und sich bei den Bürgern entschuldigt. Sie habe sich bei der ursprünglich geplanten Beförderung Maaßens zum Staatssekretär „zu sehr mit der Funktionalität und den Abläufen im Bundesinnenministerium beschäftigt, aber zu wenig an das gedacht, was die Menschen zu Recht bewegt“, sagte sie Ende September und fügte hinzu: „Dass das geschehen konnte, das bedauere ich sehr.“