Vergeltung für Flugzeugabschuss Als die Niederlande russische Rebellen angreifen wollten

Die brennenden Trümer der Boeing 777 Foto: dpa/Alyona Zykina

Offenbar plante das Land eine militärische Vergeltung für den Abschuss von Flug MH17 im Jahr 2014. Warum es dann doch nicht dazu kam.

Korrespondenten: Helmut Hetzel (htz)

Es ist der 17. Juli 2014, 13 Uhr. Flug MH17 der Malaysia Airlines von Amsterdam kommend befindet sich im Luftraum über der Ukraine. Ziel: Kuala Lumpur, Malaysia. Flughöhe: Knapp 10 000 Meter. Die Flugleitung in Kiew gibt den Piloten Anweisung, direkt in den russischen Luftraum zu fliegen, wo die russischen Kollegen dann übernehmen werden. Um 13.19 bestätigten die Piloten des Flugs MH17 das.

 

Dann wird es plötzlich mucksmäuschenstill. Als die ukrainische Flugleitung wieder Kontakt zur Boeing 777 der Malaysia Airlines sucht, bekommt sie keine Verbindung mehr. Flug MH17 mit 298 Menschen an Bord ist vom Radar verschwunden. Die Maschine ist über der Ostukraine abgestürzt. Fest steht nun: Die Boeing wurde von einer russischen Buk-Abwehrrakete von prorussischen Rebellen abgeschossen. Das ergaben die Ermittlungen des Joint Investigation Teams (JIT) fünf Jahre später. 196 der insgesamt 298 Passagiere an Bord von Flug MH17 waren Niederländer. Aber auch Bürger aus Belgien, Malaysia, Deutschland, Großbritannien, den Philippinen, Australien und Kanada waren an Bord des Flugs MH17.

„Unsere 1500 Soldaten standen Gewehr bei Fuß“

Vier Männer wurden angeklagt. Ihre Namen: Igor Girkin, Sergey Dubrinskiy, Oleg Pulatov, alle russische Staatsbürger, und Leonid Chartjenko, ein ukrainischer Rebell, der 2014 für die Unabhängigkeit der Ostukraine kämpfte. Drei von ihnen wurden im November 2022 von einem Gericht in Amsterdam in Abwesenheit zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt. Der sogenannte Gebietskommandant der Ostukraine Oleg Pulatow, der sich als einziger der Beschuldigten vor dem Gericht durch Anwälte vertreten ließ, wurde freigesprochen.

„Wir planten damals als Antwort auf den Abschuss von Flug MH17 einen militärischen Gegenschlag gegen die prorussischen Rebellen in der Ostukraine. 1500 Soldaten wurden in Bereitschaft versetzt“, sagt der ehemalige niederländische General Mart de Kruif in einem Interview mit dem niederländischen Nachrichtenmagazin „EW – Elsevier Magazine“. De Kruif (64) war damals Kommandeur des niederländischen Heeres. Er hatte einen militärischen Angriff auf die prorussischen Rebellen mit dem Oberbefehlshaber der niederländischen Armee Tom Middendorp bereits besprochen und geplant. „Das wird ein großer Einsatz für uns“, so de Kruif. Mit den USA, mit Großbritannien und mit Australien sei der Angriff bereits abgesprochen gewesen. Die USA hätten sich bereit erklärt, den Lufttransport für die niederländischen Militärs zu organisieren. „Unsere 1500 Soldaten standen Gewehr bei Fuß“, erzählt der Ex-General.

Frans Timmermans sei entschieden gegen den Einsatz gewesen

Aber in der niederländischen Regierung habe es damals keine Einigkeit über den militärischen Einsatz in der Ostukraine gegeben. Der damals wie heute noch amtierende niederländische Regierungschef Mark Rutte habe gezweifelt, obwohl er zunächst für einen militärischen Gegenschlag war. Der damalige niederländische Außenminister und heutige EU-Kommissar Frans Timmermans, sei entschieden gegen den Einsatz gewesen. Er habe argumentiert, dass Moskau das als einen Angriff der Nato sehen könnte, da die Niederlande Mitglied der westlichen Verteidigungsallianz sind. Der geplante militärische Vergeltungsschlag der Niederlande wurde somit abgeblasen.

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