Am 1. April kommt im VVS die größte Tarifreform aller Zeiten. Profitiert davon auch der Kreis Böblingen?
Kreis Böblingen - Aus einem Netz werden künftig Kreise. Das ist die größte Tarifreform des Verkehrs- und Tarifverbunds Stuttgart (VVS) in seiner Geschichte. Konkret heißt das, dass es vom 1. April an statt verwirrender 52 Zonen nur noch fünf geben wird. Mit 42 Millionen Euro weniger Einnahmen rechnet der VVS durch die vergünstigten Ticketpreise – ausgleichen müssen dies das Land, Stuttgart und die umliegenden Landkreise. Auch die Steuerzahler im Kreis Böblingen sind daran beteiligt. 2,7 Millionen Euro zusätzlich muss das Böblinger Landratsamt 2019 an den VVS überweisen. Dieser Betrag steigt bis 2025 auf 4,8 Millionen Euro. Aber was haben die Fahrgäste im Kreis von der Reform?
Warum das Ganze?
Eine „historische Tarifreform“ sei das, betont der VVS-Geschäftsführer Thomas Hachenberger im Gespräch mit unserer Zeitung: „Damit werden wir preislich konkurrenzfähig – vor allem zum Auto.“ Durch die Verschmelzung und Reduktion der Zonen komme die ganze Region zusammen. „Auch Leonberg rückt näher an Stuttgart heran“, sagt er.
Mit der Tarifreform werde der VVS einfacher und übersichtlicher und für viele Fahrgäste preisgünstiger. Ziel ist es, noch mehr Fahrgäste auf den Umstieg vom Auto in Bus und Bahn zu bewegen.
Wer profitiert?
Alle, die aus dem Kreis Böblingen nach Stuttgart fahren, sind künftig günstiger unterwegs. Die Preise bleiben zwar stabil, aber im neuen System fällt eine Zone weg. Muss man zum Beispiel auf der Strecke Leonberg-Stuttgart bisher vier Zonen lösen, reichen dafür künftig drei Zonen. Das gilt für Einzel-, Tages-, Monats- und Jahrestickets gleichermaßen. Der Preis des Einzeltickets sinkt damit von 5,30 auf 4,20 Euro – eine Ersparnis von 21 Prozent.
Auch Fahrgäste, die parallel an Stuttgart vorbeifahren, profitieren, weil die Sektionengrenzen wegfallen. Das trifft zum Beispiel auf die Strecke von Leonberg nach Böblingen zu, wo der Preis von 5,30 auf 2,90 Euro sinkt.
Für niemanden wird es teurer
Profitieren alle?
Nein. Gleich bleibt der Preis für all jene, die nur im Speckgürtel Stuttgarts unterwegs sind, also nicht ganz bis in die Landeshauptstadt hinein fahren, denn hier bleibt die Zonenstruktur weitgehend gleich. Gleichviel zahlen zum Beispiel Weil der Städter oder Renninger, die zum Gewerbestandort Stuttgart-Weilimdorf fahren, oder Pendler, die von Leonberg zu Porsche nach Neuwirtshaus fahren. „Für manche bleibt der Preis gleich“, erklärt der VVS-Geschäftsführer Horst Stammler. „Aber für keinen wird es teurer.“ Er weist aber darauf hin, dass zum Beispiel die Leonberger Porsche-Pendler mehr fürs gleiche Geld bekommen. Weil die Haltstelle Neuwirtshaus künftig in der Stuttgart-Zone liegt, können sie mit ihrem Firmenticket nach Feierabend nach Stuttgart reinfahren.
Was ist mit Schülern und Senioren?
Schüler, Studenten, Auszubildende und Senioren haben heute schon Netzkarten für die ganze Region Stuttgart. Von der Umstrukturierung der Zonen profitieren sie also nicht, auch ein Preisabschlag ist für diese Gruppen nicht geplant. „Das Ziel dieser Tarifreform ist es, das Tarifsystem zu vereinfachen – und bei Schülern, Studenten, Auszubildenden und Senioren war es bisher schon einfach und übersichtlich“, erklärt Stammler. Der Geschäftsführer weist zudem darauf hin, dass es 2019 keine Preiserhöhung gibt. „Durch diesen Verzicht profitieren auch diese Gruppen.“ Ob die Preise 2020 erhöht werden, steht noch nicht fest.
Bekommt man Geld zurück?
Jahrestickets, für die im Voraus zu viel bezahlt wurde, können Fahrgäste von April bis Ende Mai in einer Verkaufsstelle umtauschen. Verbundpässe kann man dagegen grundsätzlich weiternutzen und muss sie nicht umtauschen. Wer die Wertmarken allerdings bei regionalen Verkehrsunternehmen oder bei den Busfahrern kauft, braucht neue Verbundpässe.
Bleiben Vierer-Tickets gültig?
Alle Vierer-Tickets, die vor dem 1. April gekauft wurden, können auch nach dem 1. April weiter für die entsprechende Zonenanzahl verwendet werden. Vierer-Tickets mit Kaufdatum aus den Jahren 2018 und 2019 können bis Ende 2020 genutzt werden. Das gilt auch für alle Tagestickets, die vor dem 1. April gekauft und noch nicht abgefahren wurden.
Sind die S-Bahnen nicht schon jetzt knallvoll?
Der VVS rechnet durch die Reform mit mehr Fahrgästen. Aber passen die überhaupt noch in die S-Bahnen? „Zur Entlastung der S-Bahnen haben wir zum Beispiel den X-Busverkehr eingeführt“, sagt Stammler. Der X2, der „Leo-Express“, fährt von Leonberg zum Rotebühlplatz – direkt an der VVS-Geschäftsstelle vorbei. Seit einiger Zeit gibt es auch die blauen Relex-Busse. Zur Entlastung dienen auch die 58 S-Bahnen, die der Regionalverband jetzt zusätzlich bestellt hat. Wenn die 2021/2022 da sind, fahren alle S-Bahnen in der Rushhour als Langzüge.