Die Diskussion über Fahrverbote wegen Feinstaubs ist entbrannt. Ein Rückblick in die jüngere Geschichte Stuttgarts zeigt: Es wäre nicht das erste Mal, dass in der Landeshauptstadt ein solches Verbot galt.

Stadtentwicklung/Infrastruktur : Christian Milankovic (mil)

Stuttgart - Folterwerkzeug“ nennt Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) ein mögliches Fahrverbot. Seine Parteifreunde Winfried Hermann (Verkehrsminister) und Fritz Kuhn (Oberbürgermeister) erwähnen das Marterwerkzeug zwar, bemühen sich aber auch gleich zu versichern, dass man zunächst einmal an die Vernunft der Autofahrer appelliere, ehe die freie Fahrt eingeschränkt werde.

 

Ende der 90er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts war man da schon einen Schritt weiter. 1998 waren es die Ozonwerte, die den Verantwortlichen in Verwaltung und Politik die selben Sorgenfalten auf die Stirn trieben, wie es heute die Feinstaubkonzentration tut. Im Sommer 1995 trat eine bundesweite Sommersmogregelung in Kraft. Deren Ausgestaltung klingt einiger maßen kurios: Sollten drei Messstationen, die mehr als 50, aber weniger als 250 Kilometer voneinander entfernt sind, eine Überschreitung des Stundenwerts für Ozon von 240 Mikrogramm registrieren, folgt ein Fahrverbot. Autos mussten aber nicht grundsätzlich in der Garage bleiben. Wer einen geregelten Katalysator sein eigen nannte, durfte weiterfahren – eine orangefarbene Plakette an der Windschutzscheibe wies die Autos aus, die über eine solche Abgasreinigung verfügten. Ebenfalls ausgenommen von dem Fahrverbot: Pendler und Urlaubsreisende. „Es reichte also aus, einen Koffer im Auto zu haben“, erinnert sich Ulrich Reuter, Leiter der Abteilung für Stadtklimatologie in Stuttgart, an ein gängiges Bonmot aus diesen Tagen.

Die Polizei setzte Sonderstreifen ein

Wie viele Gepäckstücke am 12. August 1998 durch die Stadt gefahren wurden, ist nicht überliefert. An diesem Tag galt erstmals seit Inkrafttreten der Verordnung ein ozonbedingtes Fahrverbot. Neben Baden-Württemberg war auch Hessen betroffen. Die Stuttgarter Polizei setzte Sonderstreifen ein, wollte aber nicht von einem Großeinsatz sprechen. In der Zulassungsstelle an der Krailenshalde in Feuerbach bildeten sich lange Schlangen von Autobesitzern, die sich noch rasch eine orangefarbene Plakette holen wollten, die freie Fahrt garantierte. Wer ohne erwischt wurde, bezahlte 40 Mark, wer ein Auto bewegte, das ohnehin keine Plakette erhalten hätte, das Doppelte. Automatische Zählstellen am Heslacher und am Feuerbacher Tunnel registrierten ein Zehntel weniger Autos.

1999 lief die befristete bundesweite Verordnung aus, ohne dass eine Nachfolgeregelung ergangen wäre. „Die Ozonwerte haben aber auch seit damals ohnehin abgenommen“, erklärt Ulrich Reuter. Denn die Konzentration von Stickoxiden und Kohlenwasserstoffen, die unter Sonneneinstrahlung das Ozon bilden, sei in der Luft dank Luftreinhalteplänen und der fortschreitenden Fahrzeugtechnik rückläufig. Laut Ulrich Reuter ist der Grenzwert in Stuttgart zuletzt 2007 erreicht worden. Eine Messstation in Baden-Baden hat allerdings Anfang Juli Alarm geschlagen.