Die Stimmen für eine Wiedereinführung der Bundeswehr mehren sich. Doch die rechtlichen und praktischen Hürden dafür sind hoch.

Berlin: Tobias Heimbach (toh)

Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine hat die Debatte über die Wiedereinführung der Wehrpflicht befeuert. Zuletzt hatte sich auch CSU-Chef Markus Söder dafür ausgesprochen. „Bei wachsender Bedrohungslage macht die Wiedereinführung der Wehrpflicht Sinn“, sagte er kürzlich. Aber geht das überhaupt? Antworten auf die wichtigsten Fragen.

 

Wie ist die rechtliche Lage?

In Deutschland besteht auch aktuell eine Wehrpflicht für Männer ab 18 Jahren – sie ist nicht abgeschafft, aber seit 2011 ausgesetzt. Trotzdem: Der entsprechende Artikel 12a des Grundgesetzes gilt weiterhin.

Würde die Bundeswehr von einer Wiedereinführung profitieren?

Eine kurzfristig eingeführte Wehrpflicht würde die Bundeswehr heillos überfordern. Pro Jahrgang müssten Hunderttausende junge Menschen auf ihre Tauglichkeit untersucht werden. Schon dafür fehlen die Strukturen. Es gäbe nicht genügend Ausbilder, Uniformen, Stiefel oder Betten in den Kasernen. Auch Söder räumte ein, die Wiedereinführung brauche mindestens fünf Jahre.

Langfristig könnte eine Wehrpflicht aber dazu beitragen, dass die Bundeswehr mehr Personal bekommt. Denn wer einmal mit der Truppe in Kontakt gekommen ist, entscheidet sich anschließend womöglich für eine Karriere als Zeitsoldat.

Welche Modelle einer Wehrpflicht werden diskutiert?

Viele stellen sich heute keine Rückkehr zur Wehrpflicht vor, sondern befürworten eine allgemeine Dienstpflicht. Dies würde auch junge Frauen betreffen. Anders als früher wäre der Dienst bei der Bundeswehr nicht der Regelfall, sondern eine Wahlmöglichkeit aus vielen. Andere Tätigkeiten gäbe es im sozialen Bereich wie beim Bundesfreiwilligendienst oder früher beim Zivildienst.

Eine Dienstpflicht gilt allerdings als verfassungsrechtlich schwierig umzusetzen. Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags hatte 2016 die Rechtslage so gedeutet, dass dafür eine Grundgesetzänderung notwendig wäre. Nicht abschließend geklärt ist allerdings, ob europarechtliche Vorgaben einer Dienstpflicht entgegenstehen.

Verteidigungsminister Boris Pistorius erwähnte kürzlich das schwedische Modell als mögliches Vorbild. „Dort werden alle jungen Frauen und Männer gemustert und nur ein ausgewählter Teil von ihnen leistet am Ende den Grundwehrdienst“, sagte er im Dezember der „Welt am Sonntag“.

Wer befürwortet eine Wiedereinführung?

Die Liste der Fürsprecher ist lang – und wird immer länger. Neben Pistorius hatte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier schon 2022 gesagt, er sei für eine allgemeine „soziale Pflichtzeit“. Auch im Entwurf zum Grundsatzprogramm der CDU ist derzeit der Vorschlag eines Gesellschaftsjahrs enthalten. Laut einer Umfrage vom vergangenen Jahr ist auch eine Mehrheit der Deutschen für die Wiedereinführung der Wehrpflicht.

Johannes Winkel (CDU) ist Vorsitzender der Jungen Union und vertritt damit auch Menschen, die potenziell von einer Dienstpflicht betroffen wären. Er sagte dieser Redaktion: „Die nächste Bundesregierung muss die Voraussetzungen dafür schaffen, dass die Wehrpflicht wieder eingeführt werden kann.“ Dazu müssten Gebäude hergerichtet und die notwendige Verwaltung aufgebaut werden. Winkel unterstützte das von Pistorius in Spiel gebrachte „schwedische Modell“ und betonte auch, dass eine allgemeine Dienstpflicht den gesellschaftlichen Zusammenhang stärken könnte.

Wer ist dagegen?

Die FDP ist eindeutig gegen eine Wiedereinführung einer Dienst- oder Wehrpflicht. Fraktionschef Christian Dürr begründet dies auch damit, dass die Bundeswehr nicht mehr für die Wehrpflicht ausgelegt sei. „Der Umbau würde Jahre kosten – und die Truppe würde darunter leiden“, sagte er dieser Redaktion. Dürr sagte, er wünsche sich, dass mehr junge Menschen zur Bundeswehr gehen. „Das sollte aber freiwillig geschehen, nicht unter Zwang.“ Um mehr Menschen für die Bundeswehr zu gewinnen, sollte die Truppe besser ausgestattet werden. Außerdem forderte Dürr, die Reserve müsse attraktiver werden. Auch große Teile der SPD und der Grünen sind gegen eine Dienstpflicht.