Im Verteidigungsbündnis wird mit einem Vorstoß der US-Regierung zur Kürzung der direkten Zahlungen in diesem Herbst gerechnet. Wenn Washington damit durchkäme, wäre Deutschland der größte Beitragszahler.

Korrespondenten: Markus Grabitz (mgr)

Brüssel - Die US-Regierung will weniger für die Nato zahlen. Nach Informationen unserer Zeitung haben US-Vertreter in Nato-Gremien einen Vorstoß angekündigt, um die direkten Beiträge der USA für das Verteidigungsbündnis zu senken. Ein Nato-Diplomat sagte gegenüber unserer Zeitung: „Im Zuge der Debatte über die Lastenteilung haben US-Vertreter deutlich gemacht, dass auch über die direkten Beiträge des Landes an die Nato zu reden sei.“ Innerhalb der Nato wird damit gerechnet, dass die US-Seite im Herbst einen Vorstoß unternehmen wird. Die US-Botschaft bei der Nato in Brüssel hat auf Anfrage zur Sache nicht Stellung genommen.

 

Wie zu hören ist, könnten die USA darauf bestehen, den Verteilungsschlüssel bei den direkten Beiträgen zu ändern. Derzeit tragen die USA 22 Prozent der laufenden Kosten für Posten wie Unterhalt des Nato-Hauptquartiers, Löhne der Nato-Bediensteten, Computer, Kosten der militärischen Kommandos sowie der militärischen Fähigkeiten der Nato, wozu etwa die Awacs-Aufklärungsflugzeuge gehören. Diese Kosten belaufen sich insgesamt auf rund 2,3 Milliarden Euro im Jahr. Die USA tragen davon rund 506 Millionen Euro. Deutschland ist zweitgrößter Beitragszahler im Bündnis und muss für knapp 15 Prozent der laufenden Kosten aufkommen. In diesem Jahr sind damit Beiträge aus Berlin in Höhe von rund 345 Millionen Euro zu leisten. Großbritannien und Frankreich tragen jeweils rund zehn Prozent bei.

Suchen die USA den Konsens oder stellen sie die Alliierten vor vollendete Tatsachen?

In Nato-Kreisen heißt es: „Wenn sich die Amerikaner mit ihren Plänen durchsetzen und ihren Beitrag senken wie angekündigt, würde Deutschland die höchsten Beiträge von allen leisten.“ Wie ein Nato-Sprecher unserer Zeitung mitteilte, kommen die Amerikaner bereits mit dem heutigen Verteilungsschlüssel sehr gut weg: „Der US-Beitrag zur allgemeinen Finanzierung der Nato ist gedeckelt. Gemessen an der Wirtschaftsleistung des Landes würde der Beitrag der USA signifikant höher ausfallen.“ In den nächsten Wochen stehen Verhandlungen über den nächsten Nato-Haushalt an. Mit einer Entscheidung wird im Dezember gerechnet.

In Nato-Kreisen wird darüber spekuliert, ob die USA im Konsens den Verteilungsschlüssel ändern oder die Alliierten vor vollendete Tatsachen stellen wollen. Der Verteilungsschlüssel ist zuletzt mit der Aufnahme von Montenegro 2017 geringfügig geändert worden. Das kleine Land trägt knapp 0,03 Prozent der laufenden Kosten. Davor wurde 2007 der Verteilungsschlüssel geändert, allerdings habe es eine mehrjährige Übergangsphase gegeben, bis der neue Schlüssel gegriffen habe.

Bislang standen in der Kontroverse um die Lastenteilung im Bündnis die Verteidigungsausgaben der Mitglieder im Vordergrund. US-Präsident Donald Trump bedrängt Kanada und die europäischen Partner, möglichst bald zwei Prozent der Wirtschaftsleistung für Verteidigung auszugeben.

USA ziehen sich immer mehr aus multilateralen Strukturen zurück

Beim letzten Nato-Gipfel im Juli in Brüssel löste Trump wegen der Lastenteilung einen Eklat aus. Er griff Deutschland wiederholt massiv an, unterstellte Berlin, dass es von Russland gesteuert werde und forderte, dass Deutschland bereits ab 2019 seine Ausgaben für Verteidigung auf zwei Prozent der Wirtschaftsleistung erhöhen soll. Die Verbündeten hatten sich darauf geeinigt, dass alle Mitglieder sich bei den Verteidigungsausgaben „bis 2024 der Zwei-Prozent-Marke“ annähern. Trump soll beim Nato-Gipfel in Brüssel auch damit gedroht haben, das Verteidigungsbündnis zu verlassen.

Trump hat wiederholt behauptet, dass die USA 80 Prozent der Nato bezahlen. Wahr ist, dass die Verteidigungsausgaben aller Verbündeten rund 870 Milliarden Euro im Jahr ausmachen und die USA davon einen Anteil von 70 Prozent haben.

Entgegen Trumps Drohungen haben die USA seit seinem Amtsantritt das militärische Engagement in Europa eben nicht abgebaut, sondern massiv aufgestockt. So stellten die USA 2016 im Rahmen der European Reassurance Initiative (ERI) 790 Millionen US Dollar zur Verfügung, in diesem Jahr sollen es bereits 4,3 Milliarden sein. Das Geld ist unter anderem dazu gedacht, um Russland nach der illegalen Annexion von Teilen der Ukraine militärisch in Europa Paroli zu bieten.

Ein Vorstoß der USA, die direkten Beiträge zur Nato zu senken, passt zur Entwicklung in anderen politischen Themenfeldern: Die USA ziehen sich immer mehr aus multilateralen Strukturen zurück. Sie drohen, die Welthandelsorganisation (WTO) zur verlassen, haben das Klimaabkommen aufgekündigt und stellen Handelsabkommen infrage. Vor wenigen Tagen wurde bekannt, dass die US-Regierung das UN-Hilfswerk für Palästina nicht mehr finanziell unterstützt.