In diesem Jahr öffnen sich 27 Gotteshäuser in Baden-Württemberg für Bedürftige – sie erhalten dort Nahrung und auch Zuspruch. Die vielen Helfer erschrecken allerdings auch ein wenig über den großen Zuspruch.

Stuttgart - Es steckt viel Arbeit in dem, was die Helfer leisten, dabei erschrecken sie noch über ihren Erfolg. In Mannheim etwa. Als es dort zum ersten Mal eine Vesperkirche gab, zählte man 60 Gäste am Tag. Vergangenes Jahr, bei der 16. Auflage des Projektes kamen mehr als 600 Besucher. Der Bedarf wächst offenbar. So stehen etwa 600 Helfer bereit, wenn am 6. Januar die 17. Vesperkirche in Mannheim beginnt. Nach dem großen Zulauf im vergangenen Jahr erwarten die Veranstalter auch 2014 täglich bis zu 600 Essensgäste. Mit der Vesperkirche komme man zurück zu dem christlichen Grundauftrag „konkrete Hilfe für Bedürftige“ zu leisten, sagte Dekan Ralph Hartmann im Vorfeld des Projekts. Die Kirche sei zwar kein politischer Akteur und könne gesetzliche Rahmenbedingungen nicht ändern. Doch mache es einen großen Unterschied, ob es einen Ort wie die Vesperkirche gebe oder nicht. „Für die Öffentlichkeit stellt sich dort täglich die Frage nach der Gerechtigkeit, sagte Hartmann. Für Gäste und Helfer bedeute sie eine wertvolle Erfahrung . Die Mannheimer Vesperkirche findet bis zum 2. Februar in der Citykirche Konkordien statt.

 

Auch Karlsruhe und Nagold gehören zu den Anbietern

Insgesamt werden im Land immer mehr Vesperkirchen angeboten, in diesem Winter sind es 27. Nagold und Karlsruhe machen das Angebot zum ersten Mal.

Die älteste Vesperkirche ist die in Stuttgart. Hier wird bereits zum 20. Mal eingeladen. Zum 19. Mal gibt es das Angebot in Ulm – vom 16. Januar bis 12. Februar in der Pauluskirche – und in Göppingen in der Stadtkirche. Es sind nicht nur Städte, in denen in der Winterzeit ein Gotteshaus zur handfesten Begegnungsstätte umfunktioniert wird. In Aalen-Wasseralfingen zum Beispiel gibt es das auch schon zum 18. Mal.

Hauptmotiv für die Vesperkirche ist, armen und einsamen Menschen eine warme Mahlzeit anzubieten, Vesperpakete oder Kaffee und Kuchen. In Mannheim, Stuttgart oder Ravensburg rechnet man mit täglich 600 Mahlzeiten und mehr. In Bopfingen oder Ellwangen (Ostalbkreis) sind es immerhin 180 bis 200. Das Essen kostet meist 1,50 Euro, oft nur einen Euro. Kinder essen auch umsonst. In Rottenburg im Landkreis Tübingen beruht der Abgabepreis „auf Spendenbasis und Selbsteinschätzung“. Und in Tübingen heißt es, jeder gibt „was er kann“.

Landesbischof July lobt die integrative Kraft der Kirchen

Es gibt aber mehr als Nahrung. Der württembergische Landesbischof Frank Otfried July und der Vorstandsvorsitzende des Diakonischen Werkes Württemberg, Dieter Kaufmann, loben die integrative Wirkung der Vesperkirchen. Sie „laden dazu ein, dass Menschen unterschiedlicher Herkunft ein Stück ihres Alltags miteinander teilen“, schreiben sie in einem offenen Brief zum Auftakt der Saison. „Vesperkirchen setzen ein Zeichen gegen die Polarisierung und Vereinsamung in unserer Gesellschaft“, heißt es weiter. „Sie sind offen für Menschen, die ausgegrenzt sind und in der Gefahr stehen, vergessen zu werden.“ Damit die Vesperkirchen in den Wintermonaten öffnen können, seien mittlerweile mehr als 4000 Ehrenamtliche im Einsatz. Allein in Esslingen etwa 350, in Ludwigsburg 380, in Stuttgart 600. Die Gästezahlen steigen. Die Veranstalter rechnen mit insgesamt 6500 Menschen pro Tag.

Die Mahlzeiten sind teilweise selbst zubereitet, teilweise stammen sie aus ortsansässigen Kantinen oder Großküchen. Meist steht ein Spender oder Sponsor dahinter, ob Daimler in Esslingen, die Volksbank in Horb oder ungenannte Unternehmen und Privatleute andernorts.

Neben Verpflegung werden seelsorgerische und beratende Dienste angeboten. In größeren Einrichtungen sind medizinische Hilfen vorgesehen. Haarschnitt, Massage und Fußpflege, Kleiderkammer, Kinderecke und Büchertisch können teils auch eingeplant werden. Auch Kulturelles wird vorbereitet. Hier dürfte Stuttgart nicht zu übertreffen sein – im Programm stehen die Stuttgarter Philharmoniker, Eric Gauthier und seine Tanz-Company, der Chor der Staatsoper und die Gruppe Fools Garden.

Die Termine der Vesperkirchen im Südwesten

Die ersten Vesperkirchen sind schon wieder vorbei, in Biberach zum Beispiel hat es vom 4. bis 9. November täglich rund hundert Mahlzeiten in der evangelischen Spitalkirche gegeben; in Bopfingen war der Termin vom 1. bis zum 6. Dezember; in Pfullendorf ist vom 12. bis 26. Oktober 2014 geöffnet. Die meisten Vesperkirchen öffnen aber im Januar für zwei, drei oder vier Wochen. In der Landeshauptstadt Stuttgart ist am längsten Saison, vom 19. Januar bis zum 8. März. Die Frauenkirche in Esslingen reicht ins Frühjahr hinein, dort ist vom 16. März bis 6. April Betrieb. In Göppingen ist die Stadtkirche vom 6. Januar bis 16. Februar Anlaufstelle; in Ludwigsburg die Friedenskirche vom 9. Februar bis zum 2. März. Die Thomaskirche in Kirchheim/Teck ist vom 2. Februar bis zum 16. Februar Vesperkirche, die Lutherkirche in Nürtingen vom 2. bis zum 23. Februar. Karlsruhe und Nagold bieten erstmals eine Vesperkirche. In Karlsruhe ist es die Johanniskirche vom 12. Januar bis zum 9. Februar, in Nagold die Stadtkirche vom 9. bis 23. Februar.