Weil die Gegenwart eher trist ist, schwelgen die fünf Freunde von der VfB-Clique wieder einmal in Erinnerungen an früher.

Stuttgart - Vor dem Spiel gegen Hoffenheim hat der Brustringer die VfB-Clique der StZ besucht, die seit Jahrzehnten mit ihrem Verein jubelt und leidet – und sich im Moment wieder einmal die Sinnfrage stellt:

 

Es war ein schöner Freitagabend im Mai, frohgemut machte sich der junge Jogi, Tonmeister-Student in Detmold, auf die Reise ins Auestadion von Kassel: zweite Liga, 36. Spieltag, KSV Baunatal gegen den VfB Stuttgart. Dieter Hoeneß schoss das erste Tor für die Gäste, Bernd Martin das letzte, am Ende stand es 5:0 – und mit jedem Treffer war Jogi ein bisschen größer geworden. „Um mich herum sagten alle zu mir: ‚Das ist ja der Hammer, wie Ihr Fußball spielt’“, erinnert sich gut 35 Jahre später der nicht mehr ganz so junge Tonmeister, mit glänzenden Augen hinter seiner Nickelbrille.

Es sind nicht die schlechtesten Momente in Ottos Vesperstüble hinter dem Stadion, wenn die VfB-Clique in Erinnerungen schwelgt. In letzter Zeit tut sie das immer öfter, denn in der Gegenwart gibt es nicht viel, von dem sie schwärmen könnte. Natürlich sind die fünf Freunde heilfroh, dass der VfB nicht mehr in der zweiten Liga und nicht mehr gegen Teams wie Baunatal (derzeit Tabellenführer der Hessenliga) spielen muss. Und natürlich haben auch sie registriert, dass das 2:2 in Bremen ein bisschen besser war als die ersten Partien. Trotzdem ist nicht nur Jürgen an einem Punkt angelangt, „an dem ich mich wieder einmal frage: was soll das alles eigentlich? Warum tue ich mir das noch an?“

„Wir zeigen nur noch Angsthasenfußball“

Jogi hat um sich herum schon lange niemanden mehr die Spielweise des VfB loben hören – im Gegenteil: „Wir haben jegliche Spielkultur verloren, wir zeigen nur noch Angsthasenfußball. Das ist das Gegenteil von modernem Fußball.“ Mindestens genauso sehr ärgern sich die Freunde darüber, dass ihnen weiter die jungen Spieler vorenthalten werden – und es somit nichts, rein gar nichts gibt, wofür der VfB stehen würde. Nicht für schönes Spiel, nicht für erfolgreichen Fußball und schon gar nicht für erfrischenden Jugendstil. „Wir sind eine graue Maus geworden“, sagt Alex.

Die Clique und der Nachwuchs – es ist das alte Thema. „Das ist inzwischen kalter Kaffee“, sagt Tommi, so kalt wie der Leberkäse und der Schweizer Wurstsalat, in dem die Freunde herumstochern. Trotzdem muss der Kaffee auch diesmal wieder aufgewärmt werden, da die Geduld der Freunde mit Bruno Labbadia zu Ende geht.

„Der Trainer passt nicht zu unserer Philosophie“

„Der hat keinen Mumm in den Knochen“, sagt Tommi und mag nicht verstehen, warum die zweite Mannschaft in der dritten Liga so erfolgreich ist und trotzdem niemand bei den Profis mitspielen darf. „Dann sollen sie halt den Holzhäuser und den Stöger verkaufen“, sagt Jogi und wird lauter, „denn wenn die wirklich schlechter sind als Hajnal, dann können wir sie nicht gebrauchen.“ Dass es tatsächlich so ist, das mag freilich niemand glauben. „Inzwischen glaube ich, dass der Trainer die Spieler absichtlich schlecht redet, damit er besser dasteht, wenn es nicht läuft“, so lautet Jogis These. Labbadia scheue sich, Risiken einzugehen, er halte lieber an seinen Lieblingsspielern wie Torun und Hajnal fest, findet Alex – kurzum: „Der Trainer passt nicht zu unserer Philosophie, und daran wird sich nichts mehr ändern“, sagt Jürgen.

Natürlich werden die Freunde im Heimspiel heute gegen Hoffenheim trotzdem wieder ins Stadion gehen – was bleibt einen lebenslangem Fußballfan auch anderes übrig? Für Jogi ist die Anreise diesmal immerhin viel kürzer als damals von Detmold nach Kassel – auf beeindruckte Schulterklopfer neben sich stellt er sich jedoch lieber nicht ein: „Ich wüsste nicht, warum wir gegen Hoffenheim gewinnen sollten.“