VfB-Fans Eine verdammte Trommel

Wie nie zuvor stehen die Fans nach einigen Regelverstößen in den Stadien im Fokus der Öffentlichkeit und der Politik. Die Stimmung ist auf beiden Seiten angespannt. Szenen einer Reise mit VfB-Fans nach Nürnberg, bei der es Verletzte gab.
Nürnberg - Markus sieht nicht aus wie ein Sieger. Er steht auf dem Bahnhof in Crailsheim. Es ist schon dunkel, der Fanzug aus Nürnberg hat auf dem Weg nach Stuttgart hier einen ersten Stopp einlegt. Junge Männer stürzen aus den Abteilen eiligst zu den Hecken am Bahnhof, um sich zu erleichtern.
Markus (Name geändert) ist alles andere als erleichtert. Vieles lief schief. Es ist nach 20 Uhr an diesem Samstag, nur wenige Stunden ist es her, dass der VfB Stuttgart in der Fußball-Bundesliga in Nürnberg gewonnen hat. Markus, studiert, berufstätig, differenziert, ist Ultra bei der größten und einflussreichsten Gruppierung in Stuttgart, des Commando Cannstatts. „Es fühlt sich an wie eine Niederlage“, sagt er. Drei verletzte Polizisten, fünf Festnahmen, Schlagstöcke, Pfefferspray, das ist die unsportliche Bilanz des Auswärtsspiels. Kein guter Tag für die vernünftigen Kräfte wie ihn. Wasser auf die Mühlen all derer, die für härtere Maßnahmen gegen Fans plädieren.
Der Tag hat vormittags um halb elf am Hauptbahnhof in Stuttgart begonnen. Mehr als 600 Anhänger des VfB warten auf den Sonderzug nach Nürnberg, Gleis 13. Die Polizei ist auch da. Der Zug wird bewacht wie ein Gefahrguttransport. Am Bahnsteig stehen Väter mit Kindern, ältere Frauen, Teenager, Ultras, das ganze Spektrum der Anhängerschaft. Kopfschüttelnd verfolgen sie in VfB-Tracht, wie bereits um diese Uhrzeit zahllose Jugendliche in Dirndl und Lederhosen sichtlich angetrunken gen Cannstatter Wasen pilgern. „Auf dem Volksfest passiert mehr als im Fußball“, sagt einer.
17,5 Millionen Besucher – 846 Verletzte
Zahlreiche Vorfälle – Feuerwerkskörper und Leuchtfeuer auf den Tribünen, Stürmen der Spielfläche und anderes – haben aber ausgerechnet bei des Deutschen liebster Sportart zu einer intensiven Diskussion über die Zustände in den Kurven geführt, in der bisweilen fern jeglicher Realität bürgerkriegsähnliche Zustände in Stadien skizziert wurden. Laut Polizeistatistik gab es 2010/2011 in der ersten und zweiten Bundesliga 846 Verletzte, bei 17,5 Millionen Besuchern. Deutsche Stadien sind trotz aller Probleme sicher. Auf dem inhaltlichen Tiefpunkt der Debatte wurden die Ultra-Gruppierungen, die als Kern des Problems gelten, in der Talkshow „Maischberger“ als die „Taliban der Fans“ bezeichnet. Der Fall des Kölner Fußballers Kevin Pezzoni, der von einigen wenigen Fans bedroht wurde, hat den Diskurs über die Ultras dann kürzlich wieder befeuert.
Abfahrt in Stuttgart. Nichts deutet darauf hin, dass es zu Problemen kommen könnte. Alexander Staib sitzt im letzten Abteil des Zuges. Er hält sich im Hintergrund. Staib ist fankundiger Beamter der Bundespolizei, Wochenende für Wochenende begleitet er zivil seit 2008 mit einem Kollegen Fans der Sportvereine der Region. „Vor zehn Jahren war die Situation viel schlimmer“, sagt er. Vor allem der exzessive Alkoholkonsum habe abgenommen. Früher gab es Hooligans dazu, die Gewalt suchten. Die sind aus den Stadien nahezu verschwunden. Probleme machen jetzt junge, abenteuerlustige Burschen, „Riot-orientiert“, wie sie in der Szene sagen, die etwas erleben wollen, nicht viele, aber sie fallen auf.
Staib telefoniert mit der Einsatzleitung. „Alles ruhig“, gibt er durch. Es gilt, einen weit verzweigten Sicherheitsapparat zu koordinieren. Die fankundigen Beamten im Zug, die Kollegen vor Ort in Nürnberg, Kriminalpolizei, die in Zivil im Stadion sein wird, die dortige Landespolizei, das bayerische Spezialkommando USK, die Beweis-und Festnahmeeinheiten bei der Abfahrt in Stuttgart. Viele Tausend Beamte sind Wochenende für Wochenende im Einsatz, um Fußballspiele zu überwachen. Sie bilden den Prellbock zwischen gegnerischen Fans und deren ausgeprägtem territorialem Verhalten. „Ohne die starke Präsenz würde es zu Tumulten kommen, wenn die Gruppen aufeinandertreffen. Wichtig ist, dass man auf allen Seiten die richtigen Leute hat und miteinander kommuniziert“, sagt Staib.
Fanvertreter bemängeln, dass genau das zu selten geschieht. Es haben sich starre Fronten gebildet. Die Politik fordert mehr Druck im ohnehin unter Dampf stehenden Kessel – Explosionsgefahr. In der Debatte ist ein Verbot der Stehplätze und das Streichen von Fanprivilegien, wobei nicht ganz klar ist, welche das genau sein sollen. „Das ist, als würde man einen ganzen Wald abholzen, weil ein paar Bäume von Borkenkäfern befallen sind. Das Borkenkäferproblem ist dann gelöst, aber dann stellt man fest, dass der Wald fehlt“, sagt ein Ultra.
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