Krise? Zumindest eine Ergebniskrise will Sportvorstand Michael Reschke nicht bestreiten. Für das Heimspiel des VfB gegen Schalke 04 stimmt ihn dennoch einiges zuversichtlich.
26.01.2018 - 17:17 Uhr
Stuttgart - VfB-Sportchef Michael Reschke stellt sich vor der richtungsweisenden Partie gegen Schalke 04 vor den Trainer.
Herr Reschke, vor dem Spiel gegen Schalke 04 noch einmal kurz der Blick zurück: Haben Sie die schlechte Partie in Mainz schon verdaut? Und vor allem: Wie haben Sie die 90 Minuten aufgearbeitet?
Wir haben uns am Montag zusammengesetzt und das Spiel intensiv analysiert. Aber ich ahne, worauf Sie hinauswollen.
Auf Ihre Aussagen nach der 2:3-Niederlage, wonach Sie sich taktische und spielerische Alternativen überlegen wollten. Das konnte man auch als Misstrauen gegenüber Trainer Hannes Wolf deuten.
Ich habe ja bereits direkt danach erklärt, dass dies eine völlige Fehlinterpretation ist. Wissen Sie, wir haben direkt nach Schlusspfiff gemeinsam in der Kabine darüber gesprochen, welche Veränderungen mit Blick auf die kommende Woche vorstellbar wären. Das hat sich dann vor den Kameras fortgesetzt und medial verselbstständigt. Überdies ist das unser Tagesgeschäft und für uns ganz normal. Hannes Wolf weiß genau, wie ich es gemeint habe. Und das ist das Entscheidende.
Trotzdem war die Aufregung groß. Welche Lehren ziehen Sie daraus?
(überlegt lange) Ich würde die Wahrnehmungsreflexion intensivieren.
Das heißt?
Mir künftig noch genauer überlegen, wie meine Worte interpretiert werden könnten. Was aber nicht bedeutet, dass ich den Inhalt meiner Aussagen von Mainz bereue. Viel schlimmer wäre doch gewesen, wenn ich hinterher gesagt hätte: Nö, über den Spielverlauf und Taktik unterhalten wir uns diese Woche nicht. Dann hätte man mir einen Vorwurf draus machen können oder gar müssen. Aber doch nicht so!
Reschke appelliert an Einstellung der Spieler
Was kam schließlich dabei heraus, bei ihrer Spieler- und Taktikunterredung?
Es wird sicherlich Änderungen geben. Hannes hat da klare Vorstellungen. Das allerwichtigste aber ist, dass wir mit einer anderen Einstellung auf den Platz gehen müssen als am vergangenen Wochenende. Das ist aber auch eindeutig das Gefühl und der Wille der gesamten Truppe.
Warum hat sie die notwendigen Tugenden für den Klassenkampf nicht schon in Mainz an den Tag gelegt?
Jedenfalls nicht, weil sie ein grundsätzliches Mentalitätsproblem hat, falls sie darauf anspielen. Wir haben in dieser Saison schon oft eindrucksvoll bewiesen, dass der Wille im Team groß ist. Es ist im Fußball doch so, dass einzelne Szenen ein ganzes Spiel kippen lassen können. In Mainz haben wir die Partie nach einer schlechten Anfangsphase einigermaßen in den Griff bekommen. In den letzten vier Minuten vor der Halbzeit dreht sich das Spiel dann noch einmal komplett. Mainz gewinnt zwei entscheidende Zweikämpfe und erzielt den vermeintlichen Ausgleich, der dann zurückgenommen wird, was für große Emotion und Wut bei den Mainzern sorgt. Uns gelingt es dann nicht die Führung in die Pause zu retten, sondern Mainz helfen Wut und ein Glücksschuss dann doch zum 1:1. Dass dies die 05er extrem gepusht hat, liegt doch auf der Hand..
Dass sich die Niederlage erklären lässt, macht sie nicht besser. Seit dem 2:1-Sieg gegen Borussia Dortmund im November lief immer etwas anderes schief: Individuelle Fehler, Verletzungen, verschossene Elfmeter. Was dazu geführt hat, dass der VfB der Abstiegszone bedrohlich nahe gekommen ist.
Dass die Ergebnisse nicht gut waren, kann keiner bestreiten. Letztlich waren für mich aber vor allem zwei Auftritte richtig enttäuschend: Die beiden in Mainz. (Neben der Bundesliga auch das 1:3 im Pokal; d. Red.)
Hält diese Einschätzung – dass der VfB außer in Mainz nur selten die schlechtere Mannschaft war – Ihr Vertrauen in Hannes Wolf aufrecht?
Ich habe großes Vertrauen in das Gesamtgebilde aus Mannschaft und Trainerteam. Nicht nur ich, sondern der ganze Club.
Was sagt Reschke zur Trainerfrage?
Was müsste passieren, dass es schwindet?
Dieses Vertrauen ist tief vorhanden.
Auch nach einer möglichen Niederlage gegen Schalke?
So denke ich nicht. Ich bin davon überzeugt, dass wir ein positives Ergebnis erzielen.
Warum schafft es Hannes Wolf, die Krise zu meistern?
Der Ansatz Ihrer Frage geht in die falsche Richtung.
Dann korrigieren Sie uns.
Wir dürfen nicht den Fehler machen, uns zu sehr auf den Trainer und einzelne Personen zu fokussieren. Es geht hier nicht um Hannes Wolf, Michael Reschke oder irgendjemand anderen. Es geht hier um den Club, um den VfB Stuttgart. Die Wucht und Strahlkraft des VfB, seine Bedeutung für die Region und seine Menschen, die Leidenschaft seiner Mitarbeiter und der Fans – das ist beeindruckend und darum geht es!
Aber es gehört nun einmal zur Wahrheit im Geschäft, dass am Ende nur einer die Leistungen der Mannschaft zu verantworten hat – der Trainer.
Für mich ist das aber überhaupt nicht das Thema.
Aber einen Plan B haben Sie als sportlich Verantwortlicher doch sicher im Hinterkopf für den Fall der Fälle.
Grundsätzlich mache ich mir über vieles Gedanken – am meisten aber über die kommende Aufgabe gegen Schalke 04.
Müssten Trainer und Mannschaft ihre Aufgaben nicht forscher, offensiver angehen?
Hannes Wolf hat da ganz klare Vorstellungen, wie er das Thema angeht. Unsere jüngsten Transfers mit Erik Thommy und Jacob Bruun Larsen spielen dabei eine Rolle. Wir dürfen darüber hinaus aber nicht vergessen, dass wir über weite Strecken der Saison auf eine stabile Defensive bauen konnten. Das ist viel wert – vor allem, wenn man, wie wir, gegen den Abstieg kämpft.
Den Wechsel von Terodde bereut er nicht
Trauern Sie Simon Terodde schon hinterher?
Er hat in Köln gerade einen Lauf, er kann dort befreit aufspielen und bekommt nicht mehr vorgerechnet, wie viele Minuten er nicht mehr getroffen hat. Das hat er sich auch verdient. Ich würde die Transfer-Entscheidung wieder so treffen. Denn: Unterm Strich haben wir unseren Kader im Vergleich zur Hinrunde verstärkt. Durch Mario Gomez, aber auch durch Erik Thommy und Jacob Bruun Larsen. Was uns schwer getroffen hat, ist die neuerliche Verletzung von Carlos Mané. Das war ein herber Schlag für uns alle.
Was wird aus ihm?
Die Klausel mit der Kaufoption (15 Millionen Euro; d. Red.) werden wir nicht ziehen. Alles andere ist noch offen. Wir werden uns im April oder Mai mit Carlos und seinem Verein Sporting Lissabon zusammensetzen um über Lösungsansätze nachzudenken.
Sind die Kaderplanungen für diesen Winter abgeschlossen?
Wir werden uns bis zum 31. Januar mit möglichen Alternativen beschäftigen. Der Prozess ist noch nicht abgeschlossen.
Welches sind die wichtigsten Planstellen?
Grundsätzlich sollte man immer in alle Richtungen schauen.
Reschkes Blutsturz im Abstiegskrimi
Zum Beispiel auf der rechten Abwehrseite. Warum spielt dort eigentlich Benjamin Pavard, der doch in den Innenverteidigung viel besser zur Geltung kommt?
Das kann man so sehen. Einerseits. Andererseits muss man sehen, dass Benjamin auf dem Weg ist, auch ein sehr guter Außenverteidiger zu werden. In der französischen Nationalmannschaft sehen sie das im Übrigen genauso. Dort hat er gute Chancen, auf dieser Position bei der WM zu spielen. Bei uns war der Wechsel taktischen Überlegungen geschuldet, bedingt durch die Umstellung von Dreier- auf Viererkette. Aber durch die Verletzung von Holger Badstuber kann es gegen Schalke schon wieder ganz anders aussehen.
Sind bis 31. Januar auch noch Abgänge vorstellbar?
Auch da sind noch kleinere Korrekturen möglich. Wenn du zu viele Spieler hast, die kaum Einsatzchancen besitzen, kann das für Stimmung und Balance im Kader ein echtes Problem werden.
Durch die zahlreichen Zu-und Abgänge wirkt die Struktur innerhalb der Mannschaft nicht sonderlich gefestigt. Holt den Club der Wechsel auf der Ebene des Sportvorstands im vergangenen August von Jan Schindelmeiser zu Ihnen jetzt ein?
Wie meinen Sie das?
Es entsteht zumindest der Eindruck, dass Sie sich nach und nach von Spielern verabschieden, die Ihr Vorgänger verpflichtet hat.
Zunächst habe ich da eine andere Meinung. Die Struktur im Team stimmt. Wir haben erfahrene Spieler, die lenken und Halt geben. Zudem gibt es interessante junge Spieler mit großer Perspektive und ich denke nicht in den von Ihnen angesprochenen Kategorien. Alle Verantwortlichen waren eindeutig überzeugt, dass Kaderkorrekturen extrem wichtig waren, um in der Bundesliga zu bestehen, und aufgrund dieser Überzeugung, haben wir Korrekturen am Kader vorgenommen.
Wie packen Sie den Kampf gegen den Abstieg nervlich? Muss ja eine ziemlich neue Erfahrung für Sie sein.
Es ist in der Tat etwas anderes, als bei Bayern München auf der Tribüne zu sitzen (lacht). Aus meiner Zeit bei Bayer Leverkusen sind mir diese Situationen aber nicht neu. Dort hatten wir einmal am letzten Spieltag ein Abstiegsendspiel gegen den 1. FC Kaiserslautern. Ein Wahnsinn für die Nerven! Nachdem Markus Münch uns mit seinem Tor zum 1:1 rettete, hatte ich einen Blutsturz.
Was wird aus der zweiten Mannschaft?
Das klingt mit Blick auf die kommenden Monate nicht sehr beruhigend.
Ich kann Sie beruhigen. Das ist über 20 Jahre her und in der Zeit gewinnt man deutlich an Erfahrung und erlebt viele Spiele, in denen es immer um „alles geht“. So intensiv ich die 90 Minuten auch erlebe, nach dem Schlusspfiff kann ich sehr schnell wieder runterfahren und rational denken. Dies ist Teil der Verantwortung.
Die Kaderplanung, der Kampf gegen den Abstieg aus der Bundesliga – bleibt da überhaupt noch Zeit für die anderen Großbaustellen beim VfB? Das Thema zweite Mannschaft zum Beispiel.
Wir befinden uns mitten in einem Überprüfungsprozess, in dem es nicht ausschließlich um die zweite Mannschaft geht. Unser Ziel ist es, den gesamten Nachwuchs- und Übergangsbereich zu optimieren. Wir befinden uns da auf einem sehr interessanten und guten Weg Natürlich spielt da auch die Zukunft der U23 eine wichtige Rolle, aber nicht losgelöst und gewiss nicht nur.
Wann fällt die Entscheidung über die Zukunft der U23?
Wir haben eine Projektgruppe aufgestellt, zu der auch seit kurzem Peter Knäbel (als externer Berater im Nachwuchsbereich; d. Red.) gehört. Wir wollen alle Strukturen, Kaderplanung, vertragliche Bindung von Talenten, optimale individuelle Förderung und vieles weitere hinterfragen und optimieren. Wenn dieser Prozess abgeschlossen ist, wird es Entscheidungen geben – und selbstverständlich auch die über den zukünftigen Weg im Übergangsbereich.
Ist das zumutbar für Mitarbeiter und Spieler?
Im Profifußball gibt es grundsätzlich keine letzte Planungssicherheit. Für den Trainer- und Betreuerstab der U23 geht es in jedem Fall beim VfB sinnvoll weiter. Jeder junge, ambitionierte Spieler, wird die U23 als Zwischenschritt sehen und andere Visionen im Kopf haben. Grade deshalb werden Sie sich alle Jungs, die in Ihrer Karriere noch etwas erreichen wollen, in der Rückrunde voll reinhängen. Da habe ich keine Zweifel.
Im Video: Wie blicken Mario Gomez und Daniel Ginczek auf das Spiel gegen Schalke?