Die Stuttgarter Vereinsführung glaubt, die Weichen jetzt richtig gestellt zu haben – und stärkt den Manager Robin Dutt.

Stuttgart - Dieses Jahr setzt der VfB Stuttgart mal auf eine besondere taktische Variante aus der großen, weiten Welt des Fußballs: das Zeitspiel. So soll die Mitgliederversammlung nicht wie bisher praktiziert im Juli stattfinden, sondern erst im Oktober – und zwar unabhängig davon, ob der Klassenverbleib in der Fußball-Bundesliga geschafft wird. Bis zum Herbst gilt es dann, richtungsweisende Reformen vorzubereiten, speziell die Ausgliederung der Profiabteilung aus dem Gesamtverein. Denn über dieses Projekt soll auf der Veranstaltung aufgeklärt und diskutiert werden.

 

Nach StZ-Informationen hat der VfB seinen vor ein paar Monaten zurückgestellten Ausgliederungsplan jetzt bereits überarbeitet. Zurzeit werden aber noch verschiedene Möglichkeiten und Darstellungsformen geprüft – auch was die Strukturen insgesamt betrifft. So erwägt der Club, seinen Mitgliedern mehr Mitspracherecht einzuräumen als das momentan gewährleistet ist. Dafür liegen konkrete Vorschläge auf dem Tisch, wie die Gründung eines Mitgliederausschusses. Das sind Zugeständnisse, die der VfB nun offenbar zu machen bereit ist.

Aus drei mach vier

Dadurch hofft er, die Anhänger von seinem Weg überzeugen zu können und auf einer außerordentlichen Mitgliederversammlung im Frühling 2016 die erforderliche Mehrheit für die Ausgliederung zu bekommen. Das über Investoren erwirtschaftete frische Geld soll dann größtenteils in die Mannschaft fließen, um sportlich wieder konkurrenzfähig zu werden. Die Vereinsführung glaubt, die Weichen in den vergangenen Wochen gestellt und strategische Entscheidungen getroffen zu haben, um Pluspunkte bei den Mitgliedern sammeln zu können.

Als ein Beleg dient der Clubspitze die von ihr beschlossene Umbesetzung und Erweiterung des Vorstands von drei auf vier Leute. Während der Finanzdirektor Ulrich Ruf nach dieser Saison ausscheidet, rücken Stefan Heim und der Marketingexperte Jochen Röttgermann auf. Auch die Einstellung des Managers Robin Dutt sei eine perspektivisch wichtige Maßnahme gewesen, heißt es in der VfB-Führungsetage. Diese nimmt daneben für sich in Anspruch, Betriebskosten gesenkt und interne Abläufe vereinfacht zu haben. Deshalb denken die Verantwortlichen in Vorstand und Aufsichtsrat auch nicht an einen Rücktritt, selbst wenn der bittere Gang in die Zweitklassigkeit zum zweiten Mal nach 1975 angetreten werden müsste. Allerdings könnten Mitglieder in jedem Fall einen Antrag auf Abwahl stellen, über den auf der Versammlung im Oktober dann abgestimmt werden würde.

Trotz der Unruhen etwa um den Abgang des Sportdirektors Jochen Schneider, der sein Amt jetzt nach 16 Jahren wegen Differenzen mit dem Präsidenten Bernd Wahler (nicht mit Dutt) ohne eine Abfindung zu verlangen niederlegt, fühlt sich die Vereinsführung fest im Sattel – auch angesichts der Tatsache, dass die Engagements einiger Großsponsoren (Mercedes-Benz, Kärcher, Würth) daran gekoppelt sind, dass ein Vertreter ihrer Firmen im VfB-Aufsichtsrat sitzt. Sollte diese Präsenz hinfällig sein, wäre die Gefahr da, dass sich die Unternehmen als Partner zurückziehen – und neue Sponsoren sind nicht gerade so leicht zu finden. Das soll den kritischen Mitgliedern vermittelt werden.

Dutt soll der Chef sein

Zu dieser Bestandsaufnahme passt, dass Dutt dem Aufsichtsrat aktuell ein Konzept vorgelegt hat, wie er den Club bei einer vollzogenen Ausgliederung voranbringen will – aber auch dann, wenn dieses Vorhaben scheitert, was die finanziellen Möglichkeiten des VfB weiter enorm einschränken würde, da der Verein auch das Geschäftsjahr 2014 wieder mit einem Verlust abgeschlossen hat. Intern hat Dutt schon angekündigt, dass im Sommer mindestens zehn Spieler abgegeben werden sollen, egal ob die Mannschaft in der Bundesliga bleibt oder nicht. Auffangen will der Manager diesen Schnitt in erster Linie dadurch, dass weitere Talente aus dem eigenen Nachwuchs an die Profis herangeführt werden. Dazu soll Alexander Zorniger als Trainer kommen, der nach Ansicht von Dutt in einer ähnlichen Ausgangsposition ist wie der VfB – er kommt von unten und will sich in seinem Job entwickeln und Stück für Stück wachsen. Daher ist Thomas Tuchel auch kein Thema, der sich einen Wechsel zum VfB gut hätte vorstellen können (die StZ berichtete). Die Vereinsführung hat sich jedoch dahingehend festgelegt, dass Dutt künftig die Richtung vorgibt und als Sprachrohr des Clubs auftritt. Er soll der Chef sein – nicht der Trainer.

Dabei lautet das übergeordnete VfB-Ziel, dass eine andere Unternehmenskultur Einzug hält – eine, die offener ist für innovative Ideen und Ansätze. Dafür stehen vor allem die drei neuen Aufsichtsräte Hartmut Jenner, Martin Schäfer und Wilfried Porth. So geht es darum, engstirnige Denkmuster und verkrustete Traditionen aufzubrechen, die seit der Ära des alten Präsidenten Gerhard Mayer-Vorfelder und des früheren Generaldirektors Ulrich Schäfer die Gesinnung und das Handeln auf dem Wasen mitbeherrschen. Frischer Wind soll hinein in die Stube und den Staub fortblasen, doch dieser Prozess kann nicht so schnell abgeschlossen werden. Ob er erfolgreich ist, wird man kaum bis zur Mitgliederversammlung im Oktober wissen. Dieses Zeitspiel geht in die Verlängerung.