Der VfB Stuttgart siegt nach 14 Jahren wieder in Dortmund – mit sage und schreibe 5:1. Dabei überzeugt die Mannschaft von Pellegrino Matarazzo in allen Belangen. Doch wie ist dieser Coup zu erklären?

Sport: Heiko Hinrichsen (hh)

Dortmund - Nicolas Gonzalez ist den Dortmundern einfach auf und davon gelaufen. Orel Mangala hatte den Stürmer des VfB Stuttgart noch einmal auf die Reise Richtung Borussia-Tor geschickt – und der eingewechselte Argentinier ließ sich nicht zweimal bitten: Treffer zum 5:1 und Schlusspunkt in der denkwürdigen Begegnung im Signal-Iduna-Park.

 

Ja, der Aufsteiger aus Stuttgart hat gegen den Champions-League-Teilnehmer nicht nur gewonnen, er hat die Elf von BVB-Trainer Lucien Favre in der Fußball-Bundesliga zerlegt. „Das hat Megaspaß gemacht. Die Jungs vor mir haben durchweg Gas gegeben. Dieser Erfolg wird uns super viel Selbstvertrauen geben“, sagte der VfB-Schlussmann Gregor Kobel im ersten Freudentaumel.

Die Chancen genutzt

„Wir waren sehr scharf, sehr präsent. Wir haben nach vorne und nach hinten als brutale Einheit agiert“, sagte der VfB-Trainer Pellegrino Matarazzo gewohnt sachlich. Der Lohn: Erstmals nach 14 Jahren siegte der VfB wieder in Dortmund – und die Mannschaft von Matarazzo ist nach sechs Auswärtsauftritten in dieser Runde in der Fremde weiter ungeschlagen. Dabei überzeugte sie in Dortmund von der ersten bis zur letzten Minute in der Nachspielzeit, als Gonzalez sein viertes Saisontor erzielte.

Zuvor hatten Silas Wamangituka (26./Foulelfmeter und 52.) zweimal sowie Philipp Förster (60.) und Tanguy Coulibaly (63.) getroffen. Vor allem nach dem Wechsel zeigten sich die Gäste effizient. Die Chancen, die sich das Team mit dem roten Brustring auf dem Trikot vom Anpfiff weg erspielt hatte, wurden nun in Treffer umgemünzt. „Im Vergleich zum Spiel gegen den FC Bayern vor zwei Wochen haben wir diesmal unsere Möglichkeiten genutzt“, sagte Förster.

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Wobei erneut Wamangituka aufdrehte. Der Kongolese steht nach dem elften Spieltag bei sieben Saisontoren – und die Stuttgarter Mannschaft gut da. Doch nicht nur Wamangituka war für die BVB-Defensive nicht zu fassen. „Der VfB hat hervorragend gespielt. Er war aggressiv und zielstrebig. Genau das waren wir nicht“, sagte Mats Hummels. Dem Abwehrchef war wie seinen Kollegen die Enttäuschung ins Gesicht geschrieben. Womit der Trainer Lucien Favre mal wieder in Erklärungsnot gerät. „Es war eine Katastrophe, was wir geboten haben“, sagte der Schweizer.

Rund um das ehemalige Westfalenstadion dürfte es nach der Pleite um Favres Zukunft gehen. Denn auch Coulibaly und Förster, der für den gesperrten Gonzalo Castro in die Anfangself rückte, setzten den Gastgebern zu. Und hätte Mateo Klimowicz (wurde vor dem Elfmeter im Strafraum von Emre Can gefoult) mehr Zielwasser getrunken, dann wären die Schwarz-Gelben schon in der ersten Hälfte zurückgelegen. Durch ein technisch wunderbares Tor von Giovanni Reyna kam der BVB aber zum Ausgleich (39.). Das war schmeichelhaft, da zuvor der Torhüter Roman Bürki mehrfach gegen die Stuttgarter gerettet hatte.

Der Knackpunkt der Partie

Nach der Pause gab es jedoch kein Halten mehr. Mangala brachte den VfB mit einer starken Balleroberung auf die Siegerstraße, weil der Mittelfeldspieler anschließend Wamangituka bediente – 2:1 (52.). „Der Knackpunkt der Partie“, wie Favre meinte. Denn danach waren die Stuttgarter nicht mehr zu bremsen. Sie kombinierten oft nur mit einem Ballkontakt. Alles sah spielerisch leicht aus. Förster schoss nach Vorarbeit von Borna Sosa überlegt ein (60.). Hinterher war es zu verschmerzen, dass Klimowicz nur den Innenpfosten traf (62.). Nur eine Minute später sprang der Ball nach Coulibalys Aktion vom Aluminium ins Netz.

So viel Tempo und Leidenschaft hatte der BVB ohne den verletzten Torjäger Erling Haaland nicht ansatzweise zu bieten. Und auf der VfB-Seite? „Ich könnte Konfetti kotzen, so happy bin ich über das, was ich gerade sehen durfte“, schrieb der Vorstandsvorsitzende Thomas Hitzlsperger über den Coup per Twitter. Allerdings wollen die Stuttgarter jetzt nur den Moment genießen. Mit 17 Punkten stehen sie auf dem siebten Tabellenplatz. Das ist besser, als dem VfB viele Fachleute und Fans zugetraut hatten. „Wir wollen aber auf dem Boden bleiben“, sagte Matarazzo. Am Dienstag geht es nun gegen Union Berlin im eigenen Stadion weiter.