Der VfB hat spezielle Spiele hinter und entscheidende vor sich. Zieht er Kraft aus den emotionalen Aufholjagden? Und wie war es eigentlich beim Aufstieg vor 40 Jahren? Wir haben genau hingeschaut und bemerkt: Gar nicht so viel anders.

Sport: Carlos Ubina (cu)

Stuttgart - Die Erinnerung ist verblasst. Es ist ja auch 40 Jahre her, dass Hansi Müller mit dem VfB Stuttgart gegen Röchling Völklingen gespielt hat. Einer von 186 Erst- und Zweitliga-Einsätzen war das eben, die der damalige Mittelfeldstar für seinen Herzensclub bestritten hat. Also weiß der 59-jährige heute nur noch, dass es eine ziemlich wichtige Partie war – und dass es ziemlich knapp herging.

 

Das kann man so sagen. Wenn man den Spielberichtsbogen vom 26. März 1977 richtig deutet, dann wurden die Nerven der VfB-Anhänger arg strapaziert. 16 000 Zuschauer verloren sich damals im Neckarstadion und mussten miterleben, wie der große Aufstiegsfavorit gegen den krassen Außenseiter zweimal hinten lag. Erst durch Tore von Karlheinz Förster und Ottmar Hitzfeld machte der VfB den Sieg perfekt.

4:3 hieß es am Ende – und beim Blick in die Annalen der Aufstiegssaison hat diese Begegnung mit Völklingen durchaus das Potenzial, als besonders eingestuft zu werden. Wahrscheinlich gibt es sogar noch genügend Augenzeugen, die diese Partie exakt nacherzählen können und in ihr den Ausgangspunkt für den fulminanten Endspurt der Schwaben sehen. Doch Hansi Müller sagt: „Die beiden Spiele gegen Waldhof Mannheim waren für uns als Mannschaft wichtiger.“ 4:3 und 2:1 wurde gegen den badischen Rivalen gewonnen. Früher in der Saison, weshalb ihnen in der Außendarstellung weniger Bedeutung zukommt. Aber jeweils nach Rückstand – was im innersten Kreis des VfB-Lagers etwas auslöste.

Die Mannschaft tankt Zuversicht

Ein Schlüsselmoment also? Vielleicht. So genau kann man das ja nicht sagen, weil Schlüsselmomente eher zu spüren als zu greifen sind. Sie entfalten ihre Wirkung auf einer emotionalen und psychologischen Ebene – und als solche werden sie grundsätzlich erst im Nachhinein erkannt. Von Hansi Müller lassen sie sich aber in einen Satz packen: „Anschließend trittst Du mit einer doppelt so breiten Brust an.“

Überträgt man diese These auf den aktuellen VfB, dann dürften Christian Gentner und Co. am Sonntagmittag kaum durch die Kabinentür passen – so breit müsste die Brust eines jeden Spielers vor der Begegnung mit Erzgebirge Aue sein. Denn allein beim Blick auf den gerade zu Ende gegangenen April haben die Stuttgarter eine Reihe von Spielen bestritten, die als Schlüsselmomente taugen: Dresden (3:3), Bielefeld (3:2) und zuletzt Nürnberg (3:2) seien genannt. Dreimal drehten die Stuttgarter am Ende mächtig auf – und die Fans angesichts der Dramaturgie fast durch.

„Natürlich verleiht so ein Sieg wie beim 1. FC Nürnberg der Mannschaft neue Zuversicht“, sagt Jan Schindelmeiser. Und wie der Manager weiter ausführt, ergibt sich daraus auch eine „Problemlösungskompetenz“. Das Team weiß um seine Qualitäten. Das Team weiß auch um seine Fähigkeit, in letzter Minute noch zuschlagen zu können. „Die Mannschaft verfällt nicht Panik, nur weil sie kurz vor dem Abpfiff noch zurück liegt“, sagt Schindelmeiser.

Eine Aufholjagd lässt sich nicht beliebig wiederholen

Allerdings verleiht die körperliche und mentale Stärke nicht die Gewissheit, Aufholjagden beliebig wiederholen zu können. Sie hat auch nicht dazu geführt, dass die Stuttgarter so souverän weiter machen wie beim 3:1 gegen Union Berlin – dem Spiel eins nach dem Sieg in Bielefeld, jedoch ebenso die Partie vor der Reise nach Nürnberg. Nicht viele beim VfB hatten damit gerechnet, dass ihr Team gleich wieder an den Rand einer Niederlage geraten würde.

Doch einmal mehr hat die Kraft des Glaubens gewirkt – womöglich auch auf den Gegner, der seinerseits weiß, dass der VfB jederzeit zurückkommen kann. Dazu braucht es Charakter zum einen und Glück zum anderen. „Auch wir haben Glück benötigt, um aufzusteigen“, sagt Hansi Müller über die legendäre Saison. Denn nur beim verklärten Teil des Rückblicks stürmte der VfB mit seinem 100-Tore-Angriff problemlos durch die Liga wie beim 8:0 im letzten Heimspiel gegen Jahn Regensburg (sechs Hitzfeld-Tore). Den anderen Teil der Wahrheit beschreibt der einstige Liebling der Massen mit dem feinen linken Fuß so: „Wir hatten ebenfalls viele enge Spiele. Das ist die Parallele, die ich zu heute sehe.“

Der kommende Gegner befindet sich im Aufwind

Auch Schindelmeiser warnt davor, Aue allein an seinem Tabellenplatz zu bemessen. Auf Rang 13 liegen die Sachsen mittlerweile, nachdem sie noch vor wenigen Wochen abgeschlagen dem Abstieg entgegen zu taumeln schienen. Mit dem Trainerwechsel von Pavel Dotchev zu Domenico Tedesco (zuvor Jugendtrainer beim VfB und bei 1899 Hoffenheim) hat sich aber vieles verändert. 17 von möglichen 21 Punkte holte die Elf aus dem Erzgebirge seit Tedescos Amtsantritt am 8. März.

Der VfB als beste Rückrundenmannschaft (31 Punkte in 14 Spielen) verbuchte im gleichen Zeitraum 14 Zähler und bereitet sich deshalb auf eine extrem schwierige Aufgabe vor. „Eine kämpferische Komponente hatte Aue schon vorher zu bieten, aber jetzt spielt die Mannschaft auch noch richtig gut Fußball“, sagt Schindelmeiser. Was beim VfB dazu führen könnte, dass der nächste Schlüsselmoment bevorsteht.

VfB Stuttgart - 2. Bundesliga

Nächstes Spiel

lade Widget...

Tabelle

lade Widget...
Komplette Tabelle