Die Abteilung der Talentspäher ist beim VfB Stuttgart nach wie vor schlecht aufgestellt. Das kritisiert unter anderem der alte und neue Trainer Huub Stevens – aber eine Änderung ist bereits in Sicht.

Stuttgart - Manchmal hat Horst Heldt das dumme Gefühl, dass er gerade bei zwei Clubs gleichzeitig als Manager tätig ist. „Ich höre ständig, dass ich für den Niedergang hier verantwortlich bin“, sagt er. Er steht im Presseraum der Mercedes-Benz-Arena. Nachdem er da über den 4:0-Sieg des FC Schalke geredet hat, wird er von seiner Vergangenheit eingeholt. Denn mit dem Wort „hier“ in seinem Satz meint Heldt den VfB. „Hier“ war er Manager zwischen 2006 und 2010, ehe er zum FC Schalke gegangen ist. „Hier“ ist Krise. Aber hier ist Heldt doch schon lange nicht mehr.

 

Rückblick. In seine Stuttgarter Ära fällt die Meisterschaft 2007 genauso wie die nochmalige Qualifikation für die Champions League zwei Jahre später. Im Anschluss stürzte das Team jedoch ab – eine Entwicklung, die bis heute anhält. Aktuell ist der VfB sogar Tabellenletzter und wirtschaftlich so angeschlagen, dass die Perspektive düster ist. Der Verein steht am Abgrund – wegen Heldt und dessen Altlasten?

Er hat diesen Eindruck, dass er zum Totengräber gestempelt werden soll. Deshalb will er zum VfB jetzt auch nicht mehr sagen als diesen einen „Hier“-Satz im Presseraum. Was soll er den Leuten im Club auch entgegnen, die ihm latent vorwerfen, dass seine Personalpolitik die Talfahrt erst ausgelöst hat? In der Tat war es ja so, dass er nicht gerade wenige Spieler mit üppigen Millionenverträgen ausgestattet hat – der Preis des sportlichen Erfolgs. Hinzu kamen teure Fehleinkäufe wie Ciprian Marica, den Heldt für acht Millionen Euro verpflichtet hat, nur auf Empfehlung eines Spielerberaters hin und ohne dass der Stürmer zuvor durchleuchtet worden wäre. Ähnlich verhielt es sich aber auch vor zwei Jahren beim Transfer von Alexandru Maxim, als nicht mehr Heldt der Manager war, sondern Fredi Bobic. Folge: die Fälle von Marica und Maxim führen zu einem grundsätzlichen und nach wie vor ungelösten VfB-Problem: den Defiziten im Scouting.

Veh: VfB ist im Scouting nicht gut aufgestellt

So antwortet Heldt nun auch am Samstag nach der Partie im Stuttgarter Stadion halb im Spaß und halb im Ernst auf die Frage, warum er Spieler wie Marica überhaupt geholt habe: „Weil mich keiner gestoppt hat.“ Zumindest warnen hätten ihn die Talentspäher des VfB können, wenn sie Marica gekannt hätten. Haben sie aber nicht. Sie haben auch Maxim nicht gekannt – und diese Unkenntnis zieht sich durch die VfB-Geschichte bis in die Gegenwart. Der neue, alte Trainer Huub Stevens hat im Frühjahr beklagt, dass der Verein im Scouting nicht gut aufgestellt sei – eine Feststellung, die sein Nachfolger und Vorgänger Armin Veh teilte. Beide monierten, dass in diesem Bereich die für eine effektive Arbeit notwendigen Netzwerke und Kompetenzen nicht im erforderlichen Maße vorhanden seien.

Ein Beispiel: im Sommer wollte der VfB seine offensichtliche Schwachstelle auf der linken Verteidigerposition beheben – mit Adam Hlousek (25), der zuvor beim Absteiger in Nürnberg jedoch nicht gerade durch Glanztaten aufgefallen war. Ein großes Talent wie Abdul Rahman Baba (20) von dem Zweitligisten SpVgg Greuther Fürth hatten die VfB-Scouts dagegen nicht auf dem Radar. Deshalb wechselte er nach Augsburg.

Becker wurde von Bobic eingestellt

Weitere Babas gibt es vermutlich auf jedem Kontinent. Und einige wären wohl auch günstig zu kriegen. Um sie zu finden, müssten die Späher jedoch vor Ort sein, um sich ein Bild über das Leistungsvermögen und die Mentalität eines Kandidaten machen zu können. Zudem entstehen so weitere Kontakte, die zu zusätzlichen Optionen auf dem Spielermarkt führen können. Aber Veh ist aufgefallen, dass einige VfB-Scouts ihre Aufgabe offenbar in erster Linie so definieren, dass sie regelmäßig das Training der eigenen Profimannschaft beobachten. Einzig Ben Manga sei oft auf Reisen und habe Beziehungen, heißt es im Club.

Die Koordination und die Ausrichtung der Abteilung fällt in die Zuständigkeit des seit 2011 amtierenden Scoutingchefs Ralf Becker. Die Vereinsführung hat erkannt, dass die Geschäfte da nicht zur Zufriedenheit laufen – Veränderungen im Januar sind wahrscheinlich. Es gibt den Plan, dem früheren Co-Trainer Ralf Widmayer eine leitende Position zu übertragen.

Becker ist übrigens von Bobic eingestellt worden – und nicht von Heldt.