Das tun sehr viele Wegbegleiter – auch im Stadtteil Kurl weit im Dortmunder Osten, der letzten Station dieser Reise in die Vergangenheit. Ein freundlicher Mann im schwarzen Trainingsanzug des VfL Hörde öffnet die Tür seines Backsteinhauses und sagt: „Ich bin der Klaus. Komm rein. Hast du schon was gegessen?“ Klaus Rohe ist seit Jahrzehnten Trainer im Dortmunder Amateur- und Jugendfußball. Mehrere BVB-Tassen stehen auf dem Schreibtisch seines Arbeitszimmers, an der Wand hängen Wimpel, Urkunden und das Mannschaftsfoto der B-Jugend von Rot-Weiß Barop. „Das ist mein Hannes“, sagt Rohe und zeigt auf ein schmächtiges blondes Bürschchen hinten rechts.

 

Bis ins Kreispokalfinale sind sie unter Rohes Führung 1998 gekommen. „War eine geile Truppe – aber mein Hannes war die Bombe. Immer höflich, respektvoll, wissbegierig. Und viel zu gut für einen Club wie Barop. War mir schon damals klar, dass der Junge eines Tages groß rauskommt.“ Sie haben sich irgendwann aus den Augen verloren, berichtet Rohe, der seinen Hannes nun regelmäßig im Fernsehen bewundert: „Der Hannes ist mein Hannes geblieben. Null abgehoben, eine ehrliche Haut, so offen und freundlich wie früher. Ich bin jetzt VfB-Fan.“ Noch größer ist nur seine Liebe zum BVB, Rohe verpasst kein Heimspiel. Eines Tages, das hofft nicht nur er ganz fest, werde Wolf zurückkehren und auf der Dortmunder Trainerbank sitzen. „Er ist einer von uns, er gehört hierher.“

Jetzt aber hat Wolf den Auftrag, den VfB in die Bundesliga zu führen. Es gebe nur zwei Möglichkeiten, hat er in der Winterpause gesagt, „entweder ich bin am Ende der Held oder der Idiot“. Für Klaus Rohe in Kurl stellt sich diese Frage ebenso wenig wie für die Sportsfreunde aus Aplerbeck. Ihr Hannes bleibt ein Held auf alle Zeiten.

VfB Stuttgart - 2. Bundesliga

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Also wird Wolf, in Bochum geboren, im Dortmunder Süden aufgewachsen, mit 25 nicht nur neuer Stürmer des ASC, sondern auch neuer Trainer – und erobert die Herzen im Sturm. „Er ist auf jeden zugegangen, war zu allen freundlich, hat eine völlig neue Atmosphäre in den Verein gebracht“, sagt Brune. Von der Bezirksliga führt Wolf den Club nach zwei Aufstiegen bis in die Westfalenliga – der ASC wird nach der Borussia der ranghöchste Fußballclub der Stadt. Plötzlich kommen mehr als tausend Zuschauer zu den Heimspielen und staunen über die Innovationsfreude des Jungtrainers. „Wolf revolutioniert den Dortmunder Amateurfußball“, so steht es in der Zeitung.

Daran alleine liegt es nicht, dass sich bis heute in Aplerbeck, in ganz Dortmund und vermutlich auch im gesamten Ruhrgebiet (mit Ausnahme von Gelsenkirchen natürlich) keiner finden ließe, der auch nur ein schlechtes Wort über Wolf verlieren würde. Sondern auch an seiner Offenheit, seiner sozialen Kompetenz, seiner mitreißenden Art. „Der Hannes ist ein guter Mensch“, sagt ASC-Mitglied Thomas Ahrens, nachdem er auf dem Jahresempfang die Gitarre gezupft und gesungen und nun am Stammtisch Platz genommen hat: „Er hat das Herz am rechten Fleck.“

Die Bedeutung des 22. Januar 2009

Als Musiker ist Ahrens acht Jahre vorher auch bei Wolfs Abschiedsfeier im Einsatz. Gemeinsam singen sie „Niemals geht man so ganz“ und haben Tränen in den Augen. Und bei der späteren Hochzeit des Trainers steht er mit seiner Band X-11 ebenfalls auf der Bühne – Cat Stevens’ „Father & Son“ ist das Duett mit der Hauptperson, der nicht nur zum Mikro, sondern auch zur Gitarre greift. Beide Ereignisse, der Abschied aus Aplerbeck und die Hochzeit in Schwerte, haben ihren gleichen Ursprung – einen schicksalhaften Abend, der Wolfs Leben grundlegend verändert.

An jenem 22. Januar 2009, einem Donnerstag, findet in der Mercedes-Niederlassung in Dortmund die jährliche Sportlergala statt. Wolf, Abräumer in den Kategorien „Sportler des Jahres“ und „Mannschaft des Jahres“, lernt nicht nur die BVB-Handballerin Julia Kunze kennen, die seine Frau und Mutter der beiden Töchter wird. Er trifft auch zum ersten Mal Jürgen Klopp. Der Übertrainer von Borussia Dortmund beehrt die Preisverleihung als Stargast und ist schwer beeindruckt vom ungekünstelten Auftritt des Hauptgewinners. Es dauert danach nicht lange, bis Klopp sich wieder meldet und Wolf zum BVB holt.

„Uns war immer klar, dass Hannes zu Höherem berufen ist“, sagt ASC-Präsident Brune. Nach drei Jahren verlässt Wolf Aplerbeck und nimmt seinen Sturmpartner und WG-Genossen Miguel Moreira zum ersten Mal mit. Die enge Verbundenheit aber bleibt bestehen. Nicht nur zu Brune, seinem väterlichen Freund, bei dem er früher oft übernachtet hat, sondern auch zu vielen anderen aus der ASC-Familie. Anfang November trifft sich Wolf nach dem VfB-Sieg in Karlsruhe mit den alten Weggefährten zum Familien-Feiertagsspaziergang am Phönix-See. Und beim VfB-Spiel in Bochum sitzen 40 Aplerbecker hinter der Trainerbank. Sie alle wissen: Der Hannes ist noch immer einer von ihnen, auch wenn er jetzt in Stuttgart wohnt.

Was sie beim BVB von Wolf halten

Zunächst aber geht Wolfs Aufstieg von 2009 an nur sieben Kilometer nördlich von Aplerbeck weiter: im BVB-Nachwuchsleistungszentrum in Dortmund-Brackel. Dort steht am Morgen nach dem ASC-Jahresempfang Edwin Boekamp, der Nachwuchskoordinator der Borussia, am Rande eines Kunstrasenplatzes und ballt vor Wut die Fäuste in den Taschen. Schon wieder ein Tor für Mönchengladbach. „Ohne Zweikampfverhalten kann man nicht gewinnen“, sagt er, als die U 19 des BVB nach Spielende vom Platz trottet. 3:4 verloren.

Bis zum Anruf aus Stuttgart im vergangenen September war Hannes Wolf Trainer dieser Mannschaft. Ob die Defensive damals robuster zu Werke ging, das will Boekamp nicht sagen – eines aber sei sicher: „Für uns war sein Abschied ein herber Verlust. Hannes war nicht einer der besseren Trainer, er war ein richtig guter.“ Boekamp (58), ein kerniger Westfale, der weit rumgekommen ist in seinem Leben, hat viele Trainer erlebt. „Die meisten können sich heutzutage gut verkaufen – aber du schaust ihnen nur auf den Kopf und nicht hinein.“ Will sagen: Schöne Konzepte sind das eine, die erfolgreiche Umsetzung das andere.

Hannes Wolf wird im BVB-Nachwuchs zunächst ein wenig hin und her geschoben – doch schon bald drückt er auch der Borussia seinen Stempel auf. Zweimal wird er mit der U 17 deutscher Meister, in der vergangenen Saison führt er die U 19 zum Titel. „Du musst als Trainer besessen sein von dem, was du tust. Das ist er“, sagt Boekamp: „Hannes hat die große Fähigkeit, alle Spieler hinter sich zu bringen, er kann echte Mannschaften formen.“

Der Einfluss von Klopp und Tuchel

Wolf belässt es beim BVB nicht dabei, den Nachwuchs auszubilden. Er sieht sich auch selbst als Lehrling und saugt alles auf, was sich ihm in dem Großclub bietet, bei dem er als Jugendspieler einst aussortiert wurde. Er darf mit der Profimannschaft in die Trainingslager, jederzeit offen ist die Kabinentür von Jürgen Klopp, der zu seinem Mentor wird. „Ich freue mich, dass sich der erste Eindruck bestätigt hat, den ich nach dem eher zufälligen Treffen gewonnen hatte“, teilt Klopp heute aus Liverpool mit: „Hannes ist ein außergewöhnliches Talent, das inzwischen alle klassischen Schritte einer Trainerkarriere gegangen ist. Er besitzt klare Ideen, war und ist immer lernbereit. Ich bin sicher, dass er seinen Erfolgsweg weitergehen wird.“

Als sich Klopp 2015 aus Dortmund verabschiedet, bleibt auch die Tür von Thomas Tuchel offen. „Wir haben Hannes immer angemerkt, wie tief er sich in seine Spieler hineinversetzt und mit wie viel Energie und Neugier er den Trainerjob lebt. Das war von Beginn an außergewöhnlich“, erinnert sich Tuchel, der zweite entscheidende Mentor, an die Zusammenarbeit mit Wolf. Es ist nicht der Ruf aus Stuttgart, der die Dortmunder überrascht – sondern die Tatsache, dass es so lange gedauert hat, bis ein Proficlub auf die Idee kommt, Wolf als Cheftrainer zu engagieren. Am 21. September stellt er sich beim VfB vor. Auch Tuchel verfolgt die erste Pressekonferenz: „Von diesem Moment an war mir klar, dass er es schafft. Seitdem verfolge ich regelmäßig seine Spiele und drücke die Daumen.“

Das sagt der einstige Jugendtrainer über Wolf

Das tun sehr viele Wegbegleiter – auch im Stadtteil Kurl weit im Dortmunder Osten, der letzten Station dieser Reise in die Vergangenheit. Ein freundlicher Mann im schwarzen Trainingsanzug des VfL Hörde öffnet die Tür seines Backsteinhauses und sagt: „Ich bin der Klaus. Komm rein. Hast du schon was gegessen?“ Klaus Rohe ist seit Jahrzehnten Trainer im Dortmunder Amateur- und Jugendfußball. Mehrere BVB-Tassen stehen auf dem Schreibtisch seines Arbeitszimmers, an der Wand hängen Wimpel, Urkunden und das Mannschaftsfoto der B-Jugend von Rot-Weiß Barop. „Das ist mein Hannes“, sagt Rohe und zeigt auf ein schmächtiges blondes Bürschchen hinten rechts.

Bis ins Kreispokalfinale sind sie unter Rohes Führung 1998 gekommen. „War eine geile Truppe – aber mein Hannes war die Bombe. Immer höflich, respektvoll, wissbegierig. Und viel zu gut für einen Club wie Barop. War mir schon damals klar, dass der Junge eines Tages groß rauskommt.“ Sie haben sich irgendwann aus den Augen verloren, berichtet Rohe, der seinen Hannes nun regelmäßig im Fernsehen bewundert: „Der Hannes ist mein Hannes geblieben. Null abgehoben, eine ehrliche Haut, so offen und freundlich wie früher. Ich bin jetzt VfB-Fan.“ Noch größer ist nur seine Liebe zum BVB, Rohe verpasst kein Heimspiel. Eines Tages, das hofft nicht nur er ganz fest, werde Wolf zurückkehren und auf der Dortmunder Trainerbank sitzen. „Er ist einer von uns, er gehört hierher.“

Jetzt aber hat Wolf den Auftrag, den VfB in die Bundesliga zu führen. Es gebe nur zwei Möglichkeiten, hat er in der Winterpause gesagt, „entweder ich bin am Ende der Held oder der Idiot“. Für Klaus Rohe in Kurl stellt sich diese Frage ebenso wenig wie für die Sportsfreunde aus Aplerbeck. Ihr Hannes bleibt ein Held auf alle Zeiten.

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