In der entscheidenden Saisonphase findet der VfB Stuttgart eine Elf, die ihn nach vorne bringt. So will der Tabellenletzte auch am Samstag gegen Hamburg die Punkte holen.

Sport: Carlos Ubina (cu)

Stuttgart - Der Tempomacher kam ziemlich schnell auf Touren. In der sechsten Minute verlagerte der VfB Stuttgart geschickt das Spiel, und auf der linken Flanke öffnete sich plötzlich ein Korridor für Filip Kostic – viel Raum und nur ein Mainzer Gegenspieler, Stefan Bell. Da katapultierte es auch Huub Stevens in seiner Coachingzone nach vorne. „Geh“, schrie der Trainer dem Serben hinterher, der seinen Sprint längst angezogen hatte.

 

Kostic’ Hereingabe ermöglichte die erste große Torchance. Diese wurde zwar vergeben, doch die Szene mit dem 22-jährigen Außenstürmer versinnbildlicht, wie sich das VfB-Spiel verändert hat. Wie sich aus dem früheren Ballgeschiebe, das viele Fachleute und Fans nur noch als Spiel- und Spaßbremse verstanden, ein neuer, temporeicher Fußball entwickelt hat.

Kostic gibt dabei wie beim 2:0 gegen Mainz den Spielbeschleuniger. Er macht das so gut, dass sich der TV-Experte Lothar Matthäus an Franck Ribéry erinnert fühlt. Das ist natürlich ein großer Vergleich, da der VfB-Profi keineswegs über die Kunstfertigkeit des Bayern-Stars am Ball verfügt, aber seine Dynamik und Effektivität gehen in den vergangenen Wochen ebenfalls eine spektakuläre Verbindung ein.

Stark verbesserte Offensive macht Hoffnung

So nährt der Flügelflitzer zusammen mit seinen Offensivpartnern Martin Harnik und Daniel Ginczek sowie Daniel Didavi dahinter vor dem fundamental wichtigen Heimspiel gegen den Hamburger SV an diesem Samstag (15.30 Uhr) die Hoffnung, dass diese so unglücklich verlaufende Saison für die Stuttgarter doch ein glückliches Ende nimmt. „Das Verständnis und die Abläufe im Spiel nach vorne sind viel besser geworden“, sagt Stevens, „das sieht man.“

Was man auch sieht, ist, dass es der niederländische Fußballlehrer geschafft hat, die Mannschaft besser auszutarieren. Ein Verhältnis zwischen Defensive und Offensive hinzubekommen, in dem die Stuttgarter nicht sofort aus dem Gleichgewicht kippen, wenn der Gegner gut kontert. Das verhindert zwar nicht die individuellen Fehler, schafft aber immerhin die Möglichkeit, diese auszubügeln. „Man kann nicht mit elf Messis spielen“, sagt Stevens, „das ist zwar für Journalisten und Zuschauer schön, aber auch nur, wenn man den Ball hat.“

Doch selbst ohne den argentinischen Ausnahmekönner des FC Barcelona sind die jüngsten Spiele der Stuttgarter die offensive Antwort auf den Abstiegskampf. Denn noch zu Rückrundenbeginn waren die Stevens-Schützlinge defensiv ausgerichtet, wirkte ihr Vorgehen auf dem Platz zeitweise destruktiv. Viel Kritik hat das eingebracht, aber keine Siege. Nun gab es zuletzt auch keinen Punkteregen, doch in der entscheidenden Saisonphase scheint der VfB nicht nur einen Weg ans rettende Ufer gefunden zu haben, sondern ebenso eine Elf für diesen nervenaufreibenden Endspurt.

Stevens: „Es muss Spaß machen“

Im Tor Ulreich, in der Abwehr Schwaab, Baumgartl, Rüdiger und Klein, im defensiven Mittelfeld Gentner und Serey Dié, davor Harnik, Didavi und Kostic sowie Ginczek in der Spitze. Stevens würde diese Formation jedoch nie bestätigen, weil er in der Überzeugung arbeitet, vor den Spielen so wenig wie möglich an Personalien nach außen zu tragen. Und die Erfahrung hat den 61-Jährigen gelehrt, dass sich immer noch ein Spieler den Fuß vertreten kann. „Und dann?“, sagt er. Ja, dann müsste in der Innenverteidigung vielleicht wieder Georg Niedermeier für Antonio Rüdiger oder Timo Baumgartl auflaufen, die am Donnerstag im Training kürzertraten. Oder Alexandru Maxim müsste für den lange verletzten Daniel Didavi den Spielmacher geben, der wie Serey Dié ebenfalls etwas geschont wurde.

Das sind Vorsichtsmaßnahmen vor der brisanten Duell mit dem Ex-Trainer Bruno Labbadia. Vor der Partie, die den VfB im schlimmsten Fall schon in die zweite Liga stürzen könnte. „Es muss aber Spaß machen, dass du diese Herausforderung vor dir hast“, sagt Stevens. Und wenn der VfB sie besteht, dann hat ihn der Defensivliebhaber buchstäblich nach vorne gebracht.