Stuttgarts Trainer Tayfun Korkut tritt auch nach dem 2:1 von Freiburg beim Thema Europa heftig auf die Bremse. Doch viel fehlt nicht mehr – und der VfB darf sich neue Ziele setzen.

Sport: Heiko Hinrichsen (hh)

Stuttgart - Es gibt im Innenleben der Mercedes-Benz-Arena, dort wo sich die Spieler und Journalisten in der sogenannten Mixed-Zone nach Abpfiff zum Gedankenaustausch treffen, einen Aushang, der würde in England glatt als „Wall of Fame“ durchgehen. Immerhin sind auf dieser Ruhmestafel chronologisch sauber geordnet und von einer Plexiglasscheibe gesichert sämtliche Europapokal-Ergebnisse des VfB Stuttgart aufgelistet, und zwar mit dem Clublogo des jeweiligen Gegners, dem Matchdatum und dem Endergebnis.

 

Alles in allem ist dieses Tableau ein beachtliches Zeugnis des internationalen Ruhms, den der Verein für Bewegungsspiele von 1893 allein seit dem Startschuss der Bundesliga im Sommer 1963 angehäuft hat. In 55 Spielzeiten ist der VfB seither stolze 27-mal im Europapokal mit von der Partie gewesen, und zwar einmal im Pokal der Landesmeister, viermal in der Champions League, einmal im Pokal der Pokalsieger sowie 21-mal im Messepokal, der zwischen 1971 und 2009 der Uefa-Pokal war – und seither Europa League heißt.

Korkut will sich weiter auf den Klassenerhalt konzentrieren

Als der mit dem VfB weiter ungeschlagene Tayfun Korkut durch das 2:1 beim SC Freiburg seine Bilanz auf fünf Siege in sieben Partien ausgebaut hatte, da wollte sich der Stuttgarter Cheftrainer aber keineswegs dem internationalen Traum hingeben. „Die Strecke wird kürzer. Aber solange die rote Linie nicht überschritten ist, denkt keiner bei uns über etwas anderes nach als über den Klassenerhalt“, mahnte der 43-Jährige trotz der Tatsache, dass der VfB sieben Spieltage vor Schluss mit 37 Zählern zwölf Punkte Vorsprung auf den Relegationsplatz 16 besitzt. Platz sieben, der ziemlich sicher zur Teilnahme an der Europa League berechtigt, liegt da bei zwei Punkten Rückstand deutlich näher.

Tatsächlich erscheint Korkuts Ansage zwar weder mit Blick auf das sportliche Geschehen (der VfB steht mit der zweitbesten Abwehr der Liga hinten sehr stabil und hat vorne in Mario Gomez einen Torjäger von internationalem Format) noch hinsichtlich der Bundesliga-Historie notwendig, denn seit Einführung der Dreipunkteregel reichten im Schnitt 36 Punkte zum Klassenverbleib, 40 Zähler waren nie nötig. Vor dem Hintergrund der Krisenjahre beim VfB, der in seinem bis dato letzten Europapokalspiel am 29. August 2013 unter dem Trainer Bruno Labbadia durch ein 2:2 gegen NK Rijeka in den Play-offs zur Europa League hängen blieb, ist die Zurückhaltung aber verständlich. Zu dicht sitzen die bitteren Erinnerungen an das Abstiegsjahr 2016 den VfB-Akteuren im Nacken. Damals hatten einige nach einem Zwischenhoch mit Trainer Jürgen Kramny und fünf Siegen in Folge begonnen, an den internationalen Töpfen zu schnuppern – ehe sie letztlich Zweitliga-Schmalkost serviert bekamen.

Doch diesmal liegen die Dinge nicht nur tabellarisch anders, weshalb Michael Reschke zum Thema Abstieg immerhin erklärt: „Es wäre unglaubwürdig zu sagen, dass wir die ein, zwei fehlenden Punkte in den ausstehenden sieben Spielen nicht mehr holen.“ Das Wort Europa will aber auch der Manager (noch) nicht in den Mund nehmen. Doch der Fluch der guten Tat könnte schon nach einem durchaus möglichen Heimsieg des VfB am Karsamstag gegen den Hamburger SV dafür sorgen, dass man sich neu orientieren darf.

Nimmt man Europa dann ernst, das ja nicht nur eine Lust, sondern auch eine Last sein kann? Als mahnendes Beispiel für die Tücken des Tanzes auf drei Hochzeiten taugt der 1. FC Köln, der zeitgleich zur umjubelten Europapokal-Rückkehr in der Liga abschmierte. Klar ist, dass eine Qualifikation für das internationale Geschäft nicht in den strategischen Plan der VfB-Clubführung passen würde, der für diese Saison „nur“ den Klassenverbleib vorsieht.

Europa League ist nicht jedermanns Geschmack

Würden die Tickets für Europa dennoch gelöst, hätte der Aufsteiger, der noch vor zwölf Monaten in der Fußballprovinz beim 1. FC Heidenheim kickte, zwei Stufen auf einmal erklommen – und sein Ziel quasi übererfüllt. Hinzu kommt, dass die Europa League ein sportlich zweifelhafter Charme umweht. So fristet der kleine Bruder sein Dasein im Schatten der Champions League. Spiele am Donnerstagabend etwa gegen NK Domzale wie 2005 sind nicht jedermanns Geschmack. Zudem müsste der VfB, der durch den quasi fixen Klassenverbleib früh Planungssicherheit gewonnen hat, den Spielerkader erweitern. Als Siebter würde durch die Quali-Runden zur Europa League auch der Saisonstart vorverlegt.

Doch es gibt auch die Sonnenseite des Wettbewerbs: So lassen sich schon jetzt in der Europa League pro Club bis zu 17 Millionen Euro verdienen. Obendrein wird die Uefa die Prämien künftig anheben – auch für die Spiele auf der kleinen europäischen Bühne, auf der auch große Namen wie diesmal der FC Arsenal, Atlético Madrid oder der AC Mailand mitmischen. Für weitere Investoren des VfB könnte dies interessant sein. Zumal dessen Präsident ohnehin groß denkt: „Mein Traum ist es, dass wir uns in fünf Jahren im oberen Drittel der Tabelle etabliert haben“, sagte Wolfgang Dietrich nach dem Aufstieg. Spätestens dann wäre man in Europa ja ohnehin Stammgast.

VfB Stuttgart - Bundesliga

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