Einsatzfreude gegen Effizienz oder Antonio Rüdiger gegen Klaas-Jan Huntelaar. Am Samstag treffen der Abwehrmann des VfB Stuttgart und der Stürmer vom FC Schalke aufeinander.

Stuttgart - Einsatzfreude gegen Effizienz oder Antonio Rüdiger gegen Klaas-Jan Huntelaar – dieser Zweikampf wird das Spiel zwischen dem VfB und dem FC Schalke prägen.

 

Klaas-Jan Huntelaar

Das Wort „Phantom“ kommt aus dem Griechischen und bedeutet so viel wie Trugbild, Einbildung, Gespenst oder Geist. Mit einer solch unwirklichen Erscheinung muss sich Antonio Rüdiger (21) jetzt auseinandersetzen, mit „einem Strafraumphantom“, wie der Innenverteidiger des VfB Stuttgart selbst dazu sagt. Dieses Phantom ist jedoch alles andere als unwirklich. Es existiert in echt und hat sogar auch einen Namen: Klaas-Jan Huntelaar.

Strafraumphantom sagt Rüdiger deshalb über ihn, weil er weiß, dass sein Duell mit dem Phantom des FC Schalke 04 nicht irgendwo auf den Flügeln oder im Mittelfeld ausgetragen wird, sondern in der Zone, auf die es im Fußball vor allem ankommt und wo sich das Spiel entscheidet: direkt vor dem Tor. Da lauert das Strafraumphantom, das über weite Strecken einer Partie oft unsichtbar ist. Aber wenn es eine Chance gibt für Huntelaar, ist er wirklich da.

Rüdiger hat schon gegen viele gute Stürmer gespielt – gegen Robert Lewandowski genauso wie gegen Mario Mandzucic oder Stefan Kießling oder Ivica Olic oder Max Kruse. Aber das Strafraumphantom aus den Niederländen sei einer der Allerbesten, sagt Rüdiger, der das beurteilen kann, weil er es nun nicht zum ersten Mal mit ihm zu tun bekommt. Das sind Bewährungsproben, die mitentscheidend sind für die nächsten Schritte in seiner Karriere. Denn zum einen ist es so, dass auch der Bundestrainer Joachim Löw genau verfolgt, wie sich Rüdiger gegen ein solches Strafraumphantom behauptet – was dann Einfluss auf weitere Berufungen in die Nationalmannschaft hat. Und andererseits gucken da auch die Scouts der internationalen Topclubs hin, die Rüdiger teilweise ohnehin schon auf ihrer Einkaufsliste haben – wie Chelsea, Monaco und Porto, die im Sommer eine Ablöse von zwölf Millionen Euro geboten haben.

Kommt der nächste Vorstoß nun im Winter? Bisher verweigert der VfB die Freigabe, weil der Verein meint, auf Rüdiger nicht verzichten zu können – speziell in Duellen gegen Strafraumphantome nicht. „Huntelaar darf man nie aus den Augen lassen“, sagt Rüdiger, der den Torjäger am 20. April beim 3:1-Sieg gegen Schalke im Griff hatte. Überhaupt hat das Strafraumphantom gegen den VfB seit dem 16. Oktober 2010 nicht mehr getroffen, und das damals auch nur per Elfmeter. Das ändere jedoch nichts daran, „dass es immer zur Stelle ist, wenn es gefährlich wird – auch wenn es vorher nicht in Erscheinung getreten ist“, sagt Rüdiger über das Phantom.

Diese Unberechenbarkeit ist es, die ihn beeindruckt und auf die er sich nicht vorbereiten kann. Das Strafraumphantom wisse im einen Moment selber noch nicht, was es im anderen Moment mache, sagt Rüdiger. „Ihm darf man keinen Raum lassen – und man muss immer konzentriert sein.“ Sonst schlägt es zu, dieses Phantom, das es wirklich gibt.

Antonio Rüdiger

Antonio Rüdiger muss höllisch aufpassen. Jede Sekunde. Denn obwohl sich in Begegnungen mit den Schalkern meistens alle Blicke auf Klaas-Jan Huntelaar richten, verlieren die Verteidiger des Gegners den Niederländer immer mal wieder aus den Augen. Nur für wenige Augenblicke. Doch das reicht dem Stürmer – und schon ist es passiert: Tor für Schalke.

„So einen Typ Stürmer gibt es nicht mehr oft“, sagt der VfB-Trainer Huub Stevens über seinen Landsmann, den er bei Schalke schon selbst trainiert hat. So einen Typen, der sich in seinem Revier so sicher bewegt. Und das Revier des Torjägers ist der Strafraum. „Er hat das Gefühl, wann er wohin zu laufen hat“, sagt Stevens. Instinkt nennt sich das – und bei Huntelaar ist dieser dermaßen ausgeprägt, dass seinerzeit ein Fan beim SC Heerenveen (2004 bis 2005) ein Bettlaken beschriftet und bemalt hat und an einen Stadionzaun hing. „The Hunter“ stand darauf, und ein Gewehr war abgebildet.

Huntelaar gefällt dieser Spitzname. Denn er sagt viel aus über sein Selbstverständnis und seinen Anspruch. Er hat ihn sich auch schon auf seine Gesichtsmaske drucken lassen, als er trotz eines Nasenbeinbruchs auf Torejagd ging. Huntelaar befindet sich quasi immer auf der Jagd nach Toren – mit rechts, mit links, mit dem Kopf. Kaum ein Spieler in der Bundesliga verfügt über eine solche Abschlussqualität wie der 31-Jährige. Auf 101 Pflichtspieltreffer in 157 Einsätzen bringt es Huntelaar seit seiner Ankunft auf Schalke im August 2010. Für 14 Millionen Euro verpflichtete ihn damals Felix Magath vom AC Mailand – und jetzt sind sie bei den Königsblauen von den Fähigkeiten ihrer Nummer 25 so überzeugt, dass sie den im nächsten Sommer auslaufenden Vertrag gerne sofort verlängern würden. Für ein Jahressalär von angeblich sieben Millionen Euro.

Huntelaar ist nicht abgeneigt, einen Rentenvertrag auf Schalke zu unterzeichnen. Eine zweite Verhandlungsrunde vor Weihnachten ist bereits anberaumt und die Hoffnung rund um Gelsenkirchen groß, dass der heimatverbundene „Hunter“ bleibt. Er lebt mit seiner Familie im Dörfchen Angerlo in der niederländischen Provinz Gelderland, rund 100 Kilometer vom Schalker Trainingsgelände entfernt. Das kommt Huntelaar entgegen, denn er ist Heimschläfer und pendelt zur Arbeit.

Doch in Stuttgart soll der Jäger (sieben Ligatore in zwölf Einsätzen) keinen weiteren Volltreffer landen. „Er darf keine Bälle bekommen“, sagt Stevens. Er weiß aber nur zu gut, dass sich mit einem Huntelaar im Team die Debatten über neue Angriffsvarianten erübrigen. Der Nationalspieler ist ein echter Neuner. Weshalb der VfB-Trainer auch sagt: „Glaub’ mir! Er wird Bälle bekommen.“ Doch dann sollte Antonio Rüdiger ihn besser nicht aus den Augen verlieren.