Der letzte gelungene Saisonstart des VfB in der Fußball-Bundesliga liegt nun schon zehn Jahre zurück. Es scheint, als habe die Anfangsmisere in Stuttgart System. Warum ist das so?

Sport: Gregor Preiß (gp)

Stuttgart - Mit Blick auf das Duell mit Aufsteiger Fortuna Düsseldorf (20.30 Uhr) hat der Stuttgarter Sportvorstand Michael Reschke die etwas kryptische Vokabel vom Ergebnisspiel bemüht. Was nichts anderes heißen soll als: Ein Sieg ist Pflicht für den VfB Stuttgart – egal wie. Um aus einem bislang schwachen keinen missratenen Saisonstart zu machen. Und um nicht schon wieder eine Trainerdiskussion am Hals zu haben. „Ich glaube, dass es Unruhe im Stadion geben könnte, wenn wir gegen Düsseldorf verlieren,“ sagt Reschke. „Das wäre ja auch eine Saisonbilanz, die uns nicht zufriedenstellen könnte.“

 

Es wäre nicht das erste Mal, dass der VfB in die große Herbstdepression verfällt. Die Kicker mit dem roten Brustring sind nämlich Großmeister im Vergeigen von Saisonstarts. 1, 3, 0, 1, 0, 1 – so lautet die Punktebilanz des Grauens aus den vergangenen sechs Bundesligajahren (jeweils nach dem dritten Spieltag). Besserung stellte sich hernach meist so schnell nicht ein, im Gegenteil. Fielen die ersten Blätter, purzelten alsbald auch die Chefcoaches von der Stuttgarter Trainerbank. Jos Luhukay, Alexander Zorniger, Bruno Labbadia, Christian Groß und zweimal Armin Veh erlebten den ersten Schnee auf dem Wasen nicht.

Korkut will von Fehlstart nichts wissen

Drei Saisonstarts der jüngeren Vergangenheit sind den Fans dabei in besonders schlechter Erinnerung: 2013/14 musste Bruno Labbadia nach null Punkten aus drei Spielen seinen Hut nehmen. In der Abstiegssaison gingen unter Alexander Zorniger sogar die ersten fünf Spiele verloren. Und selbst das Jahr in der zweiten Liga begann alles andere als fulminant. Nach einer 1:2-Heimpleite am vierten Spieltag gegen den 1. FC Heidenheim (ein bis heute unerreichter Tiefpunkt) war Jos Luhukay Geschichte.

Wann gelingt dem VfB endlich mal wieder ein guter Start?, fragen sich die Fans Jahr für Jahr aufs Neue. Und wurden schon wieder enttäuscht. Drei Spiele, nur ein Punkt, dazu das Pokal-Aus in Rostock – den aktuellen Auftakt hatten sie sich anders vorgestellt. Vor allem nach einer augenscheinlich guten, ohne Niederlage absolvierten Sommervorbereitung. Mit einem Kader, der so früh wie lange nicht komplett war. Und nur wenig Verletzten.

Trotzdem läuft es noch nicht rund. Von Fehlstart will einer aber nicht sprechen: Tayfun Korkut. „Nach drei Spielen?“, entgegnet der Trainer irritiert. „Die Saison ist noch so lang.“ Auf die Frage, warum das Ganze beim VfB offensichtlich System hat, zieht er die Mundwinkel nach unten: „Die Vergangenheit kann ich nicht beurteilen.“

Vielleicht liefert die gute Vorbereitung ja zumindest einen Ansatz. Vielmehr die Euphorie, die den Club alljährlich aufs Neue erfasst. Mit 33 500 Dauerkarten wurde mal wieder ein Rekord gebrochen. „Mit einer positiven Grundstimmung in die Saison zu starten, ist grundsätzlich von Vorteil“, sagt Hansi Müller, der den VfB noch immer aus nächster Nähe verfolgt. „Sie wird nur dann zum Problem, wenn du die ersten ein, zwei Spiele verlierst. Dann wirst du als Spieler schnell runtergezogen.“

So sprach Mario Gomez nach dem frühen Gegentor beim SC Freiburg davon, dass „die Psychologie zugeschlagen hat“. Sprich: Die Angst vor einer weiteren Niederlage kriecht in die Beine und lähmt das Spiel. Die klassischen Merkmale eines Anti-Laufs oder einer Krise. Nur: Warum tritt sie beim VfB immer zu Beginn einer Saison auf?

Schon Ex-Trainer Baric wusste: „Kommt Frihling, kommt VfB“

Möglicherweise sind die regelmäßig wiederkehrenden Stotterstarts die natürliche Folge der meist erfolgreichen Rückserien. Denn: „Kommt Frihling, kommt VfB“, wusste schon Ex-Trainer Otto Baric anno 1986, und daran hat sich bis heute im Grunde nichts geändert. Auf die Herbstdepression folgte in aller Regel das Frühlingserwachen, so dass sich die Spätzünder vom Wasen mit einem wohligen Gefühl in die Sommerpause verabschieden. Und verpassen, den Schalter wieder umzulegen, wenn es ernst wird.

Den letzten Auftaktsieg konnte die weiß-rote Fangemeinde in der Saison 2011/12 feiern – ein 3:0 gegen den FC Schalke 04. Damals wies der VfB nach drei Spieltagen vier Zähler auf, es war dies der letzte zumindest nicht misslungene Saisonstart. Der letzte gute Start liegt zehn Jahre zurück (drei Spiele, sechs Punkte), das letzte Mal Anlass zu Euphorie bot die Spielzeit 2004/05. Lang, lang, ist’s her – unter Trainer Matthias Sammer standen nach den ersten drei Spielen sieben Punkte und Platz zwei zu Buche. Am Ende der Saison wurde der VfB Fünfter.

Was Hoffnung macht? Ist die Meistersaison 2006/07. Mit einem 0:3 zu Hause gegen den 1. FC Nürnberg und nur drei Punkten aus drei Spielen gestartet, machte es am vierten Spieltag Klick. Nach einem 0:2-Rückstand in Bremen gewann der VfB noch mit 3:2 und war nicht mehr aufzuhalten. Was nur Eines lehrt: Nach drei Spielen ist noch lange nichts verloren.