Stuttgart - Es fehlte weder an Gesprächsstoff noch an der nötigen Zeit. Mehrere Stunden dauerte am Mittwoch die Präsidiumssitzung des VfB Stuttgart, auf der Clubchef Claus Vogt, Bernd Gaiser und Rainer Mutschler den nächsten Versuch unternahmen, sich auf einen gemeinsamen Termin für die Mitgliederversammlung zu verständigen. Er blieb auch diesmal erfolglos.
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Es ist ein waghalsiges Vorhaben, bei dem sich viele Fragen stellen: Warum will der VfB mitten in der größten vereinspolitischen Krise seiner Geschichte so schnell die Versammlung hinter sich kriegen, bei der mit der Wahl des Präsidenten eine wegweisende Entscheidung getroffen werden soll? Wie sinnvoll ist es, dass in Gaiser und vor allem Mutschler zwei Männer über den Termin entscheiden, die in der Datenaffäre als belastet gelten? Wäre es nicht klüger, mit der Terminierung zu warten, bis Klarheit in dieser Affäre besteht und die personellen Konsequenzen gezogen sind, was auch mehr als eine Woche nach Vorliegen der Abschlussberichte noch nicht der Fall ist?
Und weiter: Gibt es zum jetzigen Zeitpunkt überhaupt geeignete Kandidaten fürs Präsidentenamt, nachdem bislang nur Volker Zeh bereitsteht und Amtsinhaber Claus Vogt nach dem Willen der Mehrheit des Vereinsbeirats offenbar auch weiterhin nicht zur Wiederwahl vorgeschlagen werden soll? Und nicht zuletzt: Warum will der VfB das Risiko eingehen, auf einer rein virtuellen Versammlung mit einer womöglich fünfstelligen Zahl an Teilnehmern technischen oder juristischen Schiffbruch zu erleiden? Unvergessen (und noch immer ungeklärt) ist die Wlan-Panne auf der abgebrochenen Mitgliederversammlung 2019.
Auch Wolf-Dietrich Erhard hätte sich einen späteren Termin gewünscht
Wolf-Dietrich Erhard, Vorsitzender des Vereinsbeirats, hatte im vergangenen Jahr die Verlegung der für Oktober geplanten Mitgliederversammlung so begründet: „Wir wollen keine so bedeutende Mitgliederversammlung mit der Präsidentenwahl virtuell abhalten, wenn uns wahrscheinlich ein paar Monate später wieder eine Präsenzveranstaltung möglich erscheint. Zudem haben unsere Mitglieder bei Mitgliederversammlungen vor der Corona-Zeit mehrfach einer Briefwahl und Fernabstimmung nicht mit der erforderlichen Mehrheit zugestimmt.“ Auch jetzt soll sich Erhard, der an der Präsidiumssitzung satzungsgemäß als Beisitzer ohne Stimmrecht teilnahm, vehement gegen den März-Termin ausgesprochen haben – vergeblich.
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Nach eingehender Prüfung haben zuletzt mehrere andere Bundesligisten wie Borussia Mönchengladbach, Eintracht Frankfurt und der 1. FC Köln von dem Vorhaben einer rein virtuellen Mitgliederversammlung abgesehen. Eine Verschiebung um deutlich mehr als nur zehn Tage fordern beim VfB nicht nur mehr als 120 Fanclubs – dazu raten auch IT-Experten, zumindest wenn Wahlen auf der Tagesordnung stehen: „Reine Online-Abstimmungen lehnen wir ab“, sagt Steffen Haschler, Experte für Videokonferenzsysteme beim Chaos Computer Club.
Der IT-Experte fragt sich: „Kann hier manipuliert werden?“
Der Experte sieht zu viele Unsicherheiten und offene Fragen: „Wer sitzt vor dem Computer? Stimmt überhaupt die berechtigte Person ab? Welchen Weg nehmen die einzelnen Abstimmungsvoten? Kann hier manipuliert werden, sodass beim Auswertungssystem ein Ja vielleicht als Nein ankommt?“ Sein Fazit: Rein technisch sei eine Veranstaltung in dieser Größenordnung dank darauf spezialisierter Dienstleister zwar zu stemmen – „wir raten aber in solchen Fällen klar zur rechtlich sicheren Briefwahl.“
Im Fanumfeld des VfB laufen schon jetzt Vorbereitungen, die Terminierung juristisch anzufechten. Nach Verkündung des Termins, so heißt es, soll beim Amtsgericht ein Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gestellt werden – mit dem Ziel, eine so zeitnahe Mitgliederversammlung zu verhindern. Sollte dies nicht gelingen, könnte weitere juristische Schritte nach der Veranstaltung folgen.