Welche Chancen, welche Risiken birgt das Thema Smart City? Über die Stadt der Zukunft hat StZ-Titelautor Christian Milankovic beim VHS-Pressecafé im Treffpunkt Rotebühlplatz gesprochen.

Stuttgart - 142 Millionen! „So viele Suchergebnisse erscheinen dazu in Google!“ Christian Milankovic meinte das Schlagwort „Smart City – Die Stadt der Zukunft“. Ein Thema, zu dem die Stuttgarter Zeitung 2018 einen Kongress veranstaltete und über das der Titelautor nun beim VHS-Pressecafé referierte.

 

Zu Beginn des 21. Jahrhunderts lebte erstmals über die Hälfte der Weltbevölkerung in Städten. Die UN prognostizieren, dass es bis zur Mitte des Jahrhunderts rund 70 Prozent sind. Bereits 1990 hätten die Forscher des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung die Handlungsfelder in Modellstädten identifiziert, so Milankovic „Haushälterisches Bodenmanagement, vorsorgender Umweltschutz, sozialverantwortliche Wohnversorgung, stadtverträgliche Mobilität und Standort sichernde Wirtschaftsförderung. Kommt einem alles irgendwie bekannt vor, oder?“

In der Stadt der Zukunft haben selbst öffentliche Mülleimer Sensoren

Ab 2019 könnten nun – unter der Federführung des Bundesforschungsministeriums – sieben Modellstädte, darunter Ulm, ihre Ideen zu bezahlbaren Wohnraum, Klimaanpassung, nachhaltige Mobilität, Digitalisierung und Energieversorgung umsetzen. Auch in Stuttgart, dessen Einwohnerzahl sich von 2009 bis 2019 von 592990 auf nun über 614000 erhöhte, drückt das Wohnraumproblem. Größere Baugebiete wolle die Stadt in den Siedlungsflächen am Rand nicht ausweisen, so Milankovic. „Die viel gepriesene Nachverdichtung soll es richten. Das hat Grenzen, stößt bei der Nachbarschaft nicht immer auf Begeisterung.“ Ein anderer Ansatz sei, enger zusammenzurücken und weniger Wohnfläche pro Kopf zu beanspruchen.

Die Stadt von morgen ist auch digitalisiert auf allen Ebenen, hat etwa Smart Waste – öffentliche Mülleimer mit Sensoren – oder Smart Homes mit flächendeckendem WLAN, Türen, die sich per biometrischem Fingerabdruckgerät öffnen, Licht, Heizung oder Rollladen, die Handy und App regeln.

Ziel ist auch, den Individualverkehr zu verringern. Indes steigt der KfZ-Bestand seit Jahrzehnten an, 56 Millionen Autos sind auf deutschen Straßen unterwegs. Das Elektroauto-Ziel wird verfehlt. Und bei Carsharing geht es zögerlich voran. Die Akzeptanz des autonomen Fahrens habe laut einer Umfrage von 8000 Autofahrern in 13 Ländern abgenommen, sagte der Journalist. Nur noch 57 Prozent vertrauten dem selbstfahrenden Auto. Im öffentlichen Nahverkehr wird allerlei getestet: In Schorndorf lief ein Modellprojekt des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrttechnik, der Uni Stuttgart, der Hochschule Esslingen und des VVS: Fahrgäste riefen den Bus per Handy, ein Computer schickte die Route zurück. Das Land förderte das Projekt mit 1,2 Millionen Euro.

Referent: „Die Smart City darf kein Selbstzweck sein“

Milankovic: „Bei all dem fallen Datenmengen an, die geschützt werden müssen. Daten sind das Öl von morgen – damit lässt sich viel Geld verdienen.“ Gerade der wachsende Datenverkehr stieß bei manchen Zuhörern auf Skepsis. Ein junger Mann nannte dagegen Vorteile der neuen Medien. „Ich kann mit meinen Großeltern in Großbritannien skypen.“ Schön fänden manche, wenn man den Ämterkram von zuhause aus online erledigen könne. In Estland gehe das, so Milankovic. „Dort ist man in Sachen E-Government viel weiter, weil die Esten 1990 mit der Unabhängigkeit neu anfingen.“ Man müsse freilich genau prüfen, was wirklich Nutzen bringe in der schönen neuen Zukunftswelt, meinte der Referent: „Der Mensch braucht soziale Kontakte. Die Smart City darf kein Selbstzweck sein.“