Die beiden Redakteure Dieter Fuchs und Jan Sellner haben beim VHS-Pressecafé über „Israel und den Nahostkonflikt“ gesprochen und seine Auswirkungen in den Blick genommen.

Palästinenservertreter Jassir Arafat und der israelische Ministerpräsident Yitzhak Rabin geben sich am 13. September 1993 im Rosengarten des Weißen Hauses die Hände! Das Foto ging um die Welt. Steht es doch für den Start der Osloer Abkommen, einen Friedensprozess zwischen Israel und Palästina und den Grundstein der „Zwei-Staaten-Lösung“ im Nahost-Konflikt. Sie wurde nie Realität. „Nach den Nahostverträgen dachte man, einen neuen Pfad einzuschlagen, nebeneinander leben zu können“, so Dieter Fuchs, Nachrichtenchef der Stuttgarter Zeitung. „Doch der Frieden scheint seit dem grausamen Terroranschlag der Hamas vom 7. Oktober 2023 und dem israelischen Gegenschlag auf den Gaza-Streifen weiter entfernt denn je.“ Der Außenpolitikexperte Fuchs sprach beim VHS-Pressecafé gemeinsam mit Lokalredakteur Jan Sellner über „Israel und den Nahostkonflikt“. Das interessierte im Stream als auch live vor Ort viele, lebhaft wurde diskutiert, etwa gefragt, warum die Hamas, so brutal angriff.

 

Die Hamas habe sich als unfähig erwiesen, den Gazastreifen zu regieren

Das Osloer Abkommen sei dank Rabin, der 1995 von einem religiösen Fanatiker ermordet wurde, der Wechsel der israelischen Politik von Kontrolle Palästinas zur Entspannung gewesen. Die Knesset habe es ratifiziert. Aber bis heute nicht die PLO, so Fuchs. Als 1996 Benjamin Netanjahu erstmals an der Macht war, kam wieder die Kontrolle. „Die Hamas schlug nun los, als sich die sunnitischen Staaten der arabischen Welt an Israel annäherten, um eine Normalisierung zu verhindern und zu eskalieren.“ Zudem wolle sie, anders als die weltlichere PLO-Partei Fatah im Westjordanland, die Zwei-Staaten-Lösung verhindern, plane in Palästina einen Gottesstaat, stelle das Existenzrecht Israels in Frage. Gleichzeitig habe sie sich als unfähig erwiesen, den Gazastreifen zu regieren. Vor allem junge Männer gingen zur Hamas der Bezahlung wegen. „Je schlechter es geht, umso größer der Zulauf. Ihre eigene palästinensische Bevölkerung, die leidet, ist ein Faustpfand für ihre religiösen Ziele.“ Auf ihrer Seite auch finanziell: Katar, Iran, die Muslimbrüder. „Die Hamas soll eine halbe Milliarde Dollar auf dem Konto haben.“

Israel als von dem Anschlag schwer traumatisiertes Land

Doch hätten sie weder einen Flächenbrand in Nahost erreicht, noch eine Verbrüderung mit der Hisbollah. „Das Kalkül der Hamas ist hier nicht aufgegangen“, sagte Jan Sellner. Die Hisbollah hat nur begrenzt losgeschlagen. Da läuft viel Diplomatie auf vielen Seiten. Die Frage ist: Waffenstillstand? „Die USA hätten ihn bis zum Ramadan, der am Samstag beginnt, gerne.“ Noch viele Menschen seien Geiseln der Hamas, seit nun – fast unvorstellbaren – fünf Monaten. Darunter, so Sellner, auch Nachfahren der Stuttgarterin Julie Heilbronner, die von den Nazis ermordet wurde.

Israel sei schwer traumatisiert von dem Anschlag im Land, wohin viele Jüdinnen und Juden wegen des Holocausts flüchteten, um sicher zu sein. Dass sie nun auch in Deutschland angegriffen würde, sei unerträglich. In Israel hätten Viele gegen die rechtsgerichtete Regierung Netanjahus, die Justizreform und Siedlungspolitik, protestiert. „Auch Reservistenverbände“, ergänzte Fuchs. Da werde erbittert Wahlkampf geführt. Nun zähle aber die Freilassung der Geiseln. Dass Israel so hart gegen die Hamas vorgehe, habe mit dem historischen Grundbedürfnis nach Sicherheit zu tun. „Das versprach Mr. Security Netanjahu und hat es nicht gehalten.“

Gegen alte antisemitische Reflexe vorgehen

Manche meinten, er habe die Hamas gestärkt. Letztere soll bei UNRWA, dem 1949 gegründeten Palästinenserflüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen, mitgemischt haben. „Das geht nicht, man muss das stets prüfen“, sagte Fuchs. Aber die UNRWA bringe Stabilität, sei nicht zu ersetzen. „80 Prozent der Palästinenser in Gaza leiden Hunger.“ Jan Sellner betonte, man müsse sich auf das konzentrieren, was Menschen verbinde, wie bei Projekten der Erinnerungskultur in Stuttgart und beim Rat der Religionen und gegen alte antisemitische Reflexe vorgehen.