Die Volkshochschule Unteres Remstal macht aus der Not eine Tugend und bietet in Corona-Zeiten ungewöhnliche Kurse an – etwa einen mit einer Carisma-Trainerin.

Rems-Murr : Frank Rodenhausen (fro)

Rems-Murr-Kreis - Ein wenig ungewohnt ist der interaktive Zuschauerraum anfangs schon. Ein Paar im fortgeschrittenen Alter bietet Einblicke in das heimische Wohnzimmer. Eine Frau schaut in weitwinkelverzerrter Pose in eine Kamera und ruft verzweifelt „Hallo – kann uns jemand hören?“, während ihr Mann an einem Laptop herumnestelt.

 

In fünf Sitzungen zum besseren Glücksempfinden

Nach ein paar kleineren Anlaufschwierigkeiten, hat Reingard Gschaider die Lage im Griff und ihre Schäfchen virtuell um sich geschart – gewissermaßen als ersten Schritt ihrer Mission. Im Auftrag der Volkshochschule (VHS) Unteres Remstal hat die Dozentin per Videochat zu einem besonderen Seminar geladen: In insgesamt fünf Sitzungen will die selbstständige Carisma-Trainerin ihren Zuhörern beibringen, was das eigene Glücksempfinden ausmacht und wie man an dessen Verbesserung arbeiten kann. Die VHS nennt ihren Kurs „Glückslabor“.

Ihre Kernkompetenz, sagt Reingard Gschaider, die in ihrem ersten Berufsleben Schauspielerin an einem Wiener Theater gewesen ist, liege darin, andere Menschen in ihrem Auftreten oder im Reden vor Gruppen zu trainieren. Allerdings habe sie sich schon immer mit der Psychologie des Glücks beschäftigt. Der aktuelle Kurs sei eine ganz bewusst herbeigeführte „Corona-Idee“: „Ich habe mir überlegt, wie man den Menschen helfen kann, ein bisschen besser ,drauf’ zu sein“, sagt die gebürtige Österreicherin, die es der Liebe wegen ins Schwabenland verschlagen hat.

Auch für die Dozentin ist es das erste Online-Seminar

Auch das Format ist nicht nur für die meisten Teilnehmer sondern auch die Dozentin Neuland. Zwar arbeite sie schon längere Zeit mit der Videokonferenzsoftware, die jetzt bei dem Webinar zum Einsatz kommt. Ein reines Online-Seminar habe sie bisher jedoch noch nicht angeboten – schon gar nicht in einem VHS-Kurs, bei dem nicht per se ein technik-affines Publikum zu erwarten sei. Umso zufriedener ist Gschaider nach der ersten Sitzung, in der sie nicht nur Forschungsergebnisse über Gefühlsbandbreiten, Glücksfaktoren oder Emotionsmanagement präsentiert, sondern ihre Seminarteilnehmer gleich zu einer ganz praktischen gemeinsamen Übung animiert hat.

Der Kurs in dieser Form sei durchaus aus der Not geboren worden, wie viele andere digitale Angebote auch, räumt Stefanie Köhler, die Leiterin der VHS Unteres Remstal, ein. Gleichwohl zeige er, wie flexibel und kreativ man auf die Einschränkungen der Corona-Pandemie reagiert habe. So seien weitere Vorträge über die Videokonferenz-Software organisiert, der Youtube-Kanal der Bildungseinrichtung ausgebaut und mit Angeboten bestückt worden. Die meisten der Videos seien aus dem Bereich Bewegung und Entspannung, aber auch die Dozenten begännen, sich mit eigenen Clips vorzustellen.

„Wir haben eine kleine lose Reihe mit Bildungsimpulsen begonnen, bestehend aus eigenen Angeboten wie Sprach-Häppchen, aber auch Anregungen, etwa virtuell ein Museum zu besuchen“, erzählt Stefanie Köhler. Auch in den klassischen VHS-Bildungsbereichen ist das Angebot der Lage angepasst und kurzfristig etwas Digitales auf die Beine gestellt worden. Am Wochenende etwa ist ein Last-Minute-Online-Kurs als Prüfungsvorbereitung für das Mathe-Abitur gestartet. Dennoch hoffe man sehr, bald wieder mit Begegnungen in Kursen vor Ort beginnen zu können, sagt Stefanie Köhler. „Denn es ist einfach nicht dasselbe. . .“

Wie die Wärme durch den Körper fließt

Reingard Gschaiders Seminarteilnehmer haben derweil eine aufrechte Sitzposition eingenommen, die Augen geschlossen und die Hand aufs Herz gelegt. „Spüren Sie die Wärme, die durch Ihre Hand fließt, atmen Sie tief ein, stellen sich etwas Schönes vor und lassen Sie das warme Gefühl als Lächeln auf Ihrem Gesicht ausbreiten. Dann atmen Sie – am besten mit einem tiefen Seufzer – wieder aus“, lautet die Anleitung, aus dem Computerlautsprecher. Auf dem Bildschirm ist allerdings nicht mehr Reingard Gschaider in Aktion zu sehen, sondern ein stilisiertes rotes Herz. Und auch das eingangs erwähnte Ehepaar hat längst gelernt, wie durch Ausschalten von Kamera- und Mikrofonfunktion trotz digitaler Nähe in einer Videokonferenz Privatsphäre hergestellt werden kann.