Die rezeptfreie Ausgabe von Viagra würde in einer privaten Frage mehr Eigenverantwortung bringen, kommentiert Norbert Wallet.

Das Potenzmittel Viagra soll verschreibungspflichtig bleiben. So empfehlen es der Sachverständigen-Ausschuss am Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte. Das Thema ist alles andere als unwichtig.

 

Studien zeigen, dass etwa jeder dritte Mann zwischen 60 und 69 an Erektionsproblemen leidet. Aber auch unter den 40- bis 49-jährigen ist immerhin jeder zehnte betroffen. Die Nachfrage ist groß. 2021 wurden in deutschen Apotheken über 2,4 Millionen Packungen an Mitteln gegen Erektionsstörungen verkauft.

Männer reden nicht so gerne darüber, erst recht nicht in einer ärztlichen Sprechstunde. Als logische Konsequenz der Schüchternheit an falscher Stelle hat sich ein bunter Markt an inoffiziellen bis illegalen Beschaffungswegen ergeben und ein breites Angebot an seltsamen Angeboten. Der Vorschlag, die Abgabe rezeptfrei zu ermöglichen, war also ein vermutlich durchaus tauglicher Versuch, diesen grauen Markt trockenzulegen.

Aber ganz so einfach ist die Sache nicht. Ärzte weisen nicht nur darauf hin, dass Viagra durchaus Nebenwirkungen – von Kopfschmerzen bis Blutdruckabfall – haben kann. Sie führen vor allem an, dass Potenzschwierigkeiten ihre Ursache in tiefer liegenden und ernsteren organischen Problemen haben können, etwa Herz-Kreislauf-Erkrankungen, niedriger Blutdruck oder Leberinsuffizienz. Die könnten in der Sprechstunde im direkten Patientengespräch entdeckt werden.

Die Rezeptfreiheit würde dagegen ein Stück mehr Eigenverantwortung in einer sehr privaten Frage bedeuten. Warum sollte man den Betroffenen diesen verantwortungsvollen Umgang mit dem Medikament nicht zutrauen? Mehrere andere Länder wie Großbritannien, Norwegen, Irland, Polen, Schweiz gehen diesen Weg. Die Experten hätten zumindest vorschlagen können, ihrem Beispiel versuchsweise zu folgen.