Auch 22 Jahre nach dem Triumph von Sven Hannawald wird es nichts mit einer deutschen Tournee-Krönung. Ryoyu Kobayashi aus Japan demonstriert zum Abschluss seine Klasse.

Ryoyu Kobayashi hat den ersehnten deutschen Skisprung-Triumph verhindert und das Duell mit Andreas Wellinger bei der Vierschanzentournee klar für sich entschieden. Der 27 Jahre alte Japaner machte seinen dritten Gesamtsieg bei dem Traditionsevent am Samstag in Bischofshofen mit Tagesrang zwei (137 und 139 Meter) perfekt.

 

Olympiasieger Wellinger blieb bei erstmals winterlichen Tournee-Bedingungen nach Sprüngen auf 132 und 137 Meter Gesamtzweiter, konnte das seit 2002 andauernde Warten auf einen deutschen Gesamtsieg aber nicht beenden. Den Sieg in Bischofshofen holte sich der Österreicher Stefan Kraft vor Kobayashi und dem Slowenen Anze Lanisek. Kraft wurde im Gesamtklassement Dritter.

Kobayashi und der Tagesfünfte Wellinger lieferten sich über zehn Tage auf höchstem Niveau ein packendes Duell, bei dem sich der Japaner von Station zu Station steigerte. Wellingers zweiter Gesamtrang dürfte sich nun anders anfühlen als 2018, als er knapp 70 Punkte hinter Gewinner Kamil Stoch aus Polen zurücklag.

Wellingers Mutter flucht

Diesmal erschien der erste deutsche Titel seit Sven Hannawald vor 22 Jahren tatsächlich bis zum Schlusstag greifbar. Zu Stoch und dem früheren DDR-Springer Helmut Recknagel schloss Kobayashi mit dem Gewinn seines dritten goldenen Adlers auf. Nur der fünfmalige Sieger Janne Ahonen aus Finnland sowie Jens Weißflog (vier) haben mehr Titel als Spezialist Kobayashi, den der Stadionsprecher als „Mister Vierschanzentournee“ bezeichnete.

Zur Paul-Außerleitner-Schanze, auf der der junge Wellinger schon als Schüler gesprungen war, brachte Deutschlands Hoffnungsträger zahlreiche Begleiterinnen und Begleiter mit. Vater, Schwester, Schwager, Freundin mit Familie waren mit an der Schanze - und auch die Mutter, die sichtlich mit ihrem Sohn litt. „Es geht ganz grauenvoll, wenn man so gar nicht helfen kann. Das ist echt am Arsch“, sagte Claudia Wellinger, die im verschneiten Auslauf wartete, in der ARD.

Wetterumschwung als Hoffnung

Von dort waren der lange flache Anlauf und der Schanzentisch teilweise nur schwer einzusehen. „Wir hoffen, dass es dauerhaft gleich viel schneit oder regnet oder was auch immer das ist“, hatte Topspringer Wellinger vor dem Wettbewerb zu den Bedingungen gesagt. Die Spur musste zwischen den Athleten mit Laubbläsern vom Schnee befreit werden.

Ein ordentlicher Wetterumschwung war eine weitere Hoffnung für Wellinger, der trotz eines Rückstands von 4,8 Punkten (umgerechnet 2,67 Meter) als klarer Außenseiter in diesen Showdown ging. Schließlich machte Kobayashi im Pongau von Anfang an den besseren Eindruck. Der Tournee-Führende sprang in allen Probesprüngen sowie der Qualifikation weiter als Wellinger.

Bier und riesige Boxen

Noch bevor die Arena dreieinhalb Stunden vor dem Wettkampf öffnete, bildete sich am Eingang eine rund 200 Meter lange Schlange. Zahlreiche Fans wollten sich möglichst früh die besten Plätze sichern. Andere zogen die Einstimmung mit Bier und ohrenbetäubender Partymusik aus riesigen Boxen im Ortszentrum vor. Vom nasskalten Winterwetter mit leichtem Schneefall ließ sich keiner die Stimmung verderben.

Bei den 14.300 Zuschauern waren mehr deutsche als österreichische Fahnen zu sehen. Das lag vorrangig an Wellinger, schließlich hatten sich Karl Geiger und Pius Paschke als weitere Hoffnungsträger längst aus dem Rennen um den Titel verabschiedet. Selbst Star-Trainer Jürgen Klopp schickte aus Liverpool Grüße an den deutschen Hoffnungsträger auf der Schanze: „Wir drücken Dir die Daumen und glauben ganz, ganz fest an die große Chance.“

Wellinger legte im ersten Durchgang solide vor, wogte im Auslauf aber eher unzufrieden den Kopf hin und her. Rund 20 Minuten und viele Schneeflocken später konterte Kobayashi beeindruckend und mit der Bestweite des ersten Durchgangs. Seinen dritten Titel perfekt zu machen, war für den Japaner im zweiten Durchgang angesichts von 19 Punkten Vorsprung nur noch Formsache.