Das Kabinett hat sich entschieden: Die Grundschulempfehlung soll zum Schuljahr 2018/19 wieder an Verbindlichkeit gewinnen. Dennoch sollen die Eltern das letzte Wort behalten.

Stuttgart - Das Kabinett hat sich schon entschieden, jetzt muss der Landtag seinen Segen zur Änderung des Schulgesetzes geben. Vom Frühjahr 2018 an müssen Eltern von Viertklässlern beim Wechsel auf die weiterführende Schule die Grundschulempfehlung vorlegen. Die letzte Entscheidung über die künftige Schule treffen aber nach wie vor die Eltern.

 

Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) begründete die Änderung damit, dass sie mehr Transparenz für die weiterführende Schule biete, sie sei Ausdruck des „Respekts vor der Beratungsleistung der Lehrer“ und trage dazu bei, „die Stärken und Schwächen der Kinder offen im Sinne einer optimalen Förderung zu besprechen“. Die Autonomie der Eltern werde nicht angegriffen. Eisenmann betonte, „die Grundschulempfehlung kann kein Auswahlkriterium sein“. Am Ende könnten die Eltern nach wie vor entscheiden. Dies sei „Teil professioneller, ehrlicher Erziehungspartnerschaft“.

„Ausdruck des Misstrauens gegen die Eltern“

Das sah Gerhard Kleinböck von der SPD ganz anders. Die Sozialdemokraten hatten die Verbindlichkeit der Empfehlung zusammen mit den Grünen 2012 abgeschafft. Die geplante Änderung wertet Kleinböck als „Ausdruck des Misstrauens gegen die Eltern“. Einen Mehrwert kann er nicht erkennen. „Die Vorlage der Empfehlung hilft weder Eltern noch Kindern, noch Lehrern“, meint der Bildungspolitiker. Sie manifestiere vielmehr die soziale Ungerechtigkeit im Schulsystem. Sandra Boser musste den Sinneswandel der Grünen erklären. Sie hob hervor, „am Ende entscheiden nach wie vor die Eltern“, es bleibe bei einem „durchgängig guten Beratungskonzept in den Schulen“.

Der FDP-Bildungspolitiker Timm Kern betrachtet die Pläne als „nachträgliche schadensbegrenzende Korrekturen“. Er führte gestiegene Zahlen von Sitzenbleibern in Realschulen und Gymnasien an und unterstützte die Änderungen bei der Grundschulempfehlung „ausdrücklich“.

Die Grünen schlagen einen Haken in der Schulpolitik

Den Beifall von CDU, FDP und AfD fanden auch die geplanten Änderungen in der Realschule. Grün-Rot hatte den Realschulen vorgegeben, künftig auch den Hauptschulabschluss anzubieten. Allerdings durften sie keine Kurse und Klassen nach dem Leistungsvermögen der Schüler einrichten. Als pädagogisches Prinzip war die „Binnendifferenzierung“, die Förderung innerhalb der Gruppe, vorgegeben. Jetzt können die Realschulen von Klasse sieben an leistungsdifferenzierte Gruppen oder Klassen bilden. Außerdem erhalten sie mehr sogenannten Poolstunden, die sie zur Förderung frei verwenden könnten. Bis jetzt haben sie acht Poolstunden, im nächsten Schuljahr sollen es 13 werden. Im Jahr 2020, am Ende der Legislaturperiode kommen sie auf 20. Kultusministerin Eisenmann versteht die Änderungen „als klares Bekenntnis: Realschulen sind das Rückgrat unseres Schulsystems“. Die Schulart bekomme nun mehr Flexibilität und „mehr Möglichkeiten, gemäß dem Leistungsniveau zu fördern“. Das sei ein Beitrag „zur Stärkung von Qualität und Leistung im Schulsystem“.

In Argumentationsnöte gerieten erneut die Grünen. Boser rettete sich diesmal damit, dass die Zahl der Poolstunden erhöht werde und neue Fortbildungsmöglichkeiten für Realschullehrer angeboten würden. Die CDU dagegen konnte einen Sieg feiern. „Die Stärkung der Realschulen ist ein Herzensanliegen der CDU“, frohlockte Karl-Wilhelm Röhm und zeigte sich dem grünen Koalitionspartner gegenüber entsprechend „dankbar“. Die Realschulen sieht Röhm wieder als „leistungsstarke Schulen, die sie immer waren“.

Die SPD sieht die Bildungsgerechtigkeit schwinden

Rainer Balzer (AfD) lobte beide Änderungen als „Schritte in die richtige Richtung“. Sie zeugten von „Mut zur Erziehung und zur Leistung“. Die FDP wertet die neue Flexibilität der Realschulen als „Rückabwicklung des grün-roten Misstrauensgesetzes gegen die Lehrer“. Die SPD bedauert, dass die CDU „das System weg vom integrierten System lenkt und das mit Unterstützung der Grünen“. Gerhard Kleinböck klagt: „Wir waren bei der Bildungsgerechtigkeit schon ein Stück weiter.“