Doch das Versprechen, den römischen Sumpf aus Bestechung, Betrug und Bereicherung trockenzulegen, der die italienische Hauptstadt fest im Griff hat, ist zahlreichen Skandalen in den eigenen Reihen gewichen. Sie wolle die „Interessen der Bürger vertreten“, hatte Raggi verkündet, und zwar „ehrlich und transparent“. Doch genau das haben die Römer vermisst in diesem ersten Jahr, das von Skandalen und Rücktritten geprägt war. Die von ihrem Vorgänger, dem Regierungskommissar Paolo Tronca, eingesetzten Manager der Müllabfuhr Ama und der Verkehrsbetriebe Atac warfen nur wenige Wochen nach dem Amtsantritt Raggis das Handtuch.

 

Im Dezember endete der monatelange Streit über Paola Muraro, die umstrittene Müllbeauftragte der Stadt, als auch sie ihren Rücktritt einreichte. Gegen Muraro wird ermittelt, sie hatte vor ihrem Posten in der Stadtregierung bei der Müllabfuhr Ama als Beraterin gearbeitet. Dafür soll sie in wenigen Jahren rund eine Million Euro bekommen haben, außerdem soll sie gegen Entsorgungsrichtlinien verstoßen zu haben. Raggi hatte ihr bis zum Ende den Rücken gestärkt – warum aber genau diese Frau das Müllproblem der Stadt lösen sollte, das sie als Beraterin quasi mit verursacht hatte, blieb Raggis Geheimnis.

Auch sonst hatte sie kein gutes Händchen bei der Wahl ihrer engsten Vertrauten. Raffaele Marra machte sie zum Personalchef – er sitzt seit Dezember wegen Korruptionsvorwürfen im Gefängnis. Durch seinen Fall geriet auch Virginia Raggi selbst in den Fokus der Ermittlungen. Die Vorwürfe: Amtsmissbrauch und Falschaussage. Sie soll Marras Bruder Renato einen Job als Chef des Tourismussektors beschafft und vor der Antikorruptionsbehörde zu dem Fall falsche Angaben gemacht haben. In Rom wurde daraufhin jeden Moment mit der Meldung ihres Rücktritts gerechnet. Schließlich sah der sogenannte „Ehrenkodex“ der Fünf-Sterne-Bewegung vor, dass Politiker, gegen die ermittelt wird, ihr Amt aufgeben müssen. Aber auch das überstand die Bürgermeisterin von Rom. Ihrem Entdecker und Förderer Beppe Grillo sei Dank, der kurzerhand auf eigene Faust den Kodex seiner Bewegung änderte: Die Mitglieder müssen nun nicht mehr zurücktreten, sondern ihm lediglich ihre Verfehlungen melden.

Grillos Unterstützung hängt an einem seidenen Faden

Wie lange der Signora Sindaco – im Italienischen gibt es keine weibliche Form für das Wort Bürgermeister – diese uneingeschränkte Unterstützung Grillos noch zufliegt, weiß keiner. Noch kann er sie, seine einstige Vorzeigefrau, lenken, wie er es gerne hätte. Die Erfahrung aus anderen Ecken des Landes zeigt aber: Es braucht nur einen Schritt in die aus Grillos Sicht falsche Richtung, und er lässt seine Leute skrupellos fallen. Raggi ist so in einen Teufelskreis geraten, denn sollte sie in ihr Amt hineinwachsen, wie es derzeit den Anschein hat, und mehr Eigenständigkeit an den Tag legen, würde sie den Rückhalt Grillos verlieren. Beobachter gehen ohnehin davon aus, dass er sie nur bis zu den nächsten nationalen Wahlen halten will – das Eingestehen des Scheiterns in der Hauptstadt käme vor dem Urnengang einem politischem Selbstmord gleich.

„Eine Stadt zu leiten ist schwer“, sagt Salvatore Salmeri hinter dem Tresen seines Lokals, während er die Rechnung einer Gruppe junger Stammgäste erstellt. „Aber Rom zu leiten ist noch mal ein paar Nummern schwerer.“ Dass Raggi es überhaupt ein Jahr lang durchhalten würde, daran hatte er nicht geglaubt. Doch viele sagen auch: Das Schlimmste hat sie überstanden. Und die unsicher umherwandernden Augen, mit denen sie bei ihren ersten öffentlichen Terminen vor der imposanten Kulisse der Ewigen Stadt komplett verloren wirkte, sind bereits einem festen Blick gewichen, genau wie die T-Shirts und Jeans feinen Hosen und Blazern Platz gemacht haben. Optisch zumindest hat sich Raggi in diesem ersten Jahr ihrem Amt angenähert.

70 Prozent sind mit Raggis Leistung unzufrieden

Man dürfe Virginia Raggi nicht die Schuld für das Versagen der vergangenen zwei Jahrzehnte geben, verteidigen ihre Unterstützer die erste Frau an der Spitze der 2771 Jahre alten Stadt. „Rom ist wieder auf dem Weg – auch wenn sie uns ein Auto ohne Räder und Lenkrad hinterlassen haben“, schrieb die Bürgermeisterin im Februar auf dem Blog der Fünf Sterne, dem Medium, mit dem die Bewegung mit ihren Anhängern kommuniziert. Von der Presse halten die Anhänger von Beppe Grillo wenig. Nach einem Jahr, so kommentiert die Zeitung „La Repubblica“ sei es nun aber endlich genug mit der Ausrede, die anderen seien schuld. „Das ist, als würde eine CD immer an der gleichen Stelle hängen – noch dazu bei einem Lied, das man nicht mehr hören kann.“

Aus Sicht vieler Hauptstädter ist die Lage in ihrer Stadt heute schlimmer denn je. 70 Prozent der Römer sind laut einer Umfrage unzufrieden mit der Arbeit ihrer Bürgermeisterin, lediglich 22 Prozent geben an, weiter darauf zu vertrauen, dass Raggi in der Lage ist, Rom zu regieren. Den riesigen Vertrauensvorschuss, den ihr die Wähler mit auf den Weg gegeben hatten, hat die 38-Jährige anscheinend bereits verspielt. 67 Prozent der Stimmen hatte Raggi in der Stichwahl am 19. Juni 2016 eingeheimst und damit ihren Konkurrenten der Partito Democratico, Roberto Giachetti, nahezu gedemütigt. Spontan versammelten sich ihre Anhänger in der Wahlnacht auf den Plätzen der Stadt und riefen „Die Ehrlichkeit hat gesiegt.“

Skandale statt Transparenz und Ehrlichkeit

Doch das Versprechen, den römischen Sumpf aus Bestechung, Betrug und Bereicherung trockenzulegen, der die italienische Hauptstadt fest im Griff hat, ist zahlreichen Skandalen in den eigenen Reihen gewichen. Sie wolle die „Interessen der Bürger vertreten“, hatte Raggi verkündet, und zwar „ehrlich und transparent“. Doch genau das haben die Römer vermisst in diesem ersten Jahr, das von Skandalen und Rücktritten geprägt war. Die von ihrem Vorgänger, dem Regierungskommissar Paolo Tronca, eingesetzten Manager der Müllabfuhr Ama und der Verkehrsbetriebe Atac warfen nur wenige Wochen nach dem Amtsantritt Raggis das Handtuch.

Im Dezember endete der monatelange Streit über Paola Muraro, die umstrittene Müllbeauftragte der Stadt, als auch sie ihren Rücktritt einreichte. Gegen Muraro wird ermittelt, sie hatte vor ihrem Posten in der Stadtregierung bei der Müllabfuhr Ama als Beraterin gearbeitet. Dafür soll sie in wenigen Jahren rund eine Million Euro bekommen haben, außerdem soll sie gegen Entsorgungsrichtlinien verstoßen zu haben. Raggi hatte ihr bis zum Ende den Rücken gestärkt – warum aber genau diese Frau das Müllproblem der Stadt lösen sollte, das sie als Beraterin quasi mit verursacht hatte, blieb Raggis Geheimnis.

Auch sonst hatte sie kein gutes Händchen bei der Wahl ihrer engsten Vertrauten. Raffaele Marra machte sie zum Personalchef – er sitzt seit Dezember wegen Korruptionsvorwürfen im Gefängnis. Durch seinen Fall geriet auch Virginia Raggi selbst in den Fokus der Ermittlungen. Die Vorwürfe: Amtsmissbrauch und Falschaussage. Sie soll Marras Bruder Renato einen Job als Chef des Tourismussektors beschafft und vor der Antikorruptionsbehörde zu dem Fall falsche Angaben gemacht haben. In Rom wurde daraufhin jeden Moment mit der Meldung ihres Rücktritts gerechnet. Schließlich sah der sogenannte „Ehrenkodex“ der Fünf-Sterne-Bewegung vor, dass Politiker, gegen die ermittelt wird, ihr Amt aufgeben müssen. Aber auch das überstand die Bürgermeisterin von Rom. Ihrem Entdecker und Förderer Beppe Grillo sei Dank, der kurzerhand auf eigene Faust den Kodex seiner Bewegung änderte: Die Mitglieder müssen nun nicht mehr zurücktreten, sondern ihm lediglich ihre Verfehlungen melden.

Grillos Unterstützung hängt an einem seidenen Faden

Wie lange der Signora Sindaco – im Italienischen gibt es keine weibliche Form für das Wort Bürgermeister – diese uneingeschränkte Unterstützung Grillos noch zufliegt, weiß keiner. Noch kann er sie, seine einstige Vorzeigefrau, lenken, wie er es gerne hätte. Die Erfahrung aus anderen Ecken des Landes zeigt aber: Es braucht nur einen Schritt in die aus Grillos Sicht falsche Richtung, und er lässt seine Leute skrupellos fallen. Raggi ist so in einen Teufelskreis geraten, denn sollte sie in ihr Amt hineinwachsen, wie es derzeit den Anschein hat, und mehr Eigenständigkeit an den Tag legen, würde sie den Rückhalt Grillos verlieren. Beobachter gehen ohnehin davon aus, dass er sie nur bis zu den nächsten nationalen Wahlen halten will – das Eingestehen des Scheiterns in der Hauptstadt käme vor dem Urnengang einem politischem Selbstmord gleich.

„Eine Stadt zu leiten ist schwer“, sagt Salvatore Salmeri hinter dem Tresen seines Lokals, während er die Rechnung einer Gruppe junger Stammgäste erstellt. „Aber Rom zu leiten ist noch mal ein paar Nummern schwerer.“ Dass Raggi es überhaupt ein Jahr lang durchhalten würde, daran hatte er nicht geglaubt. Doch viele sagen auch: Das Schlimmste hat sie überstanden. Und die unsicher umherwandernden Augen, mit denen sie bei ihren ersten öffentlichen Terminen vor der imposanten Kulisse der Ewigen Stadt komplett verloren wirkte, sind bereits einem festen Blick gewichen, genau wie die T-Shirts und Jeans feinen Hosen und Blazern Platz gemacht haben. Optisch zumindest hat sich Raggi in diesem ersten Jahr ihrem Amt angenähert.