Intensive Schauspielleistungen bei der Aufführung von „Virginia Woolf“ am Montagabend in der Schwabenlandhalle.

Fellbach - Sie liefern mehr, immer mehr und noch mehr – noch mehr Gemeinheiten, noch mehr hinterhältige Attacken, noch mehr gnadenlose Sezierungen des Gegenübers: Seit 23 Jahren sind Martha und George verheiratet, doch im Ehealltag ist von Liebe, Freundschaft, Zuneigung nicht mehr viel zu spüren. Ach was: gar nichts. Hier herrscht der Psychokrieg.

 

Fast drei Stunden lang geht die Zerfleischung im Wohnzimmer

Fast drei Stunden lang geht diese Zerfleischung im Wohnzimmer so, in der Inszenierung des Krachers „Wer hat Angst vor Virginia Woolf?“ von Edward Albee aus dem Jahr 1962. Das Stück kennt man aus der genialen Verfilmung mit Elizabeth Taylor und Richard Burton – die im wahren Leben in jener Zeit ebenfalls ein Ehepaar waren. Wie auch die renommierten Schauspieler Leslie Malton und Felix von Manteuffel, die nun in einer Produktion der Theatergastspiele Kempf ihre Version des Ehekriegs darbieten. Im wirklichen Leben, verriet Leslie Malton vergangene Woche im Interview mit unserer Zeitung, führen sie eine wunderbare Liebesbeziehung, eine harmonische Ehe. Auf der Bühne der Schwabenlandhalle allerdings ist von wechselseitiger Schonung wenig zu sehen, stattdessen fliegen die Fetzen – durchaus zum Amüsement des Publikums, das die verbalen Erniedrigungen mit wissendem Schmunzeln zur Kenntnis nimmt.

Das Quartett bietet intensivste Schauspielkunst

Zugleich bietet das Quartett intensivste Schauspielkunst. Denn obwohl die Grundzüge der Handlung den Zuschauern sicher bekannt sind, ist es doch frappierend, wie es immer noch eine weitere Steigerung der Boshaftigkeiten gibt. Durch das eindringliche Spiel wird aber auch klar, dass diese Verletzungen des anderen ihre jeweils eigene Vorgeschichte haben, ja fast zwangsläufig erscheinen angesichts der eigenen Wunden, die das Leben ihnen zugefügt hat.

Ein besonderes Verlangen in den Augen vieler ihrer Gesprächspartner habe sie in den vergangenen Wochen erkannt, als sie von ihrer Rolle als Martha erzählte, berichtete Leslie Malton ebenfalls im Interview – nämlich die Lust, tatsächlich in dieses Stück zu gehen. Das zumindest trifft auf die Fellbacher Theatergänger zu – die beiden Abende locken deutlich mehr Interessenten als in der A/B-Miete üblich in den Hölderlinsaal, zusammen dürften es an die 2000 Besucher sein.

Das Publikum bleibt gerne bis 23 Uhr und dankt den Schauspielern mit kräftigem Applaus

Dass die wenigsten jene zweidreiviertelstündige nächtliche Zimmerschlacht bereut haben, zeigt der kräftige Beifall kurz vor 23 Uhr. Eine Folge auch des prägnanten Spiels der beiden weiteren Akteure, Urs Stämpfli als junger Biologieprofessor Nick und Judith Hoersch als seine ebenso knackige wie begriffstutzige Ehefrau Putzi (genannt „Honey“) – jenes jungen Ehepaars also, das Marthas und Georges verletztenden Wortgefechten ausgeliefert ist.

Vermuten darf man ansonsten, dass die Akteure die Pause und das Ende des Drams durchaus herbeigesehnt haben – denn Minute um Minute füllt von Manteuffel den Abend über die Gläser aller Beteiligten mit neuem Alkohol. Natürlich handelt es sich nicht um echten harten Bourbon – aber die Menge, die die Vier während dieser Stunden auf der Bühne in sich hineinkippen, ist wahrlich imposant und verlangt nach Entwässerung – auch in dieser Hinsicht also eine professionelle, äußerst reife Leistung.