Die Stuttgarter Volleyballerinnen stehen auch dank ihrer beeindruckenden mentalen Stärke im DM-Finale. Dort ist der Dresdner SC zwar Favorit – doch der Titelverteidiger muss mit großem Widerstand rechnen.

Schwerin/Stuttgart - Es waren nicht viele Stuttgarter Fans in Schwerin, 800 Kilometer einfach an einem Mittwoch sind für kaum jemanden machbar. Umso herzlicher ist der Empfang der Volleyballerinnen am Tag nach dem Triumph gewesen. Immerhin drei blau gekleidete Anhänger warteten am Stuttgarter Bahnhof auf den ICE aus Hamburg – eine nette Überraschung. Aber auch eine, die sich das Team verdient hatte.

 

Denn die Leistung, mit der Allianz MTV Stuttgart im entscheidenden dritten Spiel in Schwerin klar 3:0 gewonnen und den erneuten Einzug in die Finalserie um die Meisterschaft perfekt gemacht hatte, war meisterhaft. Erneut zeigte die Mannschaft dabei ihre wohl größte Qualität: immer dann voll da zu sein, wenn es drauf ankommt. Scheitern? Ist keine Option. „Uns zeichnen ein unglaublicher Charakter und Siegeswille aus. Wir haben einige Spielerinnen im Team, für die gibt es nichts Schlimmeres, als zu verlieren“, sagt Kapitänin Kim Renkema, „das fehlt Schwerin.“

Kapitänin Kim Renkema lobt das Trainer-Team

Genau diese Gedanken gingen auch Giannis Athanasopoulos durch den Kopf, als er nach dem 3:0-Sieg in der mit fast 2000 Zuschauern besetzten Palmberg-Arena seine Spielerinnen jubelnd über das Feld hüpfen sah. Und der Co-Trainer dachte zurück an das erste Play-off-Halbfinale, in dem sein Team in Schwerin 0:3 untergegangen war. „Diese Niederlage ist der Knackpunkt gewesen“, sagt der Grieche am nächsten Morgen, „so wollte sich keine Spielerin aus der Saison verabschieden.“

Es folgten zwei klare Siege gegen den Bundesliga-Zweiten, weshalb Kim Renkema den Ball zurückspielt an die Trainer. „Ich bin stolz darauf, wie wir diese Halbfinalserie absolviert haben“, erklärt die Außenangreiferin, „dass wir unter Druck immer stärker werden, liegt auch an unseren Coaches. Sie geben wie wir nie auf, sind immer voller Energie und taktischer Ideen. Es motiviert unheimlich, wenn man in die Halle kommt und zwei Trainer sieht, die richtig Bock haben – egal wie das Spiel zuvor gelaufen ist.“

Das Kompliment hört Guillermo Naranjo Hernandez gerne. Der Spanier ist ein Vollblut-Trainer, aber auch einer, der seinen Schützlingen alles abverlangt. Vor allem mental. Er hält nichts davon, die Seele einer Spielerin zu streicheln. Stattdessen spricht er Fehler laut und deutlich an, egal ob im Training oder im Spiel. Sein Motto: Kritik ist der beste Antrieb. „Ich bin nie zufrieden, weil ich genau weiß, was jede Einzelne kann“, sagt Hernandez, „und 90 Prozent reichen mir nicht. Auch nicht im Training. Nur wer hier Druck aushält und aggressiv ist, schafft dies auch im Spiel.“ Der MTV-Coach weiß, dass er damit auf einem schmalen Grat wandelt, weil dieser Weg für sein Team natürlich unbequem ist. Aber der Erfolg gibt ihm recht: „Ich muss vor der Saison Spielerinnen mit Charakter holen. Aber ich muss diese Charaktere während der Saison weiter formen.“ Denn Erfolg ist vor allem Kopfsache. Erst recht im Meisterschaftsfinale.

Der Dresdner SC hat die letzten wichtigen Spiele gegen Allianz MTV Stuttgart gewonnen

Dort wartet ein zumindest ebenbürtiger Gegner. Der Dresdner SC hat nicht nur zum Auftakt der Best-of-five-Serie an diesem Samstag (17.30 Uhr) Heimrecht, sondern auch einen individuell besser besetzten Kader und in Michelle Bartsch die stärkste Angreiferin der Liga. Dazu kommt das Wissen, die letzten wichtigen Duelle (DM-Finale 2015, Pokal-Finale 2016) gegen den MTV gewonnen zu haben. Ein psychologischer Vorteil? Nein, sagen alle Stuttgarter unisono. „Sobald die Mädels auf dem Feld stehen, sind sie ein verschworenes Team. Niemand bei uns will schon wieder an Dresden scheitern“, meint Manager Bernhard Lobmüller. „Wir haben nichts zu verlieren“, erklärt Trainer Guillermo Naranjo Hernandez. Und Kim Renkema ist sicher: „Wir sind im Block stärker als Dresden. Es gibt ein Finale auf Augenhöhe zwischen den besten deutschen Teams – die es beide lieben, sich zu streiten.“

Um den Titel. Aber auch darum, wer es als Meister direkt in die Champions League schafft. Das ist das Ziel der Stuttgarterinnen, auch wenn noch gar nicht sicher ist, ob der Verein sich erneut auf das Abenteuer Königsklasse einlassen würde. „Zumindest das Qualifikationsturnier haben wir als DM-Finalist sicher“, sagt Lobmüller, „damit haben unsere Gesellschafter und Sponsoren eine schöne Diskussionsgrundlage.“ Und was könnte schöner sein, als über die Folgen sportlichen Erfolgs zu debattieren?