Volleyball Krystal Rivers bleibt bei Allianz MTV Stuttgart – das sind die Gründe
Die Diagonalangreiferin wird in ihre siebte Saison gehen. Das gibt dem Volleyball-Bundesligisten, der vor einem personellen Umbruch steht, Stabilität und Sicherheit.
Die Diagonalangreiferin wird in ihre siebte Saison gehen. Das gibt dem Volleyball-Bundesligisten, der vor einem personellen Umbruch steht, Stabilität und Sicherheit.
Im Volleyball ist es alles andere als unüblich, dass Spielerinnen schon nach ein oder zwei Jahren weiterziehen. Der Antrieb, woanders mehr zu verdienen, eine bessere sportliche Perspektive zu finden, ein neues Land kennenzulernen, ist groß und wird von den Beratern stetig befeuert. Auch bei Allianz MTV Stuttgart, das steht jetzt schon fest, wird es nach dieser Saison einen größeren Umbruch geben. Umso wichtiger, dass der Meister weiterhin auf seine stabilste Säule bauen kann: Krystal Rivers hat ihren Vertrag um ein Jahr verlängert. Selbstverständlich war das nicht.
Die Diagonalangreiferin ist mittlerweile 29 Jahre alt, sie hört noch mehr als ohnehin schon in ihren Körper hinein. Sie spürt, dass es nicht einfacher wird, Top-Leistungen zu bringen. Und dass das Ende der Karriere unweigerlich näher rückt. „Der Tag wird kommen“, sagt Kim Renkema, die Sportdirektorin des Bundesligisten, „umso glücklicher sind wir, dass er nicht jetzt schon kommen wird. Allianz MTV Stuttgart ohne Krystal Rivers, das ist für uns kaum vorstellbar.“
Wie wertvoll die US-Amerikanerin ist, zeigte sich erst am Sonntag wieder, im Pokalfinale gegen den SC Potsdam. Sie sorgte mit fulminanten Schmetterschlägen für die ersten Punkte, gab dadurch die Richtung vor, war am Ende mit 25 Zählern die stärkste Angreiferin und wurde zur wertvollsten Spielerin gewählt. Aufhebens? Machte Krystal Rivers um diese persönliche Auszeichnung nicht. „Schön, dass es bei mir gut lief“, sagte sie nur, „wenn ich dem Team helfen kann, dann ist das ein wunderbares Gefühl.“
Andere sind bei der Bewertung ihrer Leistungen etwas euphorischer. „Sie ist nicht nur auf dem Feld ein absolutes Vorbild, sondern auch, was Trainingsqualität und Einstellung angeht“, sagt Trainer Konstantin Bitter, „an guten Tagen hat sie eine unglaubliche Angriffsquote. Sie ist ein Diamant.“ Ähnlich äußert sich Kim Renkema: „Krystal Rivers ist die beste Spielerin der Bundesliga. Sie gibt uns enorm viel Stabilität und die Garantie auf Titel.“ Und das schon seit Jahren.
Die Diagonalangreiferin, die aus Birmingham/Alabama stammt, wird bei Allianz MTV Stuttgart in ihre siebte Saison gehen. „Es wird hoffentlich kein verflixtes, sondern ein glückliches siebtes Jahr“, sagt sie, „ich will meine Geschichte in Stuttgart weiterschreiben – für mich, den Club und die Fans.“
Es ist nicht nur wegen ihrer sportlichen Qualitäten eine besondere Geschichte. Sondern vor allem, weil Mediziner ihre diese Leistungsfähigkeit früh abgesprochen hatten. Anfang Mai erscheint ein Buch über das Leben von Krystal Rivers (Titel „Die Ärzte sagten: Du wirst niemals laufen können – also entschied ich mich, zu springen“), die mit dem Tethered-Spinal-Cord-Syndrom zur Welt kam. Ihre Wirbelsäule war steif und verkürzt, die Bauchdecke bei der Geburt offen, viele Knochen waren deformiert. Mit einem Jahr mussten ihr beide Hüftgelenke gebrochen werden, im Teeniealter hatte sie bereits 20 Operationen hinter sich. Und dann kam mit 19 Jahren auch noch der Krebs – in fortgeschrittenem Stadium. Lymphknoten in Hals, Brust und Hüfte waren betroffen. Es folgten eine lange Chemotherapie und der Sieg über die nächste tückische Krankheit. Sorglos leben können wird Krystal Rivers trotzdem nie. Bis zu zwei Stunden täglich muss sie für die Pflege ihres Körpers aufwenden. Und sie benötigt die Unterstützung ihres Vereins.
Allianz MTV Stuttgart hat deshalb ein medizinisches Netzwerk für seine Starspielerin geknüpft. Auf Reisen erhält sie ein Einzelzimmer, um Ruhe für ihre therapeutischen Maßnahmen zu haben. Und Trainer Konstantin Bitter gewährt ihr Pausen, wann immer es nötig ist. „Dass ich fähig bin, schon so lange auf hohem Niveau zu spielen, hat viel damit zu tun, dass auf meine Bedürfnisse eingegangen wird“, sagt Krystal Rivers, die sich in Stuttgart rundum wohlfühlt: „Die Unterstützung des Clubs und die Möglichkeit, Jahr für Jahr um Titel spielen zu können, ist eine perfekte Kombination.“ So sieht es auch Kim Renkema: „Die gegenseitige Wertschätzung ist enorm groß.“ Geld spielt dabei auch eine Rolle, aber nicht die wichtigste.
Mit einem Jahresgehalt von angeblich rund 100 000 Euro ist Krystal Rivers die Top-Verdienerin der Bundesliga, in anderen Ländern aber könnte sie die drei- oder vierfache Summe einstreichen. Trotzdem hat sie vor der neuerlichen Vertragsverlängerung laut Kim Renkema nicht mal über eine Gehaltsaufbesserung verhandelt. „Ihre Loyalität ist unabhängig davon, wie sich der internationale Markt entwickelt, und deshalb absolut außergewöhnlich. Sie spielt schon lange nicht mehr des Geldes wegen in Stuttgart“, sagt die Sportdirektorin, „sie hat im Laufe der Zeit Angebote abgelehnt, bei denen sich jede andere Spielerin anders entschieden hätte. Klar haben wir es geschafft, ihr eine Heimat zu geben. Und dennoch fühlen wir ihr gegenüber nichts als Dankbarkeit.“