Es sind noch Plätze frei für die große Reise. Hans-Peter Christoph aus Freiburg ist ein Reiseverführer, der am Boden bleibt. Die Welt ist viel zu schön, um darüber hinwegzufliegen, lautet sein Motto.

Baden-Württemberg: Heinz Siebold (sie)

Freiburg - Fahren, er will immer nur fahren: Hans-Peter Christoph (54) wird unruhig bei der Vorstellung, er müsste sechs Wochen lang zu Hause sitzen. Schon eine Woche hält er es eigentlich nicht aus, nutzt jede Gelegenheit, einen knallroten Reisebus aus dem Wagenpark seines Freiburger Reiseunternehmens mit dem programmatischen Namen „Avanti“ wenigstens mal kurz, und sei es nur in die Waschanlage, zu steuern. Erst wenn er „auf dem Bock“ sitzt, ist er glücklich. Avanti, vorwärts, immer weiter – und jetzt sogar einmal um die Welt: neun Monate lang und in zwei Etappen. Von April bis Mitte Juni 2013 soll der Avanti-Bus von Freiburg über den Balkan, die Türkei und die „Seidenstraße“ bis nach Shanghai rollen.

 

Dann soll er per Schiff übersetzen auf den nordamerikanischen Kontinent nach Anchorage und ab Juli die gesamte Panamericana südwärts bis nach Feuerland fahren und kurz vor dem Kap Horn im Dezember die Endstation Beagle Canal erreichen. Wenn alles klappt, wird der Setra-Reisebus dann 52 000 zusätzliche Kilometer hinter sich haben. Wer dabei sein will, braucht Zeit und Geld. 64 000 Euro werden für die gesamte Strecke veranschlagt, einzelne Etappen von etwa vier Wochen sind für rund 10 000 Euro im Angebot. Zu einem Drittel sind die 22 Plätze im Bus bereits ausgebucht. Bis jetzt möchte ein Gast über die ganze Distanz dabei sein. Am Steuer wird Hans-Peter Christoph selbst sitzen – doch für alle Fälle wird auch ein zweiter Fahrer und ein Bordmechaniker dabei sein. „Den haben wir bisher eigentlich noch nicht gebraucht“, sagt Christoph. Denn die Marathonreise um die Welt ist zwar die längste, aber nicht die erste lange Fernreise, auf die der Avanti-Chef mit seinem Bus geht.

Zehn Busfahrer und fünf weitere Angestellte sorgen dafür, dass bei Avanti immer was läuft. Vor sieben Jahren fuhr ein Bus über die Türkei in die Freiburger Partnerstadt Isfahan im Iran, zwei Jahre später durch Nordafrika. Vor vier Jahren folgte Christoph schon einmal der „Seidenstraße“ bis nach Peking zu den Olympischen Spiele. 70 Tage Fahrt – freilich mit Unterbrechungen. „Theoretisch hätten wir es in 17 Tagen schaffen können“, lächelt Christoph. „Die Welt ist viel zu schön, um darüber hinwegzufliegen.“ Diesen Spruch hat Christoph auf seine Flyer gedruckt, er ist ihm in den Sinn gekommen, als er einmal aus Syrien über den Balkan zurück nach Deutschland flog – über die Route, die er Tage zuvor mit einem Lkw gefahren war.

Die Überführung von Lastkraftwagen deutscher Produktion bis nach Saudi-Arabien war das erste große Projekt des 1958 in Oberschopfheim geborenen Sohn eines Maurers. Oberschopfheim ist ein knapp 3000 Einwohner zählendes Dorf in der Vorgebirgszone zwischen Rheinebene und Schwarzwald. Einer der drei Brüder (die auch zwei Schwestern haben) sollte Pfarrer werden, daher „musste“ auch Hans-Peter Christoph aufs Gymnasium nach Offenburg. Priester wurde er nicht, „ich wollte die Welt entdecken“, erinnert sich Christoph an die Ausflüge mit dem VW-Bus nach Griechenland und die Türkei. Die Autos wurden größer, die Strecken länger, ein paar Semester Islamwissenschaften zeugen von anhaltendem Fernweh. Mit 28 machte Christoph noch mal einen Versuch, sesshaft zu werden, lernte in Freiburg Koch und arbeitete ein Jahr als Geselle.

Doch die Reiselust blieb, vom Lkw wechselte er zum Reisebus. In den 80er Jahren wurde noch viel demonstriert, und im Südzipfel Freiburg brauchte es dafür ein Kleinunternehmen namens „Transchaos“. Daraus entstand später „Avanti“, ein Busreiseunternehmen nicht mehr für Demos, sondern für einen alternativen und sanften Tourismus. Denn – dabei kommt Christoph richtig in Fahrt – der Omnibus hat eine Ökobilanz, die ihn letzten Endes umweltverträglicher macht als alle anderen Massenverkehrsmittel. Christoph kann die Zahlen des Umweltbundesamtes auswendig: Ein Flugreisender hat bereits nach 2800 Kilometern eine Tonne Kohlendioxidausstoß verursacht, ein mit Pkw Reisender nach 7200 Kilometern. Ein Busreisender hingegen erst nach 32 000 Kilometern, später als ein Bahnreisender, der nach 22 000 Kilometern „seine“ Tonne CO2 verschuldet hat.

Aber was macht die Politik? „Man subventioniert das Flugbenzin, man fördert den Ausbau von Flughäfen und bezahlt ihre Infrastruktur und ihre Schienenanbindung“, klagt Christoph und schüttelt den Kopf. „Dass man ausgerechnet das Fliegen privilegiert, den Klimakiller Nummer eins“, das kann er nicht nachvollziehen. Er bleibt beim Reisen lieber am Boden und bietet Entdeckungsreisen an, die Zeit und Langsamkeit brauchen. Es muss nicht immer um die Welt gehen. Wandern im französischen Burgund wird angeboten, drei Stunden von Freiburg entfernt. Oder Skifahren im Schweizer Wallis. Städtereisen nach Paris oder Rom gehören zu den Zielen, auch Andalusien, die portugiesische Algarve, Toscana und Venedig. Das Programm von Avanti ist meist europäisch, vielfach auch heimatkundlich geprägt.

Das strukturierte Reisen liegt im Trend, „es ist beruhigend, wenn man weiß, wo es hingeht und wo man isst und schläft“. Den Reisebus sieht Christoph als „rollendes Wohnzimmer“, von dem aus der Insasse gemächlich in eine andere Welt gleitet. Komfortabel und nicht so schnell, dass die Seele noch unterwegs ist, wenn das Ziel erreicht ist. „Wir lassen den Gästen Zeit“, sagt der Reiseverführer, dem zuweilen die Pause für einen Cappuccino, eine gute Zeitung und ein gemütliches halbes Stündchen wichtiger ist als ein weiteres Museum, noch eine Kirche und das soundsovielte Panorama.