Die Kurzarbeit ist wieder da: Der Autobauer Ford kann sich ebenso wenig anders behelfen wie Opel; auch Thyssen-Krupp muss darauf zurückgreifen und womöglich Bosch Rexroth. Es sind die Vorboten eines Abschwungs.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Stuttgart - Die Unternehmen müssen sich für schlechtere Zeiten wappnen: „Die deutsche Wirtschaft ist robust“, stellt Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) gegenüber der Stuttgarter Zeitung zwar fest. „Unsere Unternehmen sind auf den internationalen Märkten gut aufgestellt.“ Andererseits „steigen die Risiken wegen der Unsicherheiten in der Eurozone – das wird nicht ohne Auswirkungen auf die Konjunktur bleiben“. Einige Frühindikatoren bestätigten diese Entwicklung, sagt der Minister, der eine wachsende Vorsicht bei den Unternehmern spürt.

 

Die Daten der Bundesagentur hinken stets etwas hinterher, lassen aber einen Negativtrend ablesen: Wurden im zweiten Halbjahr 2011 noch 30 000 bis 35 000 Kurzarbeiter verzeichnet, waren es von Januar bis April 2012 schon 40 000 bis 45 000. Auch das Ifo-Institut erkennt mehr Pessimismus: Demnach kalkulieren acht Prozent der befragten Unternehmen für die nächsten drei Monate Kurzarbeit ein.

Der Stellenaufbau kommt zum Stillstand

Michael Stahl, Chefvolkswirt beim Arbeitgeberverband Gesamtmetall, weiß zudem von vermehrten Anfragen der Unternehmen bei den Verbänden. Man erkundige sich, wie das denn noch mal sei mit den Bedingungen von Kurzarbeit. Eine Welle von Kurzarbeit sieht er noch nicht. „Wir müssen die Entwicklung sorgfältig beobachten, ohne dadurch eine Krisenstimmung herbeizureden“, sagt er im StZ-Gespräch. Deutlich rückläufig seien die Exporte in die Krisenländer. Wer viel nach Südeuropa liefere wie Opel oder Ford, sei insgesamt stärker betroffen – wer vor allem nach China, Brasilien, Russland oder Indien exportiere, stehe noch ganz gut da.

In puncto Beschäftigung wächst laut Ifo-Institut die Skepsis. Aktuell ist die Metall- und Elektroindustrie bei knapp 3,7 Millionen Stellen angekommen. In der großen Krise von Oktober 2008 bis Mai 2010 waren 230 000 Arbeitsplätze verloren gegangen. Diese Verluste wurden inzwischen mehr als ausgeglichen – mit einem Plus von 245 000. Im Juni stieg die Beschäftigung aber nur noch um 4000. „Der Stellenaufbau dürfte im zweiten Halbjahr zum Stillstand kommen, weil die Produktion kaum mehr zunimmt“, sagt der Chefvolkswirt voraus.

Bis zu einer Million Kurzarbeiter bei M+E

Wenn es keinen Kollaps des Eurosystems oder einen Austritt der Griechen gibt, dürfte die Metall- und Elektroindustrie bis Jahresende mit ihrer Produktion nur noch knapp über Vorjahresniveau stehen. Im ersten Halbjahr betrug das Wachstum gegenüber dem Vorjahr noch 2,7 Prozent. „Mit etwas Glück wird die Produktion im zweiten Halbjahr seitwärts verlaufen. Doch die Gefahr wächst, dass einzelne Firmen in die Kurzarbeit rutschen“, sagt Stahl. Eine Rezession kann er nicht erkennen, „aber es wird im nächsten halben Jahr auch keine deutliche Wende zum Besseren geben“.

Auf dem Hoch der vorigen Krise hatte allein die Metallindustrie im Mai/Juni 2009 fast eine Million Kurzarbeiter zu verzeichnen. Dabei wurde die Arbeitszeit im Schnitt um 30 Prozent reduziert. Das half, 800 000 Stellen zu retten – nicht nur durch Kurzarbeit. Auch Zeitkonten, der Vertrag zur Beschäftigungssicherung, der Verzicht auf Produktivität und der Griff ins Eigenkapital trugen dazu bei, diese Jobs zu sichern. Neben den Milliardenausgaben der Bundesagentur für Arbeit erlitten auch die Betriebe einen milliardenschweren Verlust.

Krisentarifvertrag im Südwesten runderneuert

Um auch einen künftigen Abschwung abzufedern, haben die Tarifpartner der Metall- und Elektroindustrie in Baden-Württemberg ihre Hausaufgaben erledigt. Im Januar einigten sich IG Metall und Südwestmetall auf eine Fortführung des Tarifvertrags zur Kurzarbeit und Beschäftigung. Der „TV KB“ regelt den Zuschuss, den der Arbeitgeber zum gekürzten Monatsentgelt und zum Kurzarbeitergeld gewährt.

Auf eine Vorsorge der Bundesregierung wartet man vergeblich. Massiv haben IG Metall und Arbeitgeber mit Rückhalt der SPD gefordert, dass die Gesetzesregelungen zur Kurzarbeit wieder in Kraft gesetzt werden. Nötig sei etwa, das Maßnahmenpaket als Rechtsverordnung per Kabinettsbeschluss in Kraft setzen zu können – in einer Notsituation dauere es zu lange, das parlamentarische Gesetzgebungsverfahren zu durchlaufen. Die erweiterte Kurzarbeit ist Ende März 2012 ausgelaufen. Normal zahlt die Bundesagentur für Arbeit 67 Prozent vom Nettolohn (Kinderlose 60 Prozent); in der Krise übernahm sie zum Beispiel noch die Hälfte der Sozialbeiträge, nach dem sechsten Monat die volle Höhe.

Rösler will keine Verlängerung des Gesetzespakets

Eine Neuauflage lehnten vor allem die Liberalen ab, um kein Krisensignal zu setzen. Der Wirtschaftsminister erkennt die Dringlichkeit des Anliegens auch nicht: „Die Kurzarbeiterregelung hat sich in der Krise 2008/2009 bewährt“, sagt Rösler. Daher hat er dem Gesamtmetall-Präsidenten Martin Kannegiesser zugesichert, dass „wir jederzeit in der Lage sind, dieses Instrument bei Bedarf wieder ins Leben zu rufen – eine Regelung kann das Parlament schnell beschließen“. Übersetzt bedeutet das: die Gesetzestexte liegen in der Schublade – man müsste sie nur kurz in erster bis dritter Lesung zur Abstimmung bringen. „Eine Notwendigkeit dafür sehe ich momentan aber nicht“, sagt Philipp Rösler.

Im Gesetz festgeschriebene Regelungen seien sicherer, sagt Michael Stahl. Aber die Industrie baue darauf, dass die Koalition ihre Zusage einlösen und die 2008/2009 erprobten Erleichterungen bei Bedarf unverzüglich wieder in Kraft setzen werde.