Die Leiterin des Gesundheitsamts im Kreis Böblingen, Heidi Kalmbach-Heinz, rät dringend zur Impfung.

Kreis Böblingen - Seit 2005 gibt es die „Europäische Impfwoche“, die vom Europabüro der Weltgesundheitsorganisation initiiert wurde. Die Woche will aufzeigen, wie wichtig Impfungen sind, erklärt die Amtsärztin Heidi Kalmbach-Heinz.

 
Frau Kalmbach-Heinz, warum ist impfen wichtig?
Impfen ist eine der wirksamsten Vorbeugemaßnahmen in der Medizin, um Infektionskrankheiten zu verhindern. Impfen ist für den Einzelnen wichtig, es ist aber auch wichtig, dass die Einzelnen geschützt sind, damit Personen geschützt sind, die man nicht impfen kann. Beispiel Keuchhusten: Säuglinge kann ich erst ab neun Monaten impfen, aber erkranken können sie früher. Und wenn die Umgebung gegen Keuchhusten geimpft ist und der Erreger nicht an den Säugling herangetragen wird, dann erkrankt er nicht.
Ist Keuchhusten eine dramatische Krankheit?
Ja, das ist schon heftig, den Virus kann man nicht behandeln – und so ein kleiner Säugling, der dann jede Mahlzeit erbricht, weil er vom Husten geschüttelt ist, das möchten Sie als Eltern nicht erleben.
Wie sieht es im Kreis Böblingen aus? Wo sind hier die größten Impflücken?
Für die Erwachsenen gibt es keine Erfassung. Als einzige Statistik im Landkreis habe ich die Eingangsuntersuchungen, wenn Kinder in die Schule kommen. Hier sind Eltern verpflichtet, Impfbücher vorzulegen.
Und was stellen Sie da fest?
Für Masern waren wir letztes Jahr bei 96,4 Prozent bei der ersten Impfung – das ist schon mal nicht schlecht. Aber man muss zwei Impfungen haben und die zweite Impfung haben dann bloß 92,9 Prozent der Kinder. Diese werden dann aufgefordert, die Impfung nachzuholen.
Müssen Sie daher Alarm schlagen, ist der Kreis Böblingen gefährdet?
Schwierig zu sagen, wir brauchen eine Impfrate von 95 Prozent bei der zweiten Impfung, damit ein Schutz hergestellt ist.
Warum ist die Impfung gerade bei Masern so wichtig?
Zwischen 2003 und 2009 sind in Deutschland 39 Kinder an Masern verstorben. Und nicht nur die Sterberate macht eine Krankheit gefährlich. Wer etwa durch Masern eine Hirnhautentzündung bekommt, kann geistig behindert werden. Und es gibt eben kein Medikament gegen Masern.
 
Heidi Kalmbach-Heinz rät zur Impfung. Foto: Landratsamt Böblingen
Ist Impfen auch ein Thema für Erwachsene?
Ja, zum Beispiel die Impfung gegen Zecken, also das FSME-Virus, das Hirnhautentzündung verursachen kann. Je älter man ist, desto eher bleiben Schäden wie Lähmungen zurück. Gerade hier im Landkreis können wir über die Jahre verfolgen, dass hier die Zecken-Population zunimmt und bei uns mehr Meldungen zum FSME eingehen.
Seit Mitte 2015 gilt ein neues Präventionsgesetz. Was sind hier die größten Änderungen?
Die Ärzte sind jetzt gehalten, bei Kindern und Erwachsenen den Impfschutz zu überprüfen. Das haben die meisten Kinderärzte aber ohnehin schon immer gemacht.
Verzeichnen Sie auch die Impfschäden?
Man muss zwischen Impfschäden und Nebenwirkungen unterscheiden. Nebenwirkungen wie Rötungen oder leichtes Fieber sind nicht meldepflichtig und gehen ja auch vorüber. Impfschäden werden uns zwar gemeldet, es gibt aber keine Landkreisstatistik. Und wenn Impfschäden anerkannt werden, bekommt man auch eine Entschädigung vom Staat.